Blick in die Zukunft: Change Media Tasting in Stuttgart
Im Jahr 2005 startete TV Komm als Bewegtbildkongress mit dem Schwerpunkt digitales Fernsehen. Seither hat sich die Veranstaltung immer wieder neu erfunden. Von diesem Jahr an heißt der Kongress »Change Media Tasting« und fand diese Woche in Stuttgart statt. Im Fokus: die digitale Disruption.
Die Digitalisierung führt vor allem in der Medienbranche zu extremen Veränderungen und zum verstärkten Kampf um den Konsumenten. Medienschaffende müssen zukünftig ihre Inhalte auf allen Plattformen zugänglich machen und dabei die richtige Geschichte erzählen, um ihre Zielgruppen zu finden und zu adressieren. Dabei entscheidet zunehmend die richtige Kombination aus Kreativität, Innovation mit der gezielten wissenschaftlichen Analyse der rasant wachsenden Datenbestände des Verbraucherverhalten über den wirtschaftlichen Erfolg. Dies verdeutlichte Alexander Lewin, VP International Distribution & Programming der Maker Studios, in seiner Keynote beim Change Media Tasting in Stuttgart. Die Maker Studios sind eines der drei größten Produktionsnetzwerke für YouTube-Videos.
Inhalte besser auffinden
Zentrale Herausforderungen für alle Medienschaffende, Plattformbetreiber und Content-Anbieter sind die Auffindbarkeit der Inhalte und Orientierungshilfen für Endverbraucher angesichts der rasant wachsenden Vielfalt digitaler Angebote. Dabei ist Präsenz auf allen Plattformen existenziell, gleichgültig ob linear oder non-linear. Dies verdeutlichte der vom Handelsblatt-Redakteur Dr. Hans-Peter Siebenhaar moderierte Gipfeltalk des neuen Kongresses. Dabei spielen vor allem die Marken der Medien und der Transfer dieser Marken in die digitalisierte Welt als Orientierungshilfe eine sehr wichtige Rolle.
Wie elementar in der neuen Medienwelt die Auffindbarkeit für regionale Radiosender in der Praxis ist, zeigte Klaus Schunk, Geschäftsführer Radio Regenbogen, auf. Die Gewährleistung der Auffindbarkeit von Inhalten, die Sicherung der Vielfalt, die genaue Beobachtung von Konzentrationsprozessen und den Schutz der Verbraucher angesichts der zunehmenden Zahl digitaler Plattformen sieht denn auch Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LFK), als zentrale Aufgabe und Herausforderung für die Regulierung. Gleichzeitig plädierte er den Erhalt lokaler Medien, deren Zahl durch den digitalen Wandel und das geänderte Verbraucherverhalten ständig sinkt, auch als politische Aufgabe zu begreifen.
Inhalte: linear oder non-linear
Chancen und Herausforderungen von Change Media zeigte Susanne Aigner-Drews, Geschäftsführerin von Discovery Communications Deutschland auf. Als Inhaber bedeutender Sportrechte wie etwa den Olympischen Spielen und der Fußball-Bundesliga steht Discovery vor der Aufgabe, diese gezielt zu nutzen, um die Events über unterschiedlichste Plattformen möglichst optimal direkt allen Altersgruppen zugänglich zu machen. Die Verbreitung linearer und non-linearer Inhalte ist für Simin Lange, Senior Vice President Commercial Distribution bei Sky Deutschland, längst Realität. Sie erwartet mittel- bis langfristig eine völlige Entlinearisierung der Inhalte. Zugleich sieht sie in der Markteinführung neuer Technologien wie etwa Ultra HD und Eigenproduktionen ein wichtiges Unterscheidungs- und Orientierungsmerkmal.
Für Stephan Zech, Publishing Director der Funke Programmzeitschriften, ist es entscheidend, Zuschauern Orientierung zu bieten sowie Inhalte in bester Qualität möglichst einfach handhabbar überall auf jedem Endgerät bereitzustellen. Dabei war für sein Medienhaus der Spagat zwischen Digital und Print mit einem langjährigen internen Lernprozess in den Redaktionen verbunden.
Viele Fragen offen
Ob Disruption in der Vergangenheit erfolgreiche Geschäftsmodelle zerstört oder ein schnell verlaufender evolutionärer Prozess ist, blieb offen. Letztlich hängt dies vom Alter der Zielgruppen der Medien ab. Während sich die Jüngeren bereits in die non-lineare digitale Welt verabschiedet haben, bewegen sich Ältere deutlich langsamer und kombinieren weitgehend ihre lineare Nutzungsgewohnheiten mit den neuen Möglichkeiten.
Disruption bringt mehr Wettbewerb und Vielfalt. Zugleich zwingt die Veränderung Medienunternehmen zu mehr Beweglichkeit und Offenheit für den Wandel. Zudem fordern die Veränderungen auch passende Lösungen für unterschiedlichste Verbreitungsplattformen. Für Dr. Wolf Osthaus, Senior Vice President von Unitymedia, besteht die Herausforderung darin, Kunden die beste Plattform zu bieten, auf der sie alles finden und die interessante Inhalte an jedem Ort bereitstellt. Als Netzbetreiber arbeitet Unitymedia daher gezielt am Ausbau seiner Infrastrukturen in die mobile Welt, um als Unternehmen seinen Kunden zu folgen. Der laufende Aufbau von 1,5 Millionen WiFi-Hotspots ist dabei ein wichtiger Schritt, der Nutzern deutlich mehr Möglichkeiten bietet, hochvolumige lineare und non-lineare Inhalte unterwegs zu konsumieren.
Einigkeit herrschte letztlich darin, dass Medienunternehmen intelligent in die Verlängerung ihrer Inhalte in die digitale Welt und in eine gute Auffindbarkeit investieren müssen, um erfolgreich zu sein und die Herausforderungen des Wandels möglichst optimal zu meistern. Gleichzeitig sei es wichtig, auch in den Wandel und in Talente zu investieren.