Filmfest München: VTFF-Podiumsdiskussion Filmdienstleister
Der Verband Technischer Betriebe für Film und Fernsehen (VTTF) nutzte das Filmfest München als Rahmen für eine Podiumsdiskussion zum Thema »Filmdienstleister in Deutschland – Eine Branche im Umbruch«.
Dass es den meisten Filmdienstleistern in Deutschland derzeit alles andere als gut geht, weiß jeder in der Branche und man kann es auch daran ablesen, dass im Rahmen des Filmfests München innerhalb weniger Tage zwei Podiumsdiskussion zu diesem Thema stattfanden: einmal von der Allianz unabhängiger Filmdienstleister veranstaltet (Bericht hier), und einmal vom VTFF.
Auf dem Podium der VTFF-Veranstaltung sprachen, moderiert vom Journalisten Roland Keller, die folgenden Personen:
- Die Produzentin Uschi Reich, die nach langjähriger Tätigkeit bei Bavaria Film nun als unabhängige Produzentin arbeitet.
- Christine Rothe, die als Mitglied der Geschäftsführung von Constantin Film den Bereich Herstellungsleitung verantwortet.
- Der Filmförderungsexperte Prof. Dr. Klaus Schaefer, der als Geschäftsführer des FFF Bayern die Filmförderungsaktivitäten des Bundeslands Bayern leitet.
- Thomas Sessner vom Bayerischen Rundfunk, der dort die Leitung des Bereichs Film Aktuell innehat und gleichzeitig die Online-Koordination des BR verantwortet.
- Christian Sommer, Ex-Vorstand der CineMedia AG und nun CEO der Trixter Film GmbH, sowie Vorstandsvorsitzender des veranstaltenden VTFF.
- Der Regisseur Prof. Hans Steinbichler, der schon zahlreiche erfolgreiche Filme realisiert hat und aktuell mit »Landauer der Präsident« auf dem Filmfest präsent war, einem Film, der die Lebensgeschichte des frühen Vereinspräsidenten des FC Bayern Kurt Landauer erzählt.
Kontrovers geht anders: Eine richtige Diskussion wollte auf dem Podium gar nicht in Gang kommen — man kennt sich und tut sich nicht weh. So verlief das Gespräch auf der Bühne insgesamt mit angezogener Handbremse und es kam leider nur sehr selten zu klaren Worten. Stattdessen wurde lieber möglichst allgemein über Sachzwänge, Richtlinien und Förderstrukturen referiert: Hier konnte man die deutsche Filmwirtschaft als einen in ihren eigenen Strukturen erstarrten Verwaltungsakt besichtigen.
Selbst als Thomas Sessner vom BR erklärte, die Budgets der öffentlich-rechtlichen Sender würden nunmal immer kleiner, blieb das unwidersprochen: Erstaunlich, angesichts von Rekordgebühreneinnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland.
Aber es kam noch dicker: Die Filmdienstleister seien an ihrer Misere mehr oder weniger selbst Schuld, weil sie eben ihre Leistungen viel zu billig anböten und die Sender eben gehalten seien, beim günstigsten Angebot zuzugreifen, ließ Sessner die Anwesenden sinngemäß wissen. Erneut kein Widerspruch — und das, obwohl die meisten im Saal wohl wussten, dass Produktionsdienstleistungen in Wahrheit in der Regel von den Sendern gar nicht öffentlich ausgeschrieben werden und die Öffentlich-Rechtlichen hier sehr wohl Einflussmöglichkeiten und im Grunde auch die Verpflichtung hätten, Lohndumping und unhaltbare Arbeitsbedingungen am Ende der Dienstleistungskette zumindest einzudämmen — und etwa auch zu verhindern, dass mit deutschem Gebühren- und Fördergeld die Filmindustrie in anderen Ländern gefüttert wird.
Eingangs der Veranstaltung hatte Christian Sommer einige der verheerenden und erschreckenden Ergebnisse einer vom VTFF durchgeführten Branchenbefragung zitiert, so etwa, dass die durchschnittliche Umsatzrendite der Filmdienstleister in Deutschland in der Größenordnung von 1 % liege und rund 25 % der Dienstleister Verluste schrieben (mehr Infos zu dieser Umfrage hier).
Da wird es letztlich nicht helfen, nur über Sachzwänge, Richtlinien und Förderstrukturen zu sprechen. Sommer hat das am eigenen Leib erfahren: Schließlich war er Vorstand der CineMedia AG, als diese Insolvenz anmelden musste (mehr Infos hierzu). Interessanterweise sprach er auf dem Podium aber unter anderem seelenruhig einerseits vom freien Spiel der Marktkräfte im Kapitalismus, widersprach aber andererseits in keinster Weise dem System der Filmförderung, das ja dazu im krassen Gegensatz steht. Vielleicht blieb er angesichts so mancher Diskussionsbeiträge anderer Podiumsteilnehmer nur äußerlich ruhig, dann müsste man ihm auch schauspielerisches Talent zubilligen. Vielleicht hat er aber auch einfach die herrschenden Verhältnisse als unabänderbar akzeptiert und sich wie viele andere, einfach innerhalb des Systems der deutschen Filmwirtschaft eingerichtet.
Sommer sagte, es sei im Grunde erstaunlich, wie leistungsfähig die Dienstleister trotz der schwierigen Marktverhältnisse seien und er rief die Branche insgesamt auf, die Filmdienstleister als Teil der Kreation zu begreifen. Die Zeiten einer klaren Trennung seien hier längst vorbei, so wie man auch beim VFX-Bereich im Grunde nicht mehr von Postproduction sprechen könne, da immer öfter große Teile des Bildes gar nicht mehr gedreht, sondern schon vor oder parallel zum Dreh am Computer generiert würden.
An diesem Aspekt aus Sommers Ausführungen hakte später auch der Regisseur Prof. Hans Steinbichler ein: Aus seiner Sicht hat sich in der Realität die Funktion und Position der Dienstleister stark verändert. Die Technik spiele heute eindeutig eine Partnerrolle in der Kreation, im Erzählerischen. VFX etwa seien dem Wesen nach technisch, aber eindeutig Teil der Kreation. So sieht Steinbichler auch ein kulturelles Problem als Ursache der Misere bei den Technikdienstleistern.
Sommer erläuterte auch, dass immer öfter von den Filmdienstleistern gefordert werde, dass sie Teile des Auswertungsrisikos mittragen sollen. In Form von Koproduktionen oder anderen Rechtskonstruktionen wird dabei letztlich vereinbart, dass die Leistungen der Filmdienstleister erst dann bezahlt werden, wenn die Produktion in der Verwertungskette Geld einspielt. So würden die Dienstleister ins Risiko einbezogen, blieben aber etwa bei der Filmförderung außen vor.
Beim Thema Förderung war auf dem Podium mit Prof. Dr. Klaus Schaefer, dem Geschäftsführer des FFF Bayern, natürlich der optimale Ansprechpartner zugegen. Schaefer führte jedoch aus, dass Filmförderung sich als Kulturförderung verstehe und es für Wirtschaftsförderung andere Töpfe gebe. Außerdem erlaubten die Vorgaben der EU keine Technikförderung aus Filmfördermitteln. In seiner Keynote hatte Schaefer zuvor schon erläutert, dass die EU-Richtlinien keine Förderung einzelner Gewerke erlauben, dass aber andererseits die Regionaleffekte wichtig seien.
Hier zeigte sich erneut, dass die deutsche Filmwirtschaft mittlerweile ganz offenbar in einem Richtlinien-, Verwaltungs- und Gesetzesgestrüpp gefangen ist, das neue Sichtweisen und Ansätze sofort zu ersticken droht — und das ganz offenbar der Realität hinterherhinkt: Filmkreation ist heute enger mit der Technik verquickt als je zuvor, das wird aber von vielen Marktbeteiligten einfach ignoriert.
Produzentin Uschi Reich gehört nicht zu denen, die das nicht sehen wollen: Sie verstehe die Technikseite und die Filmdienstleister als Partner, weil sie eben große Auswirkungen auf die Kreation und Gestaltung hätten. Gleichzeitig wies sie aber darauf hin, dass sich für die Produzenten durch die Globalisierung und die Vernetzung per Internet vieles vereinfacht und verbessert habe: Man könne nun eben sehr gute Qualität im Bereich Filmdienstleistungen zu wesentlich günstigeren Preisen einkaufen, als sie in Deutschland üblich seien. Dazu müsse man nicht einmal ans andere Ende der Welt fahren, sondern schon in UK sei die gleiche Leistung teilweise zum halben Preis verfügbar.
Christine Rothe von Constantin Film sieht die deutschen Dienstleister in der Pflicht, darauf zu reagieren: Sie müssten sich bewegen, weil eben eine andere Konkurrenzsituation entstanden sei. Dennoch dürfe die Qualität der Produktionen nicht durch Garagenfirmen leiden und es müsse erreicht werden, dass das Knowhow und das Handwerk in Deutschland auch im Filmbereich erhalten bleibe. Wie man als Filmdienstleister aber volle Qualität zum halben Preis realisieren könnte, das ließ Christine Rothe leider offen.
Uschi Reichs Sicht hierzu: Es gab und gebe in Deutschland immer noch hohe Handwerkskunst im Filmbereich, aber es werde eben immer einfacher und preislich verlockender für die Produzenten, rauszugehen und international Dienstleistungen einzukaufen. Deutsche Produktionen müssten im Kino und Fernsehen schließlich auch mit Produktionen aus der ganzen Welt konkurrieren, das gehe aber nur, wenn die Kombination aus Preis und Qualität in Deutschland diesen Anforderungen standhielten.
Regisseur Prof. Hans Steinbichler appellierte, dass man in jedem Fall Expertenwissen vor Ort brauche und er zitierte in diesem Zusammenhang den Schriftsteller Oscar Wilde: »Heutzutage kennen die Leute von allem den Preis und von nichts den Wert.« Aus Steinbichlers Sicht stehen heute im Filmbereich unter vielerlei Aspekten mehr Möglichkeiten offen, als je zuvor — und es sei enttäuschend, dass dies gleichzeitig in vielen Bereichen zu immer geringerer Qualität führe.
Eine Entwicklung weg vom Preis-, hin zum Qualitätswettbewerb wünschte sich auch Christian Sommer.
Hans Steinbichler wurde dann noch etwas konkreter: Er wünsche sich, dass die Branche insgesamt dafür sorge, dass technisches Knowhow in Deutschland erhalten bleibe. Es könne nicht sein und sei in hohem Maße unfair, wenn letztlich mit Mitteln aus der Filmförderung Billigkräfte im Ausland bezahlt würden.
Gegen Ende der Podiumsdiskussion wurde BR-Mann Thomas Sessner noch auf die zweite Aufgabe angesprochen, die er bei seinem Arbeitgeber innehat: die Online-Koordination des BR. Er führte aus, dass sich der Sender im trimedialen Wandel befinde, dass also Radio, Fernsehen und Online innerhalb des Senders immer enger zusammenwüchsen. Dabei werde die Bandbreite der Partner, mit denen der BR zusammenarbeite zwangsläufig immer größer, es müssten etwa auch verstärkt Dienstleister aus dem IT-Bereich und aus den Software-Segmenten Games und Apps beschäftigt werden. Hier fließe tendenziell immer mehr Geld hin, das dann eben in anderen Bereichen fehle.
Fazit, Kommentar
So blieb am Ende der Podiumsdiskussion kaum mehr als ein schaler Geschmack für alle übrig, deren Interessen der Veranstalter der Podiumsdiskussion, der VTFF, qua Satzung vertritt: die technischen Filmdienstleister jeglicher Couleur.
Überspitzt könnte man das folgende Bild zeichnen: Die öffentlich-rechtlichen Sender haben insgesamt mehr Gebührengeld zur Verfügung als je zuvor, geben es aber zu wachsenden Teilen für Pensionen, Betriebsrenten und allerlei Apps aus. Die Produzenten kaufen Dienstleistungen lieber billiger im Ausland ein. Die Politik kann leider aufgrund von Richtlinien, Strukturen und Sachzwängen die Filmdienstleister in Deutschland auch nicht unterstützen. Dennoch soll doch bitteschön die Handwerkskunst und das Knowhow auf der technischen Seite im Filmbereich auch hier in Deutschland erhalten bleiben.
Wie das alles zusammengehen soll, dazu erbrachte die Podiumsdiskussion leider keine Ergebnisse. Ganz nach dem Motto: »Schön, dass wir darüber geredet haben.«
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