Band, Disc oder Karte?
film-tv-video.de hat im Gespräch mit Michael Engstfeld von Sony MPE die Trends und Tendenzen bei aktuellen Speichermedien ausgelotet.
Wie anfällig viele Wirtschaftskreisläufe sind, das zeigte sich 2011 zweifach: In Folge des Tsunamis und des Atomunfalls von Fukushima in Japan wurden plötzlich HDCAM-SR-Bänder und Professional Discs knapp. Seit der Flutkatastrophe in Thailand ziehen die Preise für Festplatten an und es sind in Thailand auch andere Bereiche der Elektronikfertigung betroffen. In solchen Situationen wird schlagartig klar, welch wichtige Rolle Speichermedien spielen.
film-tv-video.de sprach mit Michael Engstfeld von Sony MPE Professional Media, dem Speichermedienbereich von Sony, über aktuelle Bezüge und Perspektiven in diesem Bereich.
Wie ist der aktuelle Stand der Produktion von Bändern und Professional Discs in Japan? Nähert sich Sony hier dem Stand von vor der Tsunami-Katastrophe wieder an?
Engstfeld: Von der Naturkatastrophe in Japan war bei Sony eine Fabrik in Sendai besonders betroffen. Dort werden sowohl Magnetbänder hergestellt, wie auch Storage Devices und Blu-rays Discs. Unter anderem kommen die Sony-Speichermedien für die Formate Digital Betacam, HDCAM und HDCAM SR, aber auch IMX, DAT und LTO von dort. Die Aufräumarbeiten in Sendai gingen — gemessen am Grad der Verwüstung — recht schnell voran und die Produktion läuft mittlerweile wieder. Konfektioniert werden die Produkte ohnehin in einer anderen Fabrik, die nicht direkt von der Katastrophe betroffen war, aber mit Infrastrukturproblemen zu kämpfen hatte, etwa beim Strom und Transport.
Seit Juli sind wir wieder bei 100 % der Produktionskapazität für Professional Discs und wir können die benötigten Volumina produzieren und liefern. Bei den SxS-Speicherkarten waren wir schon im Juni soweit. Das gleiche gilt für die DV-basierten Medien wie DVCAM– und HDV-Kassetten, denn diese metallbedampften Tapes werden in einer Fabrik hergestellt, die vom Tsunami nicht betroffen war.
In dieser besonderen Situation haben wir bei der Professional Disc in der ersten Hälfte unseres Geschäftsjahrs, das am 1. April beginnt, sogar einen neuen Umsatzrekord aufgestellt. Das Gleiche gilt auch für die SxS-Speicherkarten.
Schwieriger war die Situation bei den 1/2-Zoll-Bändern. Inzwischen haben wir auch wieder mit der Lieferung von Kassetten der Formate Digi-Beta, HDCAM und HDCAM SR aus der neuen Produktion begonnen. Hier sind wir zwar noch nicht wieder bei 100% Produktionskapazität angekommen, aber wir gehen davon aus, dass dies unmittelbar bevorsteht. Beim Magnetband gibt es dementsprechend derzeit schon noch Engpässe: da leben wir momentan noch mit Allokation, also der bestmöglichen Verteilung der verfügbaren Bestände an unsere Kunden.
Wie haben die Kunden auf diese Situation reagiert?
Engstfeld: Die Kunden waren sehr verständnisvoll und letztlich auch froh, dass wir immer noch Teilmengen liefern konnten. Die waren zwar bei weitem nicht ausreichend, haben aber mitgeholfen, dass die Kunden weiter produzieren konnten.
Natürlich haben die Kunden auch, da wo es möglich war, bei unseren nichtbetroffenen Wettbewerbern gekauft. Teilweise haben die Kunden auch ihre Workflows verändert oder einfach intensiver Bänder recycelt.
Nun kommen wir langsam an einen Punkt, an dem die Kunden kaum noch Möglichkeiten haben, sich selbst zu helfen und natürlich wächst damit die Ungeduld — das ist absolut verständlich. Insgesamt sind wir sehr dankbar dafür, wie sehr uns die Kunden in den vergangenen Monaten unterstützt haben.
In Deutschland hatten wir aber auch das Glück, dass wir schon eine gute Professional-Disc-Infrastruktur haben. In anderen Ländern, in denen noch mehr mit Tape gearbeitet wird, gab es mehr Schwierigkeiten.
Wie sieht der Markt der Band- und Speichermedien insgesamt aus, welche Marktanteile hat Sony in den einzelnen Bereichen? Können Sie einige Zahlen nennen, die Sonys Marktanteile verdeutlichen?
