Versöhnlicher Blick zurück nach vorn im Zorn?
Sie haben Recht: das geht nicht. Die Überschrift ist ein Paradoxon. Geradezu paradox sind aber auch die Erfahrungen, die viele in der Branche in diesem Jahr machen mussten oder die ihnen im kommenden Jahr bevorstehen, denn oft heißt es: Besser werden mit weniger Geld für die Technik, für das Personal und für den laufenden Betrieb insgesamt. Da mögen die gesamtwirtschaftlichen Prognosen derzeit noch so positiv aussehen, in der Fernsehlandschaft scheint es weiter zu rumoren.
Beispiel ProSiebenSat.1: Die Senderfamilie wird verkauft, und auch wenn in der Chefetage erst mal alles beim Alten bleiben soll und nach außen Kontinuität signalisiert wird, bringt ein neuer Eigentümer in aller Regel doch Veränderungen mit sich. Wer bei einem Unternehmenskauf viel Geld bezahlt, der will meist noch mehr zurück. Die Rendite muss also verbessert werden, und das geht in den wenigsten Fällen ohne Reibungsverluste. Außerdem haben die neuen Mehrheitseigner angekündigt, dass die ProSiebenSat.1-Gruppe mit SBS Broadcasting zu einem europäischen TV-Konzern verschmolzen werden soll. Mal ehrlich: Wer glaubt, dass diese Prozedur an den Mitarbeitern von ProSiebenSat.1 insgesamt ohne Blessuren vorübergeht? Natürlich klingt das von offizieller Seite derzeit ganz anders und hört sich nach Wachstum und Bedeutungszuwachs an. Was dabei rauskommt, wird man sehen.
Bei RTL sind die Sparkomissare schon weiter: Es steht ein Stellenabbau an, der zum Teil auch Entlassungen bedeutet. Als Gründe dafür nennt der Sender einen »rasanten Wandel im TV-Markt« und den anstehenden Umzug der Senderfamilie 2008 in die Kölner Rheinhallen. Beides zusammen mache es nötig, das klassische Geschäft und die Senderstrukturen zu überprüfen. RTL will nach eigenen Angaben innerhalb der nächsten zwei Jahre die senderübergreifenden technischen Aufgaben unter dem Dach von CBC als zentralem Dienstleister bündeln, der von Ossendorf in die Rheinhallen ziehen werde. RTL beschäftigt derzeit in Köln 2.000 Mitarbeiter. Die Spekulationen gehen bis hinauf zu 300 Mitarbeitern, die ihre Jobs verlieren könnten — das halten Insider aber für übertrieben. Die Gewerkschaften gehen derzeit davon aus, dass nach dem Umzug im Bereich Produktion und Technik rund 20 Prozent weniger Personal benötigt werde. Doch das ist noch nicht alles: Bei Neueinstellungen will RTL die Wochenarbeitszeit von derzeit 38 auf 40 Stunden erhöhen, die bestehenden Vergütungssätze sollen um 25 Prozent gekürzt und weitere Tarifrechte der Mitarbeiter abgebaut werden. Die Tarifverhandlungen der Gewerkschaften DJV und Verdi mit RTL endeten in dieser Woche nach der 17. Verhandlungsrunde vorerst ohne Ergebnis.
Meldungen wie diese gehen in überschwänglichen Jahresrückblicken gerne unter, denn sie wollen nicht so recht ins Bild passen. Dennoch, trotz Glockenklang, Zimtduft und Kerzenschein sollte man sich nicht einlullen lassen: auch nicht im nächsten Jahr.
Sie werden sehen.