FX.Center Babelsberg: Auferstanden aus Ruinen?
Es roch stark nach einer neuen Förderruine, ganz ähnlich dem unrühmlichen HDO in Oberhausen. Nach zwei gescheiterten Anläufen soll das FX.Center nun mit den neuen Mietern Telefactory und Galileo doch noch die Kurve kriegen.
Das FX.Center wurde einst gegründet, um mittelständischen Firmen State-of-the-Art-Postproduction-Services an zu bieten. Dieses ehrgeizige Ziel wollte das Europäische Filmzentrum Babelsberg e.V. auf dem ehrwürdigen Babelsberger Filmgelände realisieren. Zwei Betreibergesellschaften scheiterten in den Jahren 1999 und 2001 an diesem Projekt (Meldung). Nachdem seither alle Ansätze für die eigentlich gewünschte »große« Lösung scheiterten und die Technik des FX.Centers im damaligen Wert von rund 47 Millionen Mark seit 2001 dem Aktualitäts- und Wertverfall preisgegeben war, wurde nun die Notbremse gezogen. »Vermieten statt betreiben« heißt jetzt die Devise.
Mit dem Postproduction-Unternehmen TeleFactory Babelsberg und dem Berliner DVD-Produzenten Galileo Medien haben sich nun zwei Mieter gefunden, die für ein Comeback des digitalen Produktionszentrums sorgen wollen. Sie haben bereits den zentralen Maschinenraum entstaubt, einige Updates installiert und bieten Leistungen aus den Bereichen Audio, DVD-Authoring und Premastering an. Als erste Aufträge wurden die Tonbearbeitung für »El – Der Millionär« (UFA für RTL2) und die DVD-Bearbeitung für »Hitlerjunge Salomon« (Arthur Brauner Filmproduktion) ausgeführt.
Jens-Theo Müller, Geschäftsführer von TeleFactory, sieht im FX.Center eine »gute Location mit einem superguten Tonbereich«. Das Mietmodell sei günstig, wenn die Technik intensiv genutzt wird. Zudem bestehe Dank vorhandener Technikbasis und Infrastruktur kein Investitionsdruck.
Für TeleFactory bringt die Audiosparte, die unter anderem für die Aufbereitung von Stereo- und Mono-Quellmaterial für Dolby Digital 5.1 bestens geeignet ist, eine Erweiterung des Leistungsspektrums. Müller will einen weiteren Schwerpunkt auf die Restaurierung und Aufbereitung von älterem Film- und Videomaterial für DVD-Verwertung und Fernsehausstrahlung legen. TeleFactory testet hierfür derzeit Software-Lösungen von DaVinci (Vertrieb: Datim), MIT und HS-Art sowie neue Hardware von Snell & Wilcox und Teranex. Der Tonbereich ist unter anderem mit zwei Pro Tools Arbeitsplätzen, zwei Augan-Systemen, einem Audio-Cube und einem 96-Kanal-Audiopult (Axiom von SSL) mit hochwertiger 5.1-Abhörung von Geithein ausgestattet.
Die Galileo Medien AG, Berlin-Charlottenburg, ist bisher auf die DVD-Produktion von Special Interest-Titeln fokussiert. Vorstand Martin Irnich will das Portofolio, vor dem Hintergrund eines Deals mit Universal Pictures Deutschland, um Spielfilmklassiker erweitern. Dafür – und bei den DVD-verwandten Aktivitäten in Synchronisation, Filmvertonung und Untertitelung – sollen sich Technik und Synergiepotenziale am Standort bewähren.
HINTERGRUND: VOM NÄHRBODEN ZUM FÖRDERSUMPF
Die Regisseure Peter Fleischmann und Peter Krieg hatten Anfang der 90er Jahre die Idee eines vernetzten digitalen Produktionszentrums an dem in Abwicklung befindlichen DDR-Kinostandort. Die Dienste dieses »High Tech Centers« (HTC) sollten Mittelständlern und jungen Betrieben teure Investitionen ersparen und sie an den Standort binden. Brandenburgs Wirtschaftsministerium sah in dem Vorhaben einen »Nährboden für junge Medienunternehmen« und stellte dem Projektträger Europäisches Filmzentrum Babelsberg e.V. (EFB) 39 Millionen Mark (19,95 Millionen Euro) bereit. Aus Europatöpfen flossen 52 Millionen Mark (26,6 Millionen Euro) in das vom Architekturbüro Shin Takamatsu konzipierte und nunmehr FX.Center genannte Gebäude am Haupteingang zum Babelsberger Mediengelände. Bis zur Einweihung am 26. März 1999 wurden 104 Millionen Mark (53,2 Millionen Euro) verbaut.
