Aus beruflichem Interesse
Kaum jemand hat eine bessere Ausrede für sein sprunghaftes Verhalten beim TV-Konsum, als Leute, die sich beruflich in der einen oder anderen Weise mit dem Fernsehen beschäftigen: »Ich muss mich ja informieren, was so gemacht wird.« Es geht also gar nicht um den Inhalt. Im Gegenteil, man zappt sich aus rein beruflichem Interesse quer durch das Programmangebot. Denn sonst wäre man ja selbstredend keineswegs so kulturlos, sich dem vorbeirauschenden, endlosen Strom von Bilderschnipseln hinzugeben, der einen am Ende seltsam leer und erschöpft in den Schlaf sinken lässt.
Solchermaßen mit Voraus-Absolution versehen, lässt sich unbeschwert vollziehen, was Millionen anderer Fernsehzuschauer ohnehin allabendlich tun: Die Fernbedienung mal so richtig ausreizen, weiterschalten, bevor man so ganz genau erfasst hat, worum es überhaupt geht. Zap as Zap can.
Aber dann passiert es: Plötzlich bleibt man hängen. Nicht etwa weil man das Thema oder die Bilder interessant fände, die in diesem Moment aus der Kiste kommen, sondern aus blankem Entsetzen. Weil man etwas gesehen hat, was technisch so schlecht gemacht, gestalterisch so unprofessionell umgesetzt, in seiner Gesamtheit so dilettantisch und mangelhaft realisiert wurde, dass es jeglichem Qualitätsanspruch Hohn spricht und einen regelrechten Schockzustand hervorruft.
Ein solches Erlebnis kann etwa darin bestehen: Ein Gesundheitsmagazin wird billigst aus technisch minderwertigem Archivmaterial zusammengenagelt. Die Stanztricks und Grafiken, die eingesetzt werden, haben das technische Niveau der frühen 70er Jahre. Bei den Zwischenmoderationen sieht es aus, als wüchsen der schlecht ausgeleuchteten Moderatorin Schatten aus dem Kopf. Und zur Krönung wird während der Moderation die Fax-Abrufnummer mitten ins Bild, voll über das Gesicht der Ärztin geblendet.
Lässt man den unter Medienleuten weit verbreiteten Kulturpessimismus beiseite und beschränkt sich auf den ebenso üblichen Zynismus, könnte man noch hoffen, dieser Trash-Look sei gezielt eingesetzt, um das Programm eben damit aus der Masse des Programmangebots herauszuheben. Aber so viel Wagemut und Innovationskraft im deutschen Fernsehalltag zu vermuten, ist sicherlich auch übertrieben.
Es bleiben also viele offene Fragen: Schaut sich überhaupt niemand vom Sender an, was da »On Air« geht? Darf man alles grottenschlecht und lieblos rausblasen, was nicht grob sittenwidrig ist, solange die Quote auch nur einigermaßen stimmt? Darf die wahrscheinlich ältere Zielgruppe von Gesundheitsmagazinen nicht nur von Krankenkasse und Arzt mit Sparmaßnahmen konfrontiert werden, sondern auch noch vom Fernsehen?
Bei so vielen drängenden Fragen bleibt nur noch der Versuch eines Fazits: Für Menschen mit Programmverantwortung muss berufliches Zappen Pflicht werden, denn das kann wirklich lehrreich sein. Sie werden sehen.