Praxistest: After Effects CS6
Im Gegensatz zu Premiere Pro hat sich am »Look and Feel« sowie an der Bedienung von After Effects in der neuesten Version CS6 kaum etwas verändert. Aber trotz etabliertem, klassischem User-Interface bietet die Compositing- und Motion-Design-Software einige spannende Neuerungen.
Die wohl größte Neuheit in After Effects CS6 ist der Raytracing-3D-Renderer. Das neue Render-Modul ergänzt den noch immer vorhandenen, klassischen 3D-Modus in After Effects. Der Anwender kann bei jeder Komposition aufs Neue auswählen, in welchem 3D-Modus gearbeitet werden soll, also »klassisch 3D« oder »Raytraced 3D«. Entscheidet man sich für den Raytracing-3D-Renderer, so stehen zusätzliche 3D-Funktionen zur Verfügung: Beispielsweise wird es dadurch möglich, direkt in After Effects 3D-Texte und 3D-Formen zu erstellen.
Ein Text kann beispielsweise auf einfache Weise extrudiert und mit abgeschrägten Kanten versehen werden. Auch in Adobe Illustrator erstellte Vektorgrafiken können importiert, in eine After-Effects-Form gewandelt und danach direkt im 3D-Raum weiterverarbeitet werden. Der Raytracing-3D-Renderer unterstützt Bewegungsunschärfe, Schärfentiefe, Reflexionen, Lichtbrechungen, Spiegelungen, Schatten. Über Optionen wie Materialeigenschaften und Geometrie können die 3D-Objekte in ihrem Aussehen angepasst werden.
Die neuen Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aufgrund des Raytrace-3D-Renderers ergeben, gefielen den Testern. Auf zusätzliche Plug-Ins oder spezielle 3D-Programme kann verzichtet werden — zumindest wenn es um 3D-Texte und einfachere 3D-Logos oder 3D-Grafiken geht.
Die Ergebnisse sehen beeindruckend aus, durch das Hinzufügen von Lichtquellen im 3D-Raum lassen sich überzeugende Schatteneffekte erzeugen. Allerdings benötigt das Raytracing sehr viel Rechenleistung. Selbst bei kleinsten Änderungen am Aussehen des 3D-Objektes ergeben sich ausgesprochen lange Renderzeiten, um die Darstellung zu aktualisieren. Auf dem Testsystem, einem Macbook Pro mit i7-Prozessor (2,2 GHz), 8 GB RAM sowie ATI-GPU mit 1 GB VRAM, benötigte die Berechnung einer recht einfachen 3D-Schrift gut eine Minute pro Frame. Für eine Sequenz aus 25 Bildern war also rund eine halbe Stunde Rendering erforderlich. Verglichen zum klassischen 3D-Modus in After Effects ist das eine Ewigkeit.
Im Gegensatz zu Premiere Pro, wo der GPU-Support erweitert wurde, setzt Adobe bei After Effects weiterhin nur auf die Unterstützung von Nvidia-Grafikprozessoren. Dies ist schade, denn durch einen breiteren GPU-Support ließe sich das Raytracing vermutlich wesentlich beschleunigen. Speziell die Anwender von Laptops haben hier einen großen Nachteil, da es ihnen nicht möglich ist, ihren Computer nachträglich um eine Nvidia-Karte zu erweitern.
3D-Kameratracker
Ebenfalls aufhorchen lässt die Integration eines 3D-Kameratrackers in After Effects CS6. Kameratracking oder auch Matchmoving bezeichnet einen Vorgang, bei dem sich Kamerabewegungen und Zoomfahrten, die mit der Kamera während einer Aufnahme durchgeführt wurden, nachträglich per Software erfassen lassen. Mit Hilfe eines Kameratrackers kann real gedrehtes Material mit künstlich erzeugten 3D-Objekten kombiniert werden, wobei sich die 3D-Objekte bei einer Kamerabewegung oder einem Zoom dann genau so verhalten, wie die realen Objekte der Szene.
In früheren Versionen von After Effects war Matchmoving nur mit Hilfe zusätzlicher Software möglich. Als After-Effects-Plug-In ist hierzu beispielsweise Cameratracker von The Foundry erhältlich. Stand-Alone-Programme, die sich auf das Tracken von Kamerabewegungen spezialisieren, sind beispielsweise Boujou, PFTrack oder Synth Eyes.
Im Grunde ist der Ablauf beim Kameratracking bei allen Tools ähnlich: Zunächst analysiert die Tracking-Software anhand einer Vielzahl von Tracking-Punkten den entsprechenden Clip, um herauszufinden, welche Kamerabewegungen und perspektivischen Verschiebungen sich im Bild abspielen. Nachdem die gesetzten Tracking-Punkte verfolgt wurden, gibt der Anwender dem Programm in der Regel einige Hinweise, die bei der Umwandlung der aus dem Tracking gewonnenen Daten in eine Kamerabewegung helfen. Typischerweise wird an dieser Stelle angegeben, ob die Aufnahme vom Stativ oder aus der Hand gemacht wurde oder auch, ob während der Einstellung eine Brennweitenänderung erfolgt ist. Als Ergebnis erhält man dann eine virtuelle Kamera, die die Bewegung der echten Kamera reproduziert. Diese auf Grundlage der Tracking-Daten erzeugte Kamera kann im Compositing-Programm in einen 3D-Raum gesetzt und mit dem realen Material synchronisiert werden.
Im 3D-Raum läuft der flache, real gedrehte Clip auf einer Leinwand ab, vor der die virtuelle 3D-Kamera die entsprechenden Bewegungen vollführt. Platziert man nun 3D-Objekte zwischen die virtuelle Kamera und das gedrehte Material auf der Leinwand, so entsteht der Eindruck, als würden sich die 3D-Objekte tatsächlich in der Szene befinden. Neben Compositing-Programmen wie After Effects, Smoke oder Nuke greifen auch 3D-Programme wie Cinema 4D oder 3D Studio Max auf solche Kameratracking-Daten zurück, um reales Material mit grafischen Elementen kombinieren zu können.
Auch der 3D-Kameratracker in After Effects funktioniert nach dem beschriebenen Prinzip. Durch die direkte Integration in After Effects lassen sich Objekte nach der Analyse der Tracking-Punkte wesentlich leichter in den 3D-Raum platzieren, als dies mit den externen Varianten möglich ist. So werden in After Effects einige Punkte ausgewählt, die auf der Ebene liegen, auf der sich später das grafische Element befinden soll. In einer Vorschau wird bereits bei der manuellen Auswahl der Punkte eine Zielscheibe in der entsprechenden Perspektive auf dem eigentlichen Bild überlagert. Der Anwender kann so schnell beurteilen, ob die angewählten Punkte eine perspektivisch korrekte Darstellung liefern. Per Rechtsklick lässt sich dann beispielsweise ein Null-Objekt erzeugen, das an der ausgewählten Ebene im 3D-Raum haftet. Mit diesem Null-Objekt können wiederum beliebige Objekte verknüpft werden.
Der 3D-Kameratracker bietet vielfältige Anwendungen: In Verbindung mit dem Raytracing-3D-Renderer ist es möglich, aufgrund der virtuellen Kamera einen 3D-Text im Bild zu integrieren. Durch die Bewegung der 3D-Kamera wirkt dieser Text dann so, als würde er tatsächlich im Motiv stehen. Für einen realistischeren Gesamteindruck kann in diesem Fall auch ein »Shadow and Light Catcher« erzeugt werden. Das ist eine spezielle Ebene, die in den Raum gelegt wird und lediglich zur Schattenwiedergabe dient. Dabei müssen die 3D-Textebene und die zugehörige Schattenebene unter Umständen manuell aneinander angepasst werden, um eine realistische Wiedergabe zu erreichen. Natürlich lassen sich so auch 3D-Objekte oder grafische Elemente in eine Einstellung montieren, die außerhalb von After Effects erstellt wurden.
Für die schnelle Integration eines 3D-Textes konnte diese Lösung im Test durchaus überzeugen. Wie sich der 3D-Kameratracker im Vergleich zu den oben genannten, wesentlich teureren Stand-Alone-Trackern oder auch dem Cameratracker von The Foundry schlägt, muss ein separater Test zeigen.
Maskierung und Tracking
Als weiteres neues Feature beherrscht After Effects nun auch das Erstellen von Masken mit unterschiedlich breiten/weichen Maskenkanten. Besonders bei komplexen Formen ist es hilfreich, an den verschiedenen Stellen der Maske mit einem flexibel und nur auf diese eine Stelle begrenzten Maskenrand arbeiten zu können. Die neue Funktion lässt sich sehr einfach anwenden: Nachdem eine Maskenform gezeichnet wurde, kann die Maske mit dem neuen Werkzeug angeklickt und der weiche Maskenrand nach innen oder außen gezogen werden. Die Maskenkante kann als Teil des Maskenpfades auch per Keyframing animiert werden.
Wie schon in den beiden früheren Versionen des Production Premium-Bundles ist die Tracking / Rotoscoping-Lösung Mocha AE CS6 Bestandteil von After Effects. Bei Mocha von Imagineer Systems handelt es sich um einen Planar-Tracker. Die Software verfolgt also Ebenen und Flächen und nicht einzelne Punkte. Hierdurch können zum Beispiel Objekte mit Bewegungsunschärfe oder wechselnder Beleuchtung besser verfolgt werden. Auch wenn sich Teile des zu trackenden Objektes aus dem Bild bewegen, kann Mocha noch einen brauchbaren Track erstellen. Die mit Mocha gewonnenen Tracking-Daten lassen sich beispielsweise auf einen Text oder eine beliebige andere Ebene in After Effects übertragen. Mocha liefert in vielen Fällen bessere, schnellere und zuverlässigere Tracking-Ergebnisse, als dies mit dem in After Effects integrierten Punkt-Tracker möglich wäre. Zudem ist die Bedienung relativ schnell erlernbar und man kommt auch als weniger erfahrener Motion-Tracker schnell zu einem befriedigenden Ergebnis.
Auch für umfangreichere Rotoscoping-Aufgaben ist nach Ansicht der Tester auf jeden Fall Mocha AE CS6 zu empfehlen. Das Ausmaskieren und das Rotoscoping einzelner Bildelemente lässt sich mit Mocha komfortabler bewerkstelligen als mit den Maskierungsfunktionen in After Effects. Durch spezielle Form-Werkzeuge (Bezier-Spline, X-Spline) und Zoom- sowie Darstellungsoptionen in Mocha AE CS6 konnten im Test bessere und detailliertere Masken in kürzerer Zeit erstellt werden als in After Effects. Auch bewegte Masken konnten schneller realisiert werden. Denn in Verbindung mit dem Mocha Planar-Tracker lassen sich eventuelle perspektivische Verschiebungen oder Verzerrungen der Form auf die Masken übertragen. Es ist wesentlich weniger manuelles Keyframing notwendig, als wenn die Maske direkt in After Effects erstellt werden würde. Mit dem Plug-In Mocha Shape ist der Import der Maske in After Effects möglich.
Weitere Neuheiten
Eine weitere neue Funktion, die von Adobe als Global Performance Cache bezeichnet wird, führt zu schnelleren Renderergebnissen. In erster Linie geschieht dies durch eine effektive Verwaltung von bereits gerenderten Frames. So werden einmal berechnete Bilder in einem Speicher vorgehalten. Bei Bedarf können diese im Speicher noch vorhandenen Frames wiederverwendet werden, wodurch weniger Re-Rendering notwendig ist. Durch den Global Performance Cache wird in der Tat ein schnelleres Arbeiten möglich. Besonders nützlich ist die Funktion beispielsweise, wenn Arbeitsschritte rückgängig gemacht werden. After Effects greift dann jeweils auf die letzte gerenderte Version zurück. Eine weitere Situation, in welcher der Global Performance Cache die Abläufe beschleunigt: Wenn der Anwender einen Effekt nur für kurze Zeit abschaltet und dann wieder aktiviert, muss nicht komplett neu gerendert werden.
Weiter ist erwähnenswert, dass nun sämtliche mit After Effects gelieferten Cycore-Effekte (CC) entweder als 16- oder 32-Bit-Version vorliegen. Zudem wurde in After Effects CS6 die Integration mit Illustrator verbessert. Über den Befehl »create shapes from vector layer« lassen sich in Illustrator erstellte Vektorobjekte in Formen konvertieren, mit denen After Effects dann umgeht, als wären sie direkt in After Effects erstellt worden.
Im Zusammenhang mit der neuen Farbkorrektur-Anwendung Speedgrade ist es von Vorteil, dass über den Apply-Color-LUT-Effekt auch in Speedgrade erstellte LUTs (.look-File) direkt in After Effects angewendet werden können. Diese Funktion ist beispielsweise hilfreich, wenn überprüft werden soll, wie gut ein in After Effects erstellter Effekt oder ein Compositing mit einem angestrebten Look harmoniert.
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29.06.2012 – Praxistest: Premiere Pro CS6
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