Für 47 Millionen Mark (24 Millionen Euro) wurde Technik vom damals Allerfeinsten angeschafft: Auf 11.000 Quadratmetern fanden sich neben Mietbüros glasfaservernetzte Arbeitssuiten für Schnitt, Bearbeitung und DVD-Authoring mit Produkten wie Flame, Inferno, Fire und Domino. Im Gebäude befinden sich drei TV-Studios mit Flächen zwischen 600 und 180 Quadratmetern sowie ein Multiformatkino, Freizeitbereiche und sogar Appartments. Als technisches Herzstück fungierte ein HP-Rechner mit 16 CPUs, dazu wurden eine Onyx 2, Origin 2000 und Challenge von SGI sowie Rekorder und Player aller gängigen Speicherformate über einen zentralen Maschinenraum eingebunden. Die externe ATM-Anbindung sollte durch ein 622-Gigabyte-Backbone ersetzt werden und das FX.Center für international vernetzte Produktionen attraktiv machen.
Gerade mittelständische Unternehmen sahen aber im überförderten FX.Center einen potenziellen Konkurrenten. Preis-Dumping zu Lasten kleinerer und mittlerer Dienstleister, die ihre Sachinvestitionen zu 60 Prozent refinanzieren müssen, wurde vermutet.
Freilich, soweit kam es nie. Das Projekt scheiterte. Ein paar Wochen nach der Einweihung verabschiedeten sich die Konzernpartner Bertelsmann, RWE Telliance, Studio Babelsberg und Telekom aus der Betreibergesellschaft Company.B und trieben sie (nun im Alleineigentum des EFB stehend) in die Pleite. Die Europa-Geldgeber drohten gar mit Rückforderungen, man sah »durch diesen Konkurs Mittel der Gemeinschaft unmittelbar berührt«, wie in einem Schreiben an die Landesregierung formuliert wurde. Zudem blieb die Verwendung von knapp 2,5 Millionen Mark Fördermitteln durch den Betreiber EFB ungeklärt.
Der Preisverfall von Hard- und Software bei steigender Leistung tat ein Übriges: Für kleine und mittlere Unternehmen waren im Laufe fünfjähriger Planungs- und Bauzeit eigene Anschaffungen bezahlbar geworden. Wozu dann noch Jobs auslagern? So schien dem FX.Center zwar bei der Bürovermietung Erfolg beschieden, die Auslastung der Technik blieb jedoch weit hinter den Erwartungen zurück.
Damit und mit der Internet-Branchenkrise hatte der Multimediadienstleister Artemedia AG zu kämpfen, der Ende 1999 als Betreiber einstieg. Dessen Pleite kündigte sich an, als er im Sommer 2001 die Mietzahlungen einstellte, der Rauswurf folgte.
Die nun von verschiedenen Seiten immer wieder heraufbeschworene »neue Chance« ließ freilich auf sich warten. Seit dem Herbst 2001 waren nur noch wenige Büros vermietet, Studios und Kino wurden selten für Veranstaltungen und noch seltener für Shootings genutzt, das Gebäude wirkte trostlos und eingestaubt. Die zwischenzeitliche Vergabe der Vermarktung an die ZFF Zentrum für Film- und Fernsehproduzenten GmbH sollte eine Wende herbeiführen. Das Gemeinschaftsunternehmen von Studio Babelsberg und Stadt Potsdam ist erfolgreicher Betreiber des benachbarten Studiobaus, in dem unter anderem »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« produziert wird und diverse Medienunternehmen ihren Sitz haben.
Von einem Betreibermodell im ursprünglichen Sinn war keine Rede mehr, es herrschte bleiernes Schweigen. Bei gelegentlichen Medien-Vorstößen war stets von bevorstehenden Lösungen die Rede. So meldete das ZFF im Juni 2002 Verhandlungen mit dem Berliner Postproduktionshaus Cine-Plus. Das sei »mit seinem Knowhow auf dem Gebiet New Media eine gute Ergänzung zum Gebäudemanager ZFF«, sekundierte die Landesinvestitionsbank. Man wolle das Projekt auf sichere Füße stellen und nicht zum dritten Mal kippen sehen.
Was nicht aufgestellt wird, kann in der Tat auch nicht kippen. Ein Jahr später brachte die Landesseite den gerade gegründeten Medienforschungsverbund N-Space, getragen von fünf Brandenburger Hochschulen, als Büromieter ins Gespräch. Es werde »nicht mehr über das Ob, sondern nur noch über das Wie des Einzugs diskutiert«, berichtete die Regionalpresse, strittig sei nur die Mietforderung. N-Space nutzt aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikel im Januar 2004, wie gehabt Räume der HFF Babelsberg. Indessen sprang die Zweiländer-Förderanstalt Filmboard (heute Medienboard) in die Bresche und mietete sich im Bürobereich ein.
Die 7 bis 10 Millionen Mark, die Company.B beziehungsweise EFB jährlich für aktuelle Technik ausgeben wollten, sind wohl nie geflossen. Den neuen Mietern der 3. Etage, TeleFactory und Galileo Medien, bleiben zwar die Grundinvestitionen in Millionenhöhe erspart. Sie müssen nun aber Bestand sowie Update- und Investitionsbedarf erfassen, wollen die Technik schrittweise wieder in Betrieb nehmen und so neues Leben ins FX.Center bringen.
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