HD-Signale über die Hausantenne: DVB-T2
Bis 2008 hatte es in Deutschland noch analoge TV-Sendetechnik gegeben, die aber in den Jahren davor schrittweise durch DVB-T ersetzt wurde. Nun soll — rechtzeitig vor dem Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft am 10. Juni 2016 — die Ablösung von DVB-T durch DVB-T2 beginnen. DVB-T2 ist ein neuer, mit DVB-T inkompatibler Sendestandard, der die terrestrische Ausstrahlung von HDTV-Programmen ermöglicht.
Die Einführung von DVB-T2 ist mit zwei wesentlichen Neuerungen verbunden: Um den terrestrischen Empfang von HDTV möglich zu machen, kommt der Kompressionsstandard HEVC zur Verwendung und es wird damit möglich, Signale in 1080p50 per Haus- oder Geräteantenne zu empfangen. Das ist für normale TV-Haushalte bisher nicht einmal per Satellit oder Kabel möglich.
Soweit, so gut: Allerdings kommen auf die durchschnittlich zehn Prozent der hiesigen 38 Millionen Fernsehhaushalte, die derzeit eines oder mehrere TV-Geräte mit DVB-T speisen, auch unangenehme Veränderungen zu. So ist das neue DVB-T2 eben mit DVB-T inkompatibel, die DVB-T-Privathaushalte müssen also in neue Technik investieren, wenn sie HD-Programme sehen wollen. Zunächst wird es zwar einen Parallelbetrieb von DVB-T und DVB-T2 geben, aber möglicherweise wird DVB-T schon 2018 massiv eingeschränkt und partiell abgeschaltet (mehr dazu im letzten Abschnitt dieses Artikels).
Außerdem werden die privaten HD-Programme nach einer kurzen Einführungspase, in der sie frei empfangbar sein sollen, auch per DVB-T2 mit einer Grundverschlüsselung ausgestrahlt — man wird also zur Kasse gebeten, wenn man Privatfernsehen in HD sehen will.
Technische Voraussetzungen für Privathaushalte
Zwar können praktisch alle auch nur einigermaßen aktuellen HD-Fernsehgeräte 1080p50-Signale verarbeiten, wie sie etwa von Blu-Ray-Playern schon länger zugespielt werden können. Jedoch ist der für DVB-T2 in Deutschland unabdingbare HEVC-Codec bislang nur in wenigen hochpreisigen Geräten einiger Hersteller implementiert — zumeist in den jeweiligen Spitzenmodellen mit UHD- oder 4K-Display. Von daher sollte ein Gerätekauf mit Blick auf DVB-T2 noch hinausgeschoben werden. Für die HD-Programme der Privatsender ist zudem eine CI+-Schnittstelle notwendig.
Bisherige UHF-Antennen können weiter verwendet werden. An Gemeinschaftantennenanlagen könnte sich der Einbau eines Filters als sinnvoll erweisen, um Störungen durch benachbarte LTE-Mobilfunksignale zu unterbinden.
Mehr Effizienz: HEVC löst MPEG-2 ab
Die wichtigste Entscheidung, die öffentlich-rechtliche wie private Programmanbieter gemeinsam tragen, betrifft den Einsatz des High Efficiency Video Coding (HEVC) bei DVB-T2. Programme in SD wurden und werden im MPEG-2-Verfahren komprimiert. Dessen direkter Nachfolger MPEG-4 ermöglichte eine Verdopplung der Übertragungskapazitäten. Mittels HEVC wird das noch einmal verdoppelt. Das soll die Ausstrahlung von bis zu acht HDTV-Programmen in nur einem terrestrischen Sendekanal möglich machen (bei DVB-T sind vier SDTV-Programme üblich).
Wieviel HD darf‘s denn sein?
»In einem ersten Schritt wäre es sinnvoll, zunächst einmal mit anderen Broadcastern auf die Ausstrahlung in Full HD zu setzen.« Diese Ende März 2015 im Gespräch mit film-tv-video.de gemachte Ankündigung, will ZDF-Produktionsdirektor Andreas Bereczky jetzt umsetzen. Dabei verweist er auf einen Praxistest des Instituts für Rundfunktechnik in München. Dort hatte sich gezeigt, dass die für HDTV-Programme mit 50 Vollbildern pro Sekunde und einer Auflösung von 1.920 mal 1.080 Bildpunkten (also 1080p50, was oft als »FullHD« umschrieben wird) notwendige Sendebandbreite nicht wesentlich größer ist, als der Bedarf für 720p50, also den HD-Standard, in dem ARD und ZDF bisher ihre HDTV-Signale über Satellit und im Kabel verbreiten.
