Kommentar, Top-Story: 01.07.2002

Super-DV

Manchmal wird es einfach zu viel – da mag man es schlicht nicht mehr hören, wenn zum x-ten Mal die gleiche Platitüde vorgetragen wird: Wie oft haben Sie etwa schon Lobeshymnen gelesen oder gehört, die jubilierend konstatieren, wie toll sich DV für den Broadcast- und sogar Kino-Bereich eigne und dass das Format hier nun endlich den Durchbruch geschafft habe?

Es ist tatsächlich beeindruckend, was mit kleinen, preisgünstigen DV-Camcordern teilweise möglich ist, welche überraschende Bildqualität erreicht wird, manchmal sogar unter widrigsten Bedingungen. Es stimmt auch, dass immer öfter DV-Material gesendet wird. Aber beides ist weder neu noch muss man das uneingeschränkt positiv finden.

Wer www.film-tv-video.de einigermaßen regelmäßig besucht, der weiß, dass die Redaktion Formate, Systeme und Technologien nicht als Religionsersatz behandelt, sondern darin lediglich Werkzeuge sieht, die sich für verschiedene Einsatzzwecke eignen. Mit dieser Haltung kommt man wesentlich leichter zu einer etwas differenzierteren und vielleicht auch realistischeren Sichtweise. Auch beim Thema DV.

Da wird von DV-Qualität geredet oder gar von DV-Broadcast-Qualität schwadroniert und so getan, als sei das ein klarer Qualitätsbegriff. Dabei reicht ein Blick auf Reportagen, Dokumentarfilme und Magazine im deutschen Fernsehen, um klar zu sehen: Die Bandbreite der Bildqualität ist enorm. Nicht nur zwischen unterschiedlichen Produktionsformaten, sondern auch, wenn man DV mit DV vergleicht.

Das ist nicht mehr als logisch, denn DV ist letztlich nur ein Bandformat. Leicht zugespitzt könnte man sagen: Nicht die Kassette macht das Bild, sondern die Kamera. Dass es dabei Unterschiede gibt zwischen einem handtellergroßen Mini-Camcorder mit 1/4-Zoll-CCD-Sensor und Kunststoff-Mini-Zoom und einem Gerät mit drei 2/3-Zoll-Bildwandlern und einem hochwertigen Objektiv, das leuchtet auch technisch weniger bewanderten Anwendern ein. Dass auch das Bandformat selbst technische Grenzen hat, muss hier ebenfalls nicht weiter ausgeführt werden.

Natürlich gibt es Umstände, in denen das schlechtere Bild nicht nur akzeptabel, sondern sogar unvermeidlich und vielleicht sogar aus gestalterischen Gründen das Richtige ist. Aber wenn mitten in einer Reisereportage absolut drittklassige Bilder mit allen typischen negativen Eigenschaften simpler, billiger Videokameras verwendet werden, dann fragt man sich schon, warum das sein muss. Oft werden dann Kostengründe angeführt, die zum Dreh mit der simpelsten Variante von DV-Equipment zwingen. Doch ist das ein Grund zum Jubeln?

Neben solchen Aspekten wird beim Lobgesang auf den DV-Einsatz auch gern ein weiterer Punkt unterschlagen: Weil das Equipment billig und simpel zu bedienen ist, wird eine intensivere Beschäftigung damit oder gar eine richtige Ausbildung, immer öfter für überflüssig gehalten. Die Folgen dessen sieht man den Bildern aber leider genau so stark an wie gerätebedingte Bildqualitätsmängel.

Es bleibt dabei: DV ist super. Aber nur, wenn die richtigen Leute das Richtige damit tun. Das kann am Ende ins Fernsehen führen, ja sogar ins Kino (wie Wim Wenders schon 1999 zeigte). Und letztlich ist es dann auch wieder egal, ob irgendwann am Anfang der Produktionskette mal auf DV aufgezeichnet wurde – aber eben nur dann. Sie werden sehen.