Studio Hamburg bleibt in Berlin, kauft in Potsdam dazu
Studio Hamburg kündigt rückwirkend zum 1. Januar 2015 und unter Vorbehalt der kartellrechtlichen Genehmigung, die Übernahme der Potsdamer Park Studios an. Das betrifft deren Produktions- und Übertragungstechnik, sowie die Postproduktion. Der Atelierbetrieb am Schlosspark Babelsberg hat offenbar keine Zukunft. Erfasst die Konzentration im Bereich der Filmdienstleistungen nun auch die Studiobetreiber?
Studio Hamburg, die Produktions- und Service-Tochter des NDR, befindet sich derzeit in einem Transformationsprozess. Als Organisator und Motor für diese Transformation hat NDR-Intendant Lutz Marmor den früheren RTL-Manager Johannes Züll ins Boot geholt, der nun als Vorsitzender der Geschäftsführung von Studio Hamburg tätig ist. Seit Züll im Amt ist, gab es schon etliche Veränderungen: Nun hat Studio Hamburg die Park Studios in Potsdam übernommen.
Jüngere Entwicklungen
Studio Hamburg hatte 2012 bei 231 Millionen Euro Umsatz einen Verlust von 13 Millionen Euro geschrieben. Das Minus konnte 2013 auf 10 Millionen Euro reduziert werden. Der Verkauf der Film- und Kameratechnik an die Bavaria-Tochter CineMobil, der Anfang 2013 erfolgt war, hätte das Unternehmen noch näher an schwarze Zahlen bringen können, wäre dieser Deal vom Käufer nicht zum Teil mit Aktien der CineMedia beglichen worden, einem weiteren Unternehmen aus dem Umfeld der öffentlich-rechtlichen Sender, das im August 2013 Insolvenz anmeldete. 2014 wurden dann rund 10.000 qm des Hamburger Geländes an zwei Immobilienunternehmen veräußert, um Geld in die Kasse zu bekommen.
Zur weiteren Sanierung hatte der vom NDR-Intendanten Lutz Marmor geleitete Aufsichtsrat auch die Trennung von den Berliner Aktivitäten diskutiert. »Drei denkbare Optionen: Verkauf, Verpachtung oder Eigenbetrieb«, hatten dem Gremium vorgelegen, berichtete Johannes Züll, der seit dem 1. Juli 2014 Vorsitzender der Geschäftsführung von Studio Hamburg ist, dem Online-Dienst DWDL. Der Aufsichtsrat entschied, dass das Unternehmen am Standort Berlin-Adlershof präsent bleiben und die Hauptstadt-Aktivitäten neu ordnen solle. Für eigene und andere, nonfiktionale Produktionen ist nun das Studio-Hamburg-Tochterunternehmen Studio Berlin Adlershof (SBA) GmbH als Betreiberin von neun Ateliers (635 bis 2.400 qm) zuständig. Für Außenübertragungen und Sendeabwicklung — und damit unter anderem für für die vier dort stationierten HD-Ü-Wagen sowie ein Schnittmobil — ist jetzt die Studio Berlin Broadcast (SBB) GmbH zuständig.
Berliner Raum: Ausdehnung statt Abwanderung
Außerdem entschied man sich bei Studio Hamburg für den Zukauf der Park Studios in Brandenburgs Hauptstadt Potsdam. Die Tochter der Kölner Video Company stand zum Verkauf, weil der Eigentümer Jörg Weiland sich aus Altersgründen aus dem Geschäft zurück ziehen will, ließen die Hamburger verlauten. »Wir sind fest davon überzeugt, dass dies den meisten Wert für die Gesellschafter schafft. Wir befinden uns operativ auf einem guten Weg zurück in die schwarzen Zahlen. Alle anderen Angebote waren nicht attraktiv und hätten Wert vernichtet«, kommentiert der Vorsitzende der Geschäftsführung von Studio Hamburg, Johannes Züll.
Die Park Studios GmbH soll erhalten werden, wird den Berliner Aktivitäten zugeordnet und weiter vom bisherigen Geschäftsführer Nick Zimmermann geleitet, der zudem mit Mike Krüger die Berliner Bereiche führt.
Das Potsdamer Unternehmen betreibt seit 1997 neben den Postproduction-Aktivitäten unter anderem einen Ü-Wagen für bis zu 24 HD-Kameras samt Rüstwagen (als Kameras im Einsatz LDK 8000/8300) und einen SD-Truck mit bis zu 16 Kameras (LDK 100, LDK 200). In Potsdam und Hannover werden außerdem Fernseh-Playouts angeboten.
Übernahme »ohne Backsteine«
Gegenüber DWDL stellte Züll weiterhin fest: »Was wir nicht übernehmen, sind zusätzliche Backsteine. Das Studiogelände der Park Studios war bereits zuvor anderweitig verkauft worden und wird künftig für Wohnraumbebauung genutzt.«
Die neue Studio-Hamburg-Tochter wird also — wohl innerhalb Potsdams — umziehen. Klar ist damit auch, dass die Ateliers der Park Studios samt Nebenräumen aufgegeben werden. Dreharbeiten in den vier Studios (130 bis 1.000 qm) am Traditionsstandort werden somit bald der Vergangenheit angehören. Zuletzt hatten sich dort unter anderem noch die Berliner Mastermoves im Oktober 2014 für einen aufwändigen Motion-Control-Dreh eingemietet.
Polarisierung im Dienstleistungssektor
Das Verschwinden der Park Studios vom Ateliermarkt könnte einleiten, was die Studie »Dienstleister für audiovisuelle Medien« des Verbands technischer Betriebe für Film & Fernsehen (VTFF) vor Jahresfrist vorausgesehen hatte, nämlich »dass es in den nächsten Jahren zu einer weiteren Ausdünnung der mittelgroßen Studios kommen wird.« Die großen und die kleinen Anbieter werden aus Sicht des Verbands überleben, die mittleren werden geschluckt oder bleiben ganz auf der Strecke.
Hintergrund dieser Einschätzung: Im Atelierbereich wurden 2012 laut Studie Umsätze von etwa 140 Millionen Euro erwirtschaftet. Dabei zogen weniger als 10 % der Unternehmen, nämlich vier Anbieter, rund die Hälfte des Umsatzes auf sich. Während diese vier Unternehmen einen Umsatz von jeweils mehr als 20 Millionen Euro erzielten, stehen am anderen Ende der Skala etwa 30 kleine Betreiber mit Umsätzen von jeweils unter einer Million Euro. Die kleinen Studios erzielen zusammengerechnet 3,1 % der Segmentleistung.
Zur Polarisierung hätten neben anderen Faktoren Überkapazitäten beigetragen, die »teilweise mit direkter oder indirekter staatlicher Förderung« vor allem in Köln aufgebaut wurden — in Erwartung eines explodierenden Bedarfs des Privatfernsehens, heißt es in der Studie.
ÖR-Töchter stärken ihre Portfolios
Dem teilweise ruinösen Wettbewerb, der über die Kosten und mit Kurzzeit-Buchungen für Fernsehproduktionen ausgetragen wird, versucht sich in der Hauptstadtregion Studio Babelsberg zu entziehen, in dem man sich dort auf große Kino-Koproduktionen konzentriert, die nicht nur die Ateliers belegen, sondern auch den Kulissenbau beschäftigen.
Die Berliner Union Film hatte sich 2009 durch ein Insolvenzverfahren erheblicher Fixkosten entledigt und später ihren Rental-Bereich an die Bavaria-Tochter CineMobil abgestoßen, die zuvor auch schon Panther Rental übernommen hatte.
Die Bavaria hatte ihren Anteil am Sorgenkind CineMedia mit den Berliner Geyer-Werken reduziert und betreibt mit der Hauptstadt-Niederlassung ihres Postproduktionsstudios D-Facto Motion zugleich einen Wettbewerber in diesem Markt.
Dies scheint, wie nun auch der Fall der Park Studios, zudem die vielfach kritisierte Expansionsstrategie der öffentlich-rechtlichen Produktionstöchter zu untermauern. Den Vorwurf, dass Studio Hamburg mit dem NDR im Hintergrund, Preise unter Marktniveau anbiete, kann deren Vorstandsvorsitzender Johannes Züll aber »nicht nachvollziehen«. Die Übernahme der Park Studios sichere »unterm Strich Arbeitsplätze im Produktionssektor«.
Historisches: Der zweite Atelierstandort in Babelsberg
Gustav Althoff, einer der wenigen Produzenten, die von den Nazis nicht in der UFA gleichgeschaltet worden waren, hatte 1939 das ehemalige Restaurant am Rande des Schlossparks Potsdam-Babelsberg zu einem Filmatelier umgebaut und ein zweites Atelier erbauen lassen. Dort entstanden unter anderem 1946 die Innenaufnahmen zum ersten deutschen Nachkriegsfilm »Die Mörder sind unter uns« unter Regie von Wolfgang Staudte.
Das Atelier war am 17. Mai 1946 Schauplatz des offiziellen Gründungsakts der Deutschen Film AG, der späteren DDR-Produktionsfirma DEFA. Diese ordnete den Standort ihrem Dokumentarfilm-Studio zu.
Nach Wende und Privatisierung der DDR-Filmindustrie wurde der Standort 1997 durch die Treuhand-Anstalt an Jörg Weilands Kölner Video Company verkauft, zu der die Park Studios bis jetzt gehörten.
Personalia
Gleichzeitig gab Studio Hamburg einige Personal-Veränderungen bekannt. Andreas Walter wird sich zukünftig ausschließlich auf die Geschäftsführung von Studio Hamburg Atelier am Standort Hamburg konzentrieren. Goetz Hoefer, bisher gemeinsam mit Mike Krüger Geschäftsführer der Berliner Studios und der Studio Hamburg Media Consult International (MCI) hat das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen.
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