Branche, Interview, Report, Top-Story: 24.11.2004

Erfahrung mit der Zukunft

Mit David Bush hat ein langjähriger Sony-Mitarbeiter die Führung der Profiabteilung von Sony in Deutschland übernommen. Bush kommt aktuell aus Großbritannien, war aber während seiner Sony-Karriere zuvor schon für längere Zeit in Deutschland tätig, er kennt den deutschen Markt also aus der Innen- und Außensicht. Für die kommenden Jahre sieht er in IT, HD und dem Ausbau von Service und Dienstleistungen die größten Herausforderungen.

B_1104_Sony_Bush_3David Bush, Director Sony Professional Solutions Business Deutschland

Sie haben vor einigen Monaten Ihre neue Position bei Sony Deutschland angetreten. Welche Aufgaben umfasst diese Position?

David Bush: Als Director of Professional Solutions Business Deutschland bin ich verantwortlich für Vertrieb, Marketing und Kunden-Service im professionellen Segment in Deutschland. In diesem Geschäftsbereich liegt der Schwerpunkt natürlich weiterhin bei unseren Kunden aus den Bereichen Rundfunk und Fernsehproduktion, denn das sind mehr als 70 % der Kunden in diesem Segment. In meiner neuen Funktion leite ich hier in Deutschland ein Team von ungefähr 80 Mitarbeitern, die diese Kunden betreuen und die dabei regelmäßig von unseren Kollegen auf der europäischen Ebene, wie auch aus Japan unterstützt werden.

Als langjähriger Sony-Mitarbeiter haben Sie zuvor schon verschiedene Positionen bei Sony in Großbritannien bekleidet und waren in anderer Funktion auch früher schon in Deutschland für Sony tätig. Sie kennen den deutschen und den europäischen Markt aus verschiedenen Perspektiven. Was wollen Sie in Ihrer neuen Position in Deutschland bewirken und bewegen? Was sind Ihre wichtigsten Ziele?

David Bush: Ich arbeite jetzt seit 17 Jahren bei Sony im Bereich Professional Business. In dieser Zeit habe ich eine ganze Reihe von Funktionen im Produkt-Marketing, im Vertrieb und im Management bekleidet. Eigentlich wollte ich ja mal Journalist werden, aber das steht auf einem anderen Blatt! Dass ich die Arbeit bei Sony als so spannend empfinde, liegt größtenteils daran, dass ich in all den Jahren immer die Gelegenheit hatte, mit Kollegen aus anderen Ländern und Kulturkreisen zusammen zu arbeiten.
Ich empfinde es als große Auszeichnung, das Sony-Team hier in Deutschland zu leiten. Wir betreuen unsere Kunden hier schon lange und mit großem Engagement, und Sony Deutschland konnte in den vergangenen 25 Jahren bemerkenswerte Erfolge feiern. Auf unsere Leistungen in diesem Bereich sind wir sehr stolz und es ist eine persönliche Herausforderung für mich, sicher zu stellen, dass wir das noch weiter entwickeln.
Die nächsten Jahre werden eine sehr spannende Zeit für unsere Branche. Wir sind bereits jetzt dabei, neue Technologien auf Festplatten- und IT-Basis einzuführen und werden erleben, wie HD alle Bereiche unseres Business durchdringt. Außerdem müssen wir im Einklang mit diesen Veränderungen unsere eigene Organisationsfähigkeit kontinuierlich verbessern, um unsere Kunden weiterhin mit der Kompetenz unterstützen zu können, die sie von Sony gewohnt sind. Darüber hinaus sind wir bestrebt, die Service-Dienstleistungen zu stärken, die wir unseren Kunden bei Rundfunk und Fernsehen anbieten können. Ich persönlich bin überzeugt, dass dies ein integraler Bestandteil des Value-Add-Konzepts vor Ort sein wird.

Während der IBC2004 wurde deutlich, dass die Branche wieder nach vorne blickt und das Business optimistischer beurteilt. Teilen Sie diese Einschätzung?

David Bush: Ich muss Ihnen gar nicht erst erzählen, wie schwierig die vergangenen Jahre für die Medienindustrie hier in Deutschland waren. Wir hatten es mit tiefgreifenden, strukturellen Veränderungen zu tun, die erfahrungsgemäß bewirken, dass Investitionen zumindest auf kurze Sicht eingefroren oder verschoben werden. Dazu kamen dann auch die negativen Auswirkungen einer allgemeinen wirtschaftlichen Stagnation, die Deutschland immer noch nicht überwunden hat.
Ich glaube, ich kann mit Recht sagen, dass sich die Situation in der Medien- und Rundfunklandschaft langsam stabilisiert, Diese wachsende Stabilität führt in einigen Bereichen nun auch wieder zu Neuinvestitionen. Der Kostendruck bleibt jedoch weiterhin enorm hoch. Deshalb lautet das neue Schlagwort auch »Workflow-Innovation«. In diesem Zusammenhang ist oft die Rede von der Konvergenz zwischen AV und IT. Die interessantere Konvergenz spielt sich aber meiner Meinung nach zwischen der speziell für die kritischen Sendeanwendungen entwickelten Technologie und der unkritischen Standard-Kommunikationstechnologie ab. Für diesen Zweck eine kluge Balance zwischen Kosten und Technologie zu finden, wird der Schlüssel zum Erfolg sein.

