Je suis Charlie
Bei all dem Schrecklichen, das jeden Tag in der Welt passiert und uns über die Bildschirme von Computern, Smartphones und Fernsehern in verschiedensten Formen vor Augen geführt wird, besteht natürlich die Gefahr, dass man abstumpft, sich einen Panzer zulegt, immer weniger Empathie zeigt. Dabei zeichnet die Fähigkeit mitzufühlen den Menschen erst als solchen aus — die Fähigkeit, auch dann mitzufühlen, wenn man nicht direkt betroffen ist oder Angst bekommt, man könnte schon bald selbst betroffen sein.
Wie also umgehen mit Ebola, Krieg in Syrien und Ukraine, wachsender Radikalisierung und Ignoranz? Es ist anstrengend, den inneren Kampf gegen Gleichgültigkeit und Abschottung zu führen und nicht zu kapitulieren. Aber es ist notwendig, um Mensch zu bleiben.
Und dann passiert etwas, das reißt einen richtig runter: Jeder, der im Medienbereich tätig ist, spürt den eiskalten Hauch des Anschlags auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift »Charlie Hebdo« besonders deutlich. Und das geht in Wahrheit noch weit über die barbarische, sinnlose Ermordung von zwölf Menschen hinaus. Das ist ein besonders brutaler Angriff auf die Grundfesten der Presse- und Meinungsfreiheit, die derzeit ohnehin vielfältig bedrängt, bezweifelt und unterminiert wird.
Wie soll man umgehen mit diesem Attentat auf die Freiheit? Damit, dass diese Barbarei unsere vollständige Empörung und massive Gegenwehr erfordert, dass sie aber gleichzeitig Wasser auf die Mühlen der französischen Ultrarechten um Marine Le Pen und der deutschen Pegida ist — die letztlich beide für verschiedene Facetten von Intoleranz und Fanatismus stehen?
Vielleicht dadurch, dass wir nicht versuchen, schwierige Themen zu umschiffen und neutral zu bleiben, sondern dadurch, dass wir uns klar äußern und positionieren? Wie aber soll das damit zusammengehen, dass man sich als Journalist nicht mit einer Sache gemein machen sollte, sondern versuchen, möglichst objektiv und mit der nötigen Distanz darüber zu berichten?
Ein sehr schwieriges Thema, das auch dann noch lange nicht zu Ende gedacht und ausdiskutiert sein wird, wenn der Schock und die Trauer über die aktuelle Tat sich langsam wieder legen.
Geistige, intellektuelle Freiheit und die Freiheit, seine Überlegungen, Ansichten und Erkenntnisse zu teilen, sie gehören zu den höchsten Gütern und zur Basis der aufgeklärten Welt. Es lohnt sich, sie zu verteidigen — aber nur, wenn man sie dabei nicht selbst beschädigt.
Sie werden sehen.
P. S.: Trotz der aktuellen Ereignisse wollen wir nicht versäumen, allen Lesern und Kunden ein gutes neues Jahr zu wünschen. Außerdem wollen wir auch gern noch einmal an unsere Supporter-Aktion erinnern: https://www.film-tv-video.de/informationen_supporter.html