Wie im Film
Das war knapp: Fast hätte der Autorenstreik in Hollywood die Oscar-Verleihung gefährdet. Doch nun ist der Ausstand der Schreiber beigelegt und am 24. Februar kann das Hochamt der Filmindustrie wie gewohnt zelebriert werden. So ein glücklicher Zufall. Nun ist also der Weg frei für das übliche Brimborium um den roten Teppich, Stars, Abendroben, Vintage-Schmuck und Aftershow-Parties — die den eigentlichen Anlass je nach Blickwinkel bei weitem überstrahlen. Hollywood wird sich mal wieder kräftig selbst feiern.
Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt es hierzulande schon: Einerseits wurden die »Technischen Oscars« schon verliehen, auch an deutsche Preisträger. Andererseits versucht derzeit die Berlinale, einen Hauch von Oscar nach Berlin zu holen.
Die internationalen Filmfestspiele Berlin können sich in diesem Jahr tatsächlich mit einem relativ großen Staraufgebot brüsten: Martin Scorsese und die Rolling Stones eröffneten das Festival mit dem Dokumentarfilm (!) »Shine a light«. Ein weiterer Publikumsmagnet der Berlinale kommt ebenfalls aus dem Musikgeschäft: Madonna versucht sich mit einer Kinokömodie als Regisseurin. Eher älteren Semestern ist Patti Smith ein Begriff, die in einem Musik-Road-Movie mitwirkt. Ja, Schaupieler sind auch da: Ben Kingsley und Penelope Cruz sollen hier herausgegriffen werden, als Favorit für den Schauspieler-Bären gilt vielen Daniel Day-Lewis.
Die Berlinale ist neben vielem anderen ein großer Jahrmarkt der Eitelkeiten — aber auch ein Indikator für aktuelle Trends in der Filmwirtschaft und in der Filmkunst. Da ist es schon bemerkenswert, dass die diesjährige Berlinale mit einem aufwändig gemachten Musik-Dokumentarfilm eröffnet wurde. Der Rolling-Stones-Film »Shine a light« von Martin Scorcese steht aber nicht allein. Immer mehr Dokumentarfilme bahnen sich den Weg aus den Dokumentarfilm-Ghettos des Festivals in andere Sektionen. Dabei ist klar: Mit Martin Scorsese als Regisseur und den Rolling Stones als Thema ist es sicher einfacher, als Eröffnungsfilm auserkoren zu werden, als mit einer Doku über das Leben usbekischer Baumwollpflücker.
In jedem Fall ist es aber erfreulich, wenn vielleicht der Dokumentarfilm dank der Promotion bei der Berlinale auch bei einem größeren Publikum wieder etwas mehr in den Fokus rückt. Schließlich müssen sich viele Filmemacher, die mit oft bescheidenen Mitteln ganz erstaunliche Dokumentationen schaffen, sonst fast immer mit schlechten Programmplätzen und im Normalfall mit wenig bis gar keiner Unterstützung abfinden. Ein bisschen mehr Präsenz in der Öffentlichkeit kann daher sicher nicht schaden. Schließlich sind es oft die Dokus, die sich aus dem Einheitsbrei der gängigen Kino- und TV-Massenware in der einen oder anderen Weise abheben.
Noch mehr als in früheren Jahren hat sich die Berlinale auch zum großen Marktplatz für Filmhändler und Produzenten entwickelt. Dass dabei die Fernsehsender eine wachsende Rolle spielen, ist offensichtlich. Auch in diesem Jahr laufen im Rahmen des Festivals viele Filme, die unter anderem mit Geld von ARD oder ZDF — also letztlich mit Gebührengeld — koproduziert wurden. Schon im vergangenen Jahr waren die Sender während des Festivals nahezu omnipräsent und 2008 ist es nicht anders: Die Sender sind mit koproduzierten Beiträgen, mit begleitenden Events und Live-Berichterstattung vor Ort. So gesehen wird die Berlinale mehr und mehr zum Fernsehfestival, auch wenn das die Hardliner der Kinokultur nicht gerne hören wollen.
So hat die Berlinale, der seit Jahren die Aura eines politischen Festivals anhaftet, vieles zu bieten. Die größere Promiparade kann dann Ende des Monats wieder in Hollywood stattfinden — dafür haben die Drehbuchautoren ja gesorgt.
Sie werden sehen.