Wie weit ist HD in Deutschland? In welchen Bereichen muss sich noch mehr tun, damit sich HD in Deutschland und Europa auf breiterer Basis etablieren kann?

David Bush: In diesem Punkt gehe ich mit den meisten Branchenkennern konform, dass HD auf jeden Fall kommen wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.
In diesem Punkt allerdings hinkt Deutschland – und Europa insgesamt – anderen Teilen der entwickelten Welt noch etwas hinterher. In Europa haben Regierungen und Regulierungsbehörden es bisher versäumt, in dieser Frage die Richtung zu weisen, wie dies in den USA und anderswo der Fall war. Die großen Schwierigkeiten, denen sich öffentliche Sendeanstalten gegenüber sehen, sind nachvollziehbar, was zu dem interessanten Szenario führt, dass hier wahrscheinlich die Privatsender das Tempo vorgeben werden. Premiere hier in Deutschland sowie TF1 in Frankreich und BskyB in Großbritannien haben alle den baldigen Start von HDTV-Programmen über Satellit angekündigt. Allerdings hat man es damit nicht eilig, was die Gefahr birgt, dass die Verbraucher in Europa das Gefühl bekommen, von den Sendern an der Nase herumgeführt zu werden. Innerhalb weniger Jahre werden bei den Endverbrauchern die Vorteile des HDTV-Formats immer weiter ins Bewusstsein dringen. Nicht zuletzt bei Auslandsreisen werden sie die neuen Medienpakete und Spiele kennen und schätzen lernen. Eigene HD-Produktions-Tools auf der Consumer-Seite, etwa HDV-Camcorder werden ebenfalls ihren Teil beitragen.

Schon vor etlichen Jahren sagte ein wichtiger japanischer Sony-Offizieller bei einer Presseveranstaltung »The format war ist over. There is no format war«. Die Realität stellt sich allerdings für die meisten Profis anders dar: Es gibt mehr digitale Aufzeichnungsformate und mehr Speichermedien dafür als je zuvor. Was tut Sony, um den Anwendern zu helfen, diese Verwirrung ab zu bauen damit für mehr Investitionssicherheit zu sorgen?

David Bush: Es ist unbestritten, dass für die meisten Hersteller, und für Sony kann ich das mit Sicherheit sagen, offene Standards eine wichtige Rolle spielen. Aufzeichnungen im MPEG-Format, MXF-Dateiaustausch, UMID-Metadata sind hervorragende praktische Beispiele für Standardisierung. Ich bin stolz darauf, dass Sony einen federführenden Beitrag bei der Entwicklung und Implementierung dieser Standards geleistet hat. Trotzdem trifft die in Ihrer Frage gemachte Aussage ebenso unstrittig zu. Die Standardisierung hat nicht zu einem »Einheitsformat« geführt. Es wird auch weiterhin eine Vielzahl von Anwendungen und Anforderungen bei unseren Kunden geben. Ein Nachrichtenjournalist wird im Hinblick auf Kosten sowie betriebliche und technische Aspekte auch weiterhin ganz andere Anforderungen haben, als etwa ein Kameramann im Spielfilmbereich. Das wird sich wohl auch nicht ändern und deshalb wird es wahrscheinlich ebenso wie in der aktuellen Welt des SD-Fernsehens, auch in der Zukunft mit HD eine ganze Palette an Lösungen für die verschiedensten Anwendungen geben. Das liegt in der breit gefächerten Natur des Medien-Business begründet. Für die Hersteller bringt dies einerseits die Herausforderung mit, Lösungen für die verschiedenen Anforderungen an zu bieten. Andererseits haben wir die Verantwortung, im Gespräch mit dem Kunden die Vielfalt der einzelnen Möglichkeiten zu besprechen und diese dadurch zu entmystifizieren.

Sony hat mit seinen aktuellen und vorab angekündigten Formaten im HD-Segment seine Strategie vorgezeichnet: als Einstiegsformat HDV wird gesehen, dann folgen derzeit HDCAM und HDCAM SR. Dennoch bleiben Fragen offen: Zwischen HDV und HDCAM klafft zumindest vom Preis her eine stattliche Lücke. Korrespondiert diese Preis-Lücke auch mit dem Qualitätsunterschied der Formate? HDCAM hat mit einigen Geräten mittlerweile das Preisniveau von Digital Betacam erreicht. Bleibt da noch genug Platz für XDCAM-HD? Oder wird XDCAM-HD wenn es auf den Markt HDCAM ablösen?

David Bush: Es gibt in der Bildqualität klare Unterschiede zwischen HDV, das mit einer Videodatenrate von 25 Mbps aufzeichnet, und HDCAM-SR mit 440 Mbps bei 4:4:4. Diese unterschiedliche Bildqualität ist jedoch meiner Meinung nach nur einer von vielen Punkten. Sony entwickelt Produkte für sehr unterschiedliche professionelle Nutzer. Die Anwendungsbereiche variieren sehr stark und das Produkt, das wir einer Firma für High-End Postproduction und Mastering anbieten, wird sich in vielerlei Hinsicht von dem unterscheiden, was für Hochzeitsfilmer angebracht ist. Betriebsfunktionen, Robustheit, Optionen und Zubehör, Support-Paket und viele andere Faktoren variieren daher je nach Anwendungsbereich sehr stark.
Deshalb ist Sony dabei, eine Reihe von Optionen auf den Markt zu bringen, die auf viele verschiedene professionelle Nutzer abgestimmt sind. XDCAM ermöglicht als file-basierte Aufzeichnungstechnologie ganz andere Workflows als bandbasierte Systeme wie HDV oder HDCAM. Deshalb wird XDCAM-HD seinen Platz finden. Wie zuvor schon in der SD-Welt wird es auch in der HD-Welt kein Universalformat geben. Ich bin der Meinung, dass professionelle Nutzer es auch positiv bewerten und zu schätzen wissen, dass Firmen wie Sony eine große Auswahl anbieten.

Ein entscheidendes Problem bei den digitalen HD-Formaten besteht darin, dass die Kompatibilität der Formate untereinander weitgehend verschwunden oder nur noch eingeschränkt vorhanden ist. Viele hatten sich ausgemalt, dass eine Multi-Format-, Multi-Resolution-Welt mehr Freiheit im Umgang mit dem Content böte. Momentan ist es aber in vielen Fällen so, dass die richtige Formatwahl mehr Kopfzerbrechen bereitet als früher: 720, 1080, lieber interlaced, lieber progressive? Besteht nicht die Gefahr, dass daraus ein massives Vermarktungsproblem entsteht? Wo bleibt die Kundennähe, die Sony und andere Hersteller propagieren? Werden die Early Adopters in ein paar Jahren auf Originalmaterial sitzen, dass keiner mehr abspielen kann?

David Bush: Die große Mehrheit derjenigen, die heute bereits im HDTV-Format senden, tut dies in 1080i. Man könnte also durchaus sagen, dass sich in dieser Phase 1080i als Industriestandard herauskristallisiert.
Sony ist klar der Meinung, dass 1080i heute die richtige Wahl ist. Und wenn Europa sich auch in diese Richtung bewegt, sind die Aussichten gut, dass es einen globalen HD-Standard geben wird. Wir erwarten eigentlich, dass die meisten Vorreiter der HD-Technologie in Europa 1080i übernehmen werden. Längerfristig könnte nach Ansicht einiger 1080p die optimale Lösung sein. Wenn sich in der Zukunft 1080p als Produktions-Standard herauskristallisieren sollte, muss selbstverständlich dafür Sorge getragen werden, dass Tools für die Integration von vorhandenem Material zur Verfügung stehen.

Sony muss sich im Broadcast-Bereich immer mehr mit IT-Firmen messen. Große Deals, etwa für News-Produktion oder für Content- und Archivlösungen gehen zunehmend an Firmen, die aus dem Computerbereich kommen, etwa SGI oder IBM. Wie begegnet Sony dieser Tendenz?

David Bush: Die IT-Technologie hat ganz offensichtlich in erheblichem Maße in die Domäne der Rundfunk- und Production-Anwendungen Einzug gehalten. Auf dem Weg in die Zukunft haben wir aber auch schmerzlich die Grenzen dieser Technologie erfahren und die Schwierigkeiten kennen gelernt, die ihre Anpassung auf die ganz speziellen Anforderungen unserer Branche mit sich bringt – das wird auch weiterhin so sein.
Auch Sony hat über Jahre hinweg viel investiert, um die Vorteile von IT in Production-Tools und -Workflows zu integrieren. Die Xpri-Editing-Tools und das Sonaps-Produktionssystem sind der Beweis dafür. Wir sind der Überzeugung, dass Sony dank der in 25 Jahren erworbenen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Broadcast-Kunden, deren ganz spezielle Anforderungen in diesem Bereich versteht und respektiert. Hier in Deutschland arbeiten wir sehr eng mit Kunden wie dem NDR zusammen, um sicherzustellen, dass wir IT-basierte Produktionssysteme aufbauen, mit denen sich die Vorteile der IT in der schnellen und extrem anspruchsvollen Programmproduktionsumgebung nutzen lassen.

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