Der Feind meines Feindes
Manch einer hatte gehofft, in der Medienproduktion sei die Zeit der Glaubenskriege vorbei. Obwohl sich die Technik in vielen Bereichen eindeutig annähert, wird aber nun die Diskussion wieder unsachlicher. Da werden plötzlich wieder auf allen Seiten längst überholte Argumente aus der Kiste geholt und mit fast schon religiösem Eifer vorgetragen, Standpunkte mit einer längst überwunden geglaubten Engstirnigkeit fanatisch gepredigt.
Natürlich ist in der Praxis nicht alles Gold was glänzt, fehlen Brücken zwischen den verschiedenen Medien und Infrastrukturen, fehlt Funktionalität, versprechen die Hersteller teilweise mehr, als sie halten können. Aber darf das Grund sein, wieder in alte Muster zurück zu fallen?
Die Welt ist einfach, wenn man ihr simple Muster aufzwängt: Filmleute verachten Video. Videoleute verhöhnen die IT-Welt. IT-Experten rümpfen die Nase über die Rückständigkeit von Film und Video. Video- und IT-Welt gelten den Filmanwendern als kalt, technisch und unkreativ. Wenn’s sein muss, rücken Film und IT-Welt enger zusammen, um gegen Videolösungen vom Leder zu ziehen. Aber auch jegliche andere Allianz ist denkbar.
Man kann ja verstehen, dass sich Filmkameraleute nicht unbedingt freuen, wenn sie aus bloßen Kostengründen zum Mini-DV-Camcorder greifen müssen. Wenn man das falsche Werkzeug einsetzt, wird man in den allermeisten Fällen weder mit dem Arbeitsprozess noch mit dem Ergebnis zufrieden sein. Aber was kann die Stichsäge dafür, wenn der Schreiner eigentlich gerade eine Kreissäge braucht? Sollte er sie wutentbrannt in die Ecke schleudern und kein gutes Haar an Stichsägen im Allgemeinen lassen?
Dass HD in manchen Fällen nicht nur eine erwägenswerte Alternative zu Film, sondern sogar einfach die bessere Wahl ist, stimmt genauso wie der Fall, bei dem alles für Film spricht. Dass Daten Vor- und Nachteile gegenüber Videosignalen haben, wird wohl niemand ernsthaft bestreiten. Dass bei vielen Filmproduktionen nur ganz am Anfang und am Ende der Produktionskette Filmmaterial steht, dazwischen aber Daten, Software und IT-Welt herrschen, ist längst Realität.
Eins scheint daher sicher: Auch wenn jetzt hie und da noch Fanatismus aufflammt, werden am Ende die Besonnen siegen: Wer sich in verschiedenen Welten sicher bewegt oder zumindest dafür offen ist, wer für den jeweiligen Job das jeweils richtige Werkzeugset auswählt, ohne sich Scheuklappen anzulegen, der wird langfristig erfolgreich sein. Sie werden sehen.