Stereoskopie-Produktionen: Optimum statt Maximum
Wo steht Stereo-3D in Deutschland? In der Kinoproduktion jedenfalls ist derzeit nicht viel los: Nach der Constantin-Produktion »Die drei Musketiere« ist nur »Die Vermessung der Welt« als Sterieo-3D-Realfilm aus einheimischer Produktion angekündigt. Tatsächlich scheint sich die Stereo-3D-Produktionstätigkeit auf andere Bereiche und andere Präsentationsplattformen zu verlagern. Damit geht ein Paradigmenwechsel beim eingesetzten Gerät einher, meint jedenfalls Christian Klimke, einer der Gründer des Rental-Unternehmens Tectum Raum & Zeit Filmgeräteverleih in Berlin, das sich auf Stereo-3D- und Highspeed-Equipment spezialisiert hat.
Erste Stereoskopie-Erfahrungen sammelte Christian Klimke beim Innovationsforum 3D-Cinema 2010 in Halle. »Wir haben ein Interview live ins Kino übertragen. Es hat sehr lange gedauert, bis wir das eingerichtet hatten. Wir hatten ein Spiegelrig von P+S mit allen Schwächen, die es damals hatte. Wir hatten AJ-HPX2000-Camcorder von Panasonic und von Ignition die Stereoframe-Box. Wir hatten nur einen einfachen Monitor und einen Transvideo-Messmonitor. Es gab keinen Recorder. Wir sind direkt an den Projektor gegangen.«
Für seinen damaligen Arbeitgeber, das Berliner Rental-Haus Camelot, betreute Klimke danach etliche Stereo-3D-Projekte, unter anderem die britisch-polnische Koproduktion »The Flying Machine«. Klimke wirkte zudem am Projekt »S3D now!« der Babelsberger Filmhochschule mit dem wissenschaftlich begleiteten Kurzfilm »Der Magier« mit, der auch Highspeed-Technik einsetzt. 2011 unterstützte er die Dreharbeiten zu »Robots 3D«, dem ersten stereoskopischen Diplomfilm der Babelsberger HFF.
Seit den Pioniertagen der digitalen Stereoskopie hat sich Einiges geändert. »Man hat heutzutage mit einem komplett motorisierten System die volle Kontrolle über alle Parameter und speichert mit dem Cineform-Codec in 2K.« Das macht die Arbeit natürlich wesentlich komfortabler als zu den Anfängen.
Beim Dreh eines Imagefilms auf den Seychellen erlebte Christian Klimke aber kürzlich, dass ein Maximum an Technik nicht in jeder Situation optimal ist: »Wir haben am ersten Tag voll equipped gedreht und viel Zeit gebraucht. Danach waren wir komplett unmotorisiert einfach schneller. Ich bin Kompromisse eingegangen, um den Workflow beim Drehen zu beschleunigen. Wir haben parallel gedreht, um die Korrekturmöglichkeiten offen zu halten. Wir hätten auch anguliert drehen können, um den Aufwand in der Post zu reduzieren. aber dann hätten wir einen 46-Zoll-Monitor über die Insel schleppen müssen …«, bilanziert der Stereo-3D-Experte.
Andere Situationen hingegen führen zu anderen Entscheidungen: »Wir haben ein Imagevideo für Penny im Supermarkt gedreht. Da hatten wir eine sehr gute 3D-Choreografie im Vorfeld, aber noch keine Post-Vorgaben. Hier haben wir die gegenteilige Entscheidung getroffen: Wir drehen anguliert, machen eine feste Choreografie und haben schon beim Drehen alles unter Kontrolle.«
Ob Spielfilm oder dokumentarischer Dreh: Eine Produktion steht stets vor der Frage »Wieviel Zeit wenden wir direkt beim Dreh auf oder verschieben wir die Korrektur lieber in die Postproduktion. Wo liegt der größere Aufwand?« Hinzu kommt, dass in der Planungsphase vielfach noch kein Posthaus im Boot ist. Das legt nahe, dass eine frühzeitige Beratung des Produzenten immer wichtiger wird: »Auf jeden Fall. Ich glaube, dass die 3D-Branche zur Zeit massiv über das Ziel hinaus schießt. Ich finde einen hohen Qualitätsanspruch richtig, zur Arbeit gehört aber auch, die Situation des Produzenten zu sehen, sein Budget, sein Vorwissen und weitere Faktioren«, erklärt Christian Klimke. Es sei normal geworden, so Klimke, dass Verleiher ihre Alexas, Epics, Spiegelrigs und weiteres Equipment hochpreisig vermarkten und rasch refinanzieren wollen. »Die geforderten Preise gibt der Markt nicht her. Darauf muss ich reagieren.« Zum Druck im Budgetbereich kommt die Entwicklung in der Technik, etwa durch die neuen Single-Piece-Stereo-Camcorder, die dem Preisverfall Vorschub leisten.
Zudem verlagere sich der Stereo-3D-Markt weg von aufwändigen Kino-Großproduktionen in Richtung Werbung, Messepräsentation und Imagefilm. Bei den Langfilmen erwartet Klimke aber auch einen Schub durch Filme, die nicht fürs Kino sondern für den Direktvertrieb produziert werden: »Das alles sind Produktionen, die nicht viel Geld haben. Man wird nicht mit Alexas im Spiegelrig drehen. Diese Kunden wollen kleine Systeme, sie wollen schnell drehen, aber eine gute Qualität haben. Am Ende wird der Film vielleicht nur auf dem 17-Zoll-Display zu sehen sein, warum sollte man diese Produktion dann für einen 46-Zoll-Bildschirm optimieren? Da kann ich ganz anders planen und dem Produzenten Geld sparen. Natürlich muss man dann in der Post nochmals ans Material. Ich weiß aber, ob das, was ich drehe, tolerabel ist oder nicht. Es geht also nicht darum, billige Lösungen mit geringer Qualität anzubieten«, fasst Klimke seine Einstellung zusammen.
Diese Überlegung war auch der Ausgangspunkt für die drei Tectum-Gründer, in kleinere Systeme zu investieren. Dazu zählen die HD-Kameraköpfe Modula Baby Mk II von Easylook und ein Side-by-Side Mini-Rig von Stereotec, das auf Wunsch voll motorisiert geordert werden kann. Kurzfristig soll der Verleihpark auf drei Modula-Paare, bestückt mit unterschiedlichen Festbrennweiten, ausgebaut werden, so Klimke. »Die Kosten nehmen sich zwar nicht viel mit einem motorisierten Rig. Aber man ist beim Umbau viel schneller, wenn man das Rig mit den Kameras tauscht.« Gleichwohl bietet Tectum in Verbindung mit Partnern auf Wunsch auch größere Systeme an.
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