Branche, Top-Story, Workflow: 15.12.2015

Interview mit Jim Egan, CEO von BBC Global News

Die BBC hat mit dem Nachrichtenkanal BBC World News einen der renommiertesten News-Spartenkanäle der Welt im Portfolio. Jim Egan, CEO von BBC Global News Ltd, der BBC-Tochter, die diesen Sender betreibt, sprach am Rand einer Informationsveranstaltung zur Sendereihe »Country Direct« des Senders mit film-tv-video.de über Wachstumschancen und veränderte Bedingungen in der digitalen Welt, sowie über aktuelle Entwicklungen im News-Business.

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Ab Januar 2016 zeigt der 24h-Nachrichtenkanal BBC World News die Programmreihe »Country Direct« mit dem Schwerpunkt Deutschland, also »Germany Direct«.

BBC World News ist ein internationaler 24h-Nachrichten- und Informationskanal. Als solcher ist er global nahezu omnipräsent und in mehr als 200 Ländern und Regionen in aller Welt zu empfangen. Der Sender erreicht nach eigenen Angaben weltweit 433 Millionen Haushalte und 1,8 Millionen Hotelzimmer. Jüngst konnte der in London beheimatete, aber mit Studios in vielen Teilen der Welt operierende Sender mit seinem Online-Angebot einen besonderen Erfolg verbuchen, denn er überrundete bei den digitalen Rankings CNN und konnte mehr Leser auf seine News-Seiten ziehen als der US-Nachrichtensender. Das zeigt, dass ein TV-News-Kanal auch in Zeiten digitaler Revolutionen Bestand haben kann.

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Die Inhalte von BBC World News werden mitten in London mit modernster Technik aufbereitet und On AIr gebracht.

BBC World News gehört einer kommerziellen Tochter der BBC, der BBC Global News Limited. Das bedeutet unter anderem, dass BBC World News aus Abogebühren (Pay-TV) und Werbeeinnahmen finanziert wird. In BBC World News fließen also keine TV-Gebührengelder, die zwar auch im Vereinigten Königreich erhoben werden, die dort aber ausschließlich für die werbefreien TV-Programme der BBC verwendet werden, zu denen BBC World News eben nicht gehört.

Vergangene Woche war BBC World News auf Promo-Tour in Deutschland. Der Grund dafür: Im kommenden Jahr rückt Deutschland beim englischsprachigen TV-Nachrichtensender BBC World News etwas stärker in den Fokus: 2016 setzt »Germany Direct« die Programmreihe »Country Direct« des Senders fort — der Sender wird also intensiver und auch abseits der Tagesaktualität mehr über Deutschland berichten. Zuschauer auf der ganzen Welt sollen so tiefere Einblicke in das Geschehen in unserem Land gewinnen — auch jenseits der Schlagzeilen sollen Informationen zu den Themen und Menschen hierzulande bereitgestellt werden.

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Im Rahmen der Ankündigung hatte film-tv-video.de Gelegenheit, mit Jim Egan zu sprechen, dem CEO von BBC Global News.
Zur Marktposition von BBC World News

Am Rande der Promo-Tour konnte film-tv-video.de mit Jim Egan, dem CEO von BBC Global News Ltd sprechen. Der kommentiert die aktuelle Marktlage im News-Bereich und die erfolgreichen Zahlen von BBC World News so: »In einer immer lauter werdenden Nachrichtenlandschaft bietet die BBC Fakten, Kontext und vollkommen neutrale und vertrauenswürdige Analysen. Dies war immer unser Anliegen — und deshalb freuen wir uns sehr, dass unsere Zielgruppen überall auf der Welt unsere Arbeit zu schätzen wissen.«

Die BBC leitet ihre Popularität laut Jim Egan unter anderem von der stetigen Investition in eine ausgewogene Berichterstattung auf Basis eines beispiellosen Netzwerks internationaler Korrespondenten ab. An erster Stelle stehe es, inhaltlich korrekte, vertrauenswürdige News zu veröffentlichen.

Das gelte in Zeiten des Erfolgs sozialer Medien nicht weniger, sondern mehr denn je, so Egan. Seiner Meinung nach kann und sollte ein Nachrichtensender wie BBC News das Rennen um Geschwindigkeit nicht mitmachen. Statt dessen müsse der Wahrheitsgehalt einer Meldung an ersten Stelle stehen. »Wir veröffentlichen News nur dann, wenn wir sicher sein können, dass sie korrekt sind. Und so werden wir auch wahrgenommen — unsere Zuschauer und Leser gehen davon aus: „Wenn BBC World eine Nachricht veröffentlicht, stimmt sie auch.“ Das dürfen wir nicht enttäuschen.«

Die Geschwindigkeit von »Breaking News« auf Twitter ist nicht zu schlagen

Breaking News seien mittlerweile vor allem ein wichtiger Treiber für soziale Medien geworden, so Egan. »News schlagen sich heute zuerst auf Twitter nieder, dort sind „Breaking News“ am schnellsten verfügbar. Schneller als irgendein Augenzeuge vor Ort mit einem Smartphone können wir eben nicht sein. Deshalb ist es unsere Aufgabe, solche Informationen zu verifizieren, zu ergänzen und einzuordnen.« Vom Wettrennen darum, als erster on Air oder online zu sein, müsse sich BBC World News durch inhaltliche Relevanz abheben.

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Aus Sicht von Jim Egan spielt die Online-Präsenz für jeden Sender eine zunehmend wichtige Rolle: »Ich glaube an das Fernsehen und ganz sicher auch an seine Zukunft, aber natürlich sehen wir im Online-Bereich seit Jahren ein viel größeres Wachstum, das wir eben auch bedienen müssen.«
Chancen in der digitalen Revolution

Egan sieht insgesamt in der digitalen Revolution viele Chancen. Natürlich gebe es jene, die sich gute alte Zeit zurückwünschten, so Egan, aber letzlich müsse man sich am Endkunden orientieren — und der habe nun mal digitale Devices wie Smartphones, Tablets und deren Nutzungsmöglichkeiten, darunter auch Live-Streaming, sehr schnell und intensiv adaptiert.

Deshalb spielt aus Sicht von Jim Egan die Online-Präsenz jedes Senders eine zunehmend wichtige Rolle: »Ich glaube an das Fernsehen und ganz sicher auch an seine Zukunft, aber natürlich sehen wir im Online-Bereich seit Jahren ein viel größeres Wachstum, das wir eben auch bedienen müssen.« Das umfangreiche Online- und App-Angebot der BBC zeugt davon. So sind BBC-Nachrichten mittlerweile auf digitalen Plattformen weltweit in 30 verschiedenen Sprachen verfügbar. Egan erläutert weiter, dass mittlerweile rund 60 % der Online-Zugriffe auf BBC-Angebote von mobilen Endgeräten kommen — eine Zahl, die zeige, in welche Richtung es weitergehe.

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Der Newsroom, in dem die Beiträge für BBC World News entstehen, …

Doch auch das Fernsehangebot des Senders erzielt immer noch neue Rekorde: Neuesten Zahlen zufolge erreicht der internationale 24-Stunden-Nachrichtensender BBC World News 433 Millionen Haushalte weltweit. Eine verbesserte Infrastruktur und der Aufstieg des Bezahlfernsehens in aufstrebenden Märkten wie Russland, Afrika, Naher Osten und Indien tragen zum Distributionswachstum bei, ebenso wie die Einführung einiger neuer Produkte wie HD, TV-Everywhere-Rechte, über 120 Stunden Video-on-Demand-Inhalte pro Jahr und Investitionen in Nachrichtenjournalismus und Langformate.

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… befindet sich mitten in London am Stammsitz der BBC: im East Wing des Broadcasting House.
Neue Technik, neue Workflows

»Dass ganz unterschiedliche Formate und Plattformen bedient werden müssen, beeinflusst die Geräte und die Technik insgesamt, die im Einsatz sind. Vor allem aber ändern sich die Workflows«, erklärt Jim Egan. Der Umzug des Nachrichtensenders an den BBC-Standort inmitten Londons habe genau diesen Aspekt aufgegriffen und das Ziel verfolgt, dass Material mit einem gemeinsamen System schneller und kollaborativer zwischen TV, Radio und Online austauschen zu können, so Egan.

 

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Trotz modernster Technik könnte die Vernetzung zwischen den Plattformen TV, Radio und Online auch …
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… bei der BBC noch enger sein, erklärt Jim Egan.

Dennoch gebe es hier noch Verbesserungspotenzial: »Das ist ein Prozess der weitergehen muss und wird: Eine Story einmal zu produzieren und sie dann auf vielen Wegen anbieten zu können, in TV, Radio und Online, das ist unser Ziel.«

Anzeigenumsätze im Online-Bereich höher als im TV-Bereich

Wie kann man das finanzieren? Pay TV, Fernsehwerbung und Digital Advertising sind aktuell die drei Bereiche, in denen BBC World News Umsätze generiert. Die Umsätze aus dem TV-Bereich insgesamt sind dabei nach wie vor höher als jene aus dem Online-Geschäft. Betrachtet man aber nur die Anzeigenumsätze, dann spielt der Digital-Advertising-Bereich bei BBC World News mittlerweile schon mehr ein als die TV-Werbung.

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Für eine verlässliche Quotenanalyse, über verschiedene Distributionswege hinweg, fehlen aus Sicht von Jim Egan derzeit noch Datenbasis und Werkzeuge.
Audience Flow, Messinstrumente

Wenn es um die Auswertung von Daten geht, sieht Jim Egan noch eine klare Lücke. »Die Verknüpfung von Zuschauerdaten aus dem TV- und Online-Bereich ist noch nicht befriedigend gelöst. Hier fehlen echte Cross-Plattform-Lösungen. Wenn wir Informationen über verschiedenen Plattformen und Kanäle hinweg brauchen, haben wir momentan noch nicht die Basis und Zuverlässigkeit, die wir uns wünschen. Für uns ist das natürlich eine wichtige Information, denn wir wollen wissen, wie das tatsächliche Verhältnis von TV und Online auf der Zuschauerseite aussieht«, erläutert Egan und ergänzt: »Ohne diese Auswertung, die aktuell noch keines der großen Marktforschungsunternehmen wie Comscore, Nielsen oder Ipsos bieten kann, entscheiden Sie so, als wären Sie in einem Auto unterwegs, hätten aber nahezu keine Cockpitanzeigen.« Derzeit gebe es einen klaren Mangel an exakten und verlässlichen Daten und Werkzeugen, um im konkreten Fall zu sehen, wo der Online- den TV-Konsum ergänzt und wo er ihn ersetzt. Die Frage, wie die Zuschauer zwischen den verschiedenen Angeboten von BBC World wandern und wechseln, enthält also derzeit noch sehr viel Unsicherheit.

Im Videointerview mit Mediennetzwerk Bayern spricht Jim Egan über Multi-Channel-Strategien. 

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