Beim ZDF in Mainz fiel daher die Entscheidung, statt eines 720p50-Ausgangssignals zumindest für die Terrestrik ein 1080p50-Signal abzugeben. Den DVB-T2-Zuschauern werden damit das Hauptprogramm des ZDF und auch die Tochterkanäle des Senders in der derzeit besten, sendbaren HDTV-Qualität angeboten. Das bringt mehr Auflösung auf die heimischen Displays und die Bewegungswiedergabe bleibt gleich gut wie bei 720p50. Vom Kapazitätsgewinn aus der effizienteren HEVC-Kodierung soll unter anderem auch ZDF-Neo profitieren, das sich dann auch bei terrestrischem Empfang nicht mehr auf dem gleichen Kanal mit KiKa abwechselt, sondern auch bei terrestrisch empfangenden Kunden rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Das ZDF plant laut Bereczky aber derzeit nicht, auch die internen Infrastrukturen durchgängig in 1080p auszubauen. Im »Heute«-Studio, räumt er ein, werde derzeit sogar immer noch in SD produziert und das Signal erst am Sendeausgang hochkonvertiert.
Ziehen die Privaten bei »FullHD« mit?
Die deutschen Privatsender senden derzeit ihre HD-Programme über Kabel und Satellit zwar im Raster 1.080 x 1.920, aber in 1080i, also letztlich nur mit 25 kompletten Bildern pro Sekunde. Mittlerweile ist das Halbbildverfahren (Interlaced) im Grunde jedoch längst überholt, denn dieses aus der Fernsehfrühzeit stammende Verfahren stellt »sozusagen die Datenreduktion des analogen Zeitalters« dar, wie Andreas Bereczky illustriert.
Ganz will RTL Deutschland das Halbbildverfahren wohl noch nicht zu Grabe tragen, aber bei DVB-T2 will man doch zumindest teilweise auf 1080p50 setzen. Welche Kanäle der RTL-Sendefamilie das konkret betrifft, bleibt derzeit allerdings noch offen. Für die p-Programme werde man dann das via Satellit abgegebene Signal im Zuge der Umsetzung auf DVB-T2 de-interlacen, lässt der Sender verlauten.
Grundverschlüsselung
Bereits lange vor Beginn der konkreten Planungen hatten die beiden großen privaten TV-Konzerne im deutschen Markt bekundet, der Antenne die Treue halten zu wollen — allerdings nur in Verbindung mit neuen Geschäftsmodellen, sprich: einer Grundverschlüsselung. Für RTL Deutschland schloss Anke Schäferkordt schon im Jahr 2006 mit Blick auf den Mehrwert von HDTV aus, »einen von drei Verbreitungswegen unverschlüsselt zu lassen«. Sowohl die RTL-Gruppe als auch ProSiebenSat1 werden ihre HDTV-Kanäle also — wie bisher schon auf dem Astra-Satelliten mit HD+ und auch in den Kabelnetzen — nur verschlüsselt anbieten. Auch per Antenne solle es eine gemeinsame Plattform der Privaten für eine kostenpflichtige Vermarktung geben.
Deren Betreiber wird der Technikdienstleister Media Broadcast sein, der zugleich auch Betreiber der meisten terrestrischen Sendeanlagen ist. Media-Broadcast-Firmenchef Wolfgang Breuer stellt einen Monatspreis von fünf Euro für das Privatsender-HD-Paket in Aussicht. Das entspricht dem, was das Satelliten-Pendant HD+ mit 20 Programmen fordert. Von Irdeto kommt die Technik für die Grundverschlüsselung und der Kundenzugang wird mit Modulen von Neotion über die bekannte Schnittstelle CI+ geregelt.
Erweiterte Sendegebiete für die Privaten
In dieser Kommerzialisierung könnte ein Erfolgsrisiko für DVB-T2 liegen. Wie in der Anfangsphase von HD+ regt sich nun auch bei DVB-T2 Widerspruch gegen die Bezahlschranke in Web-Foren und auf Online-Plattformen. Möglicherweise wird dieser Gegenwind aber zumindest teilweise durch ein anderes Vorhaben abgeschwächt: Mit dern Einführung von DVB-T2 sollen die Privatkanäle in mehr Sendekanälen bereitstehen, als das bisher bei DVB-T der Fall ist.
Der Hintergrund: Per DVB-T sind Privatkanäle bisher nur in den Ballungsräumen zu empfangen. Das hatte zwar dort die Akzeptanz von DVB-T weit über den Bundesdurchschnitt von zehn Prozent katapultiert, aber die Zuschauer außerhalb der Ballungsräume außen vor gelassen. In den Ballungsräumen befinden sich 15,6 der insgesamt 38,6 Millionen TV-Haushalte Deutschlands. Unter diesen erreichte DVB-T nach Angaben der Landesmedienanstalten Mitte 2014 einen Marktanteil von durchschnittlich 17,2 %, in einigen Regionen waren es sogar über 20 %. Landesweit betrachtet liegt DVB-T hingegen in der Größenordnung von 10 % Marktanteil.
Wenn man also die Privatsender mit der Einführung von DVB-T2 auch in mehr Regionen anbietet, könnte das für DVB-T2 zusätzlichen Schub bringen und die Erträge aus der kommerziellen Plattform für Media Broadcast und die Privatsender steigern. Die Landesmedienanstalten und Landesregierungen haben jedenfalls bei der Bundesnetzagentur die Versorgung etlicher »Mittelzentren« gleich mit beantragt.
Anders als die privaten Anbieter werden ARD und ZDF alle Sendungen auch in der neuen terrrestrischen HDTV-Übertragungstechnik frei und ohne Extrakosten anbieten. Das Projektbüro DVB-T2 HD geht davon aus, dass auch regionale Progarmmanbieter den freien Empfang anbieten werden.
Mindestanforderungen für Endgeräte
Wie schon für DVB-T wird es auch für die Empfangsgeräte der Nachfolgetechnik ein Zertifizierungsprogramm geben. Hersteller können ihre Geräte mit einem – wiederum grünen – Logo als für DVB-T2 geeignet kennzeichnen. Voraussetzung dafür ist die Konformität mit Mindestanforderungen, die wieder von der Deutschen TV-Plattform formuliert wurden.
Ganz im Sinne der Privaten ist die Pay-TV-Schnittstelle CI+, neben HEVC, ein Muss bei der Ausstattung von Empfangsgeräten für DVB-T2. Die Deutsche TV-Plattform hat aber darüber hinaus eine ganze Reihe von Pflichten und Optionen formuliert. So ist etwa HDMI als Schnittstelle für HD-Signale festgelegt und zehn Sendeparameter, mit denen die Empfangsseite umgehen können muss (siehe auch Link am Textende).
Doppelte Datenrate, mehr Programme
Die 8 MHz schmalen TV-Kanäle im UHF-Band wurden und werden bei DVB-T zumeist mit Datenraten zwischen etwa 13 und 15 Mbps beschickt. Über die Kombination der DVB-T2 Sendeparameter kann die Datenrate hingegen zwischen 18 und bis zu 33,5 Mbps eingestellt werden. Dabei bringen niedrige Datenraten eine hohe Robustheit mit sich, was die mobile Empfangbarkeit unterstützt, aber auch eine geringere Zahl von Programmen im Sendekanal bedeuten kann. Höhere Datenraten reduzieren die Möglichkeiten für die Ausstrahlung redundanter Daten als Fehlerschutz und zielen daher eher auf eine stationäre Nutzung.
Die DVB-T-Multiplexe waren in Deutschland bisher auf mobile Szenarien ausgerichtet, während sie etwa in Großbritannien für den stationären Empfang mit Dachantennen optimiert wurden.
Der HEVC-Codec bedeutet einen weiteren Ressourcengewinn gegenüber DVB-T, der dem Umfang des Programmangebots zugute kommen dürfte. Schon frühzeitig war die Rede von bis zu sieben HDTV-Programmen in einem Multiplex. Über die bundesweit in der Regel verfügbaren sechs UHF-Kanäle könnten also rund 42 HDTV-Programme angeboten werden.
Das Fernsehen als Opfer der »digitalen Dividende«
Die effektivere Frequenznutzung des terrestrischen Fernsehens mit DVB-T2 und HEVC war vordergründiger Anlass, nach der schon im Jahr 2010 erfolgten Wegnahme der UHF-Kanäle 61 bis 69 (»digitale Dividende 1«) auch die Kanäle 49 bis 60 als »Digitale Dividende 2« zur Disposition zu stellen. Diese wurden ab Ende Mai 2015 versteigert, um im Zuge der Breitbandstrategie der Bundesregierung mehr Ressourcen für Angebote der Mobilfunkbetreiber zu schaffen. Erst in den letzten Auktionstagen hatten Vodafone, Deutsche Telekom und Telefonica um die sechs Blöcke im 700-MHz-Bereich geboten. Die technisch für den Mobilfunk höchst interessanten Ressourcen waren den drei Unternehmen dann zusammen gut eine Milliarde Euro wert.
Nebenbei: Von dem Frequenzverlust sind nicht nur TV-Sender, sondern auch die Betreiber von Funkanlagen betroffen, etwa bei Mikrofon- und Monitor-Funk für Film, Fernsehen, Theater, Veranstaltungen.
Grobe Planungen für den Umstieg
Vom DVB-T-Start im Sommer 2002 bis zur Analogabschaltung des letzten Grundnetzsenders ließ man sich noch sechs Jahre Zeit. Der bevorstehende Wechsel von DVB-T nach DVB-T2 muss schneller ablaufen, denn Teile des 700-MHz-Bandes sollen bereits 2018 vom Mobilfunk genutzt werden.
Im 700 MHz-Band oberhalb des Fernsehkanals 48 war bisher etwa jeder vierte DVB-T Sendekanal angesiedelt. Die Breitbandstrategie kostet das Fernsehen insgesamt fast die Hälfte seiner Sendekanäle. Der Vorrat an Rangierfrequenzen und für einen befristeten Parallelbetrieb von DVB-T und DVB-T2 ist daher begrenzt. Ursprünglich hatten ARD und ZDF das Finale des Umstiegs auf Ende 2020 terminiert, nun wurde es auf Mitte 2019 vorgezogen.
»Erstmals wird DVB-T2 HD bereits ab Mitte 2016 in ausgewiesenen Pilotregionen empfangbar sein«, teilte das Projektbüro DVB-T2 HD im Juni 2015 mit. Im Projektbüro DVB-T2 HD haben sich die ARD-Anstalten, das ZDF, die Mediengruppen RTL und ProSiebenSat.1, die Landesmedienanstalten und der VPRT zusammengefunden, um den beschleunigten Umstieg zu propagieren.
André Prahl von der RTL-Gruppe bestätigt, dass die ersten Programme zum Beginn der Fußball-Europameisterschaft am 10. Juni 2016 on Air sein sollen. In den Pilotregionen werde es dann zumindest einen Multiplex mit öffentlich-rechtlichen und privaten Programmen geben — auch letztere zunächst noch unverschlüsselt. Das soll wohl auch dazu dienen, die Novität im Handel präsentieren und Kunden für terrestrisches HDTV begeistern zu können.
Das Projektbüro nennt derzeit das Frühjahr 2017 als Planzeitraum für die Abschaltung des alten DVB-T »in über 10 Ballungsräumen«. Ab dann soll dort auch die Bezahlplattform der Privaten aktiviert werden. Mitte 2019 sollen dann die letzten DVB-T-Multiplexe von ARD und ZDF abgeschaltet werden.
Die Einführung von DVB-T2 schließt sich an Pilotprojekte in Berlin und München, sowie (ab August 2015) in Köln an, wo im Vorfeld Pakete mit privaten wie öffentlich-rechtlichen Programmen testweise gesendet werden. Die Internationale Funkausstellung Anfang September 2015 in Berlin ist die nächste Gelegenheit für weitere Bekanntgaben und den Start von Informationsaktivitäten für die Endkunden. Und natürlich werden die Gerätehersteller dort ihre neuen DVB-T2-tauglichen Produkte ausstellen und bewerben.
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