Auf dem Weg zum »Lizenzmodell für alles«
Erst war die Postproduction dran, aber seit einigen Jahren spielen IT-Technik und Software auch im Kamerabereich eine immer größere Rolle. Eine modulare Bauweise, die bei Kameras »State of the art« geworden ist, eröffnet neue Möglichkeiten und befeuert diesen Trend: Heute können etwa Bildwandler nachträglich ausgetauscht werden und Software-Upgrades ermöglichen auch Monate nach dem Verkaufsstart noch das Nachrüsten von Zusatzfunktionen. Das Ganze hat sich schon so gut etabliert, dass manche Hersteller direkt bei der ersten Vorstellung einer Kamera ankündigen, welche Funktionen mit späteren Firmware-Upgrades nachgereicht werden sollen.
Da ist es nur konsequent, wenn die Kamerahersteller nun noch einen Schritt weiter gehen: Kauf die Hardware, miete die Funktionalität. Grass Valley machte bei seinen LDX-Studiokameras den Anfang und bot den Kunden an, bestimmte Funktionen ihrer Kamera jeweils nur für einen begrenzten Zeitraum freischalten zu können. Auch Sony und Arri bieten für ihre Kameras solche Lizenz-Modelle an. Der Vorteil für den Kunden liegt auf der Hand: Er kauft das Einsteigermodell und bucht bestimmte Funktionen erst später zu, wenn er sie dann tatsächlich braucht. So bleibt er flexibler und muss nur die Hardware über einen längeren Zeitraum abschreiben, während er die Funktionalität als Betriebskosten der jeweiligen Produktion zuordnen kann.
Wohin das Ganze letztlich führen könnte, lässt sich in der Software-Branche besichtigen: Hier geht der aktuelle Trend dahin, im Grunde gar nichts mehr zu kaufen, sondern nur noch ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht zu erwerben — also eine Dienstleistung zu mieten: das heißt dann Cloud-Service. Die Kunden kennen das so ähnlich ohnehin schon länger aus dem privaten Bereich: Man kauft eben keine CD mehr, sondern lädt die Musik runter und erwirbt damit ein Recht, diese Musik auf einer begrenzten Zahl von Geräten zu nutzen. Auch jenseits des Entertainment-Bereichs macht das Schule: Adobes »Creative Cloud« lässt grüßen, Autodesk beschreitet den gleichen Weg.
Auch wenn so manchem dabei nicht ganz wohl ist und viele immer noch tendenziell lieber das Produkt als nur ein begrenztes Nutzungsrecht daran besitzen wollen: Bei genauer Betrachtung ist das alles gar nicht mehr neu. Equipment-Rental an sich ist in der Medienbranche ganz sicher keine Novität, sondern lange etablierter Usus. In anderen Ländern gibt es auch im Consumer-Bereich viel mehr und teilweise auch schon sehr lange eingeführte Parallelen: In Großbritannien etwa war das Mieten von TV-Geräten schon immer viel populärer als hierzulande.
Aber es gibt trotz aller Parallelen auch große Unterschiede: Einer davon liegt in der Tatsache begründet, dass die neuen Geschäftsmodelle auf eine direkte Kundenbeziehung zwischen dem Hersteller und dem Endkunden setzen. Bei realistischer Betrachtung sind Zwischenhändler jeder Art dabei auf längere Sicht kaum mehr nötig: die Kette aus Hersteller, Online-Services, Paketdienst und Endkunde deckt scheinbar alles ab. Dass das in vielen Fällen Theorie bleiben wird, sei an dieser Stelle mal dahingestellt, die beschriebene Vision jedenfalls ist definitiv in der Welt.
Darauf müssen sich letztlich alle Beteiligten neu einstellen — und vielleicht vorab schon mal darüber nachdenken, was das für ihre Geschäftsbeziehungen und Geschäftsmodelle bedeutet.
Sie werden sehen.