Engstfeld: Im Gegensatz zum Consumer-Bereich gibt es für das Profisegment keine GfK-Zahlen, also keine verlässlichen, unabhängig ermittelten Marktdaten. Wir haben aber dennoch eine ziemlich gute Vorstellung davon, welche Marktanteile bei uns liegen. Bei einigen Medien ist es natürlich offensichtlich: HDCAM SR und SxS produzieren wir ja nur selbst. Bei anderen Medien wie etwa der Professional Disc, bei HDCAM oder Digi-Beta möchte ich keine Prozentzahlen nennen, aber wir betrachten uns hier durchaus als Marktführer.
Wie hoch ist der Anteil DV-basierter Speichermedien innerhalb des Bandbereichs?
Engstfeld: DVCAM und alles, was in Richtung dieser Familie geht, hat noch einen gewissen Anteil und wird ihn auch noch eine Weile behalten. Aber die XDCAM-EX-Familie hat den DV-Markt natürlich deutlich reduziert. Auch Semiprofis, die nicht so viel Geld für eine Kamera ausgeben können, tendieren nun eher zur Speicherkarten als Aufzeichnungsmedium und bei Ersatzinvestitionen setzen nur die Allerwenigsten noch auf Tape, sondern auf File. Aber für den Bestand an bandbasierten Camcordern werden wir in jedem Fall noch sehr lange Tape produzieren.
Vom Umsatzvolumen machen HDV/DV nicht mehr als 6 bis 7 % aus, eher sogar noch etwas weniger. Aber wir fühlen uns natürlich unseren hauseigenen Formaten auch verpflichtet, es ist bei uns im Haus üblich, nach der offiziellen Abkündigung eines Formats noch mindestens weitere sieben Jahre die entsprechenden Medien zu produzieren. Das ist mit großem Aufwand verbunden, aber die Kunden haben dadurch auch eine gewisse Sicherheit.
Betacam war der Standard der Bandwelt, wie viele Kassetten gibt es schätzungsweise am Markt (Deutschland und weltweit)?
Engstfeld: Inzwischen hat Sony weltweit insgesamt 360 Millionen Kassetten der Betacam-Familie verkauft angefangen von Beta Oxyd bis HDCAM SR.
Gibt es im Bereich Tape noch Neuentwicklungen?
Engstfeld: Nein, wenn Sie Professional Tapes meinen. Selbstverständlich überprüfen und verbessern wir ständig unsere aktuellen Formate. Bei Massenspeichermedien wie beispielsweise LTO aber, werden wir selbstverständlich auch zukünftige Generationen herstellen.
Wie ist die generelle Marktentwicklung angesichts der »Tapeless«-Workflows? Wie entwickelt sich der Verkauf von Band und welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf das Sony-Media-Business?
Engstfeld: Einen Trend können wir aus der aktuellen Entwicklung in jedem Fall ablesen: Schon jetzt machen wir mehr als 50 % unseres Professional-Umsatzes mit file-basierten Medien. Dazu zählen in erster Linie alle Varianten der Professional Disc, bei der ja mittlerweile auch die einmal beschreibbare Disc mit 128 GB ausgeliefert wird, ebenso auch alle Varianten der SxS-Karten.
Wenn man diese Entwicklung rückblickend betrachtet, kann man schon sagen, dass der Transfer vom Band zum File kontinuierlich abläuft. Für uns ist der Umstand positiv, dass unsere Rückgänge beim Tape durch die Professional Disc mehr als kompensiert wurden.
Interessanterweise ist es auch so, dass viele Kunden ohnehin schon Pläne hatten, ihre Workflows auf file-basiertes Arbeiten umzustellen, und bei einigen fand dies in diesem Jahr statt – ganz unabhängig von der Katastrophe in Japan. Diese Kunden waren letztlich am wenigsten von den Auswirkungen betroffen, denn bei der Professional Disc hatten wir lediglich zwei Monate, in denen es Lieferengpässe gab.
Wie lange wird es noch dauern, bis file-basierte Speichermedien den Markt dominieren?
Engstfeld: Auf irgendeine präzise Angabe zu dieser Frage würde ich nicht wetten wollen: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass beispielsweise schon sehr früh der Tod von Betacam SP prognostiziert wurde, dass sich aber das Format und damit der Bandverkauf dann noch länger hielten, als wir es selbst geahnt hatten. Irgendwann ging es dann allerdings schlagartig nach unten.
Bei Digital Betacam ist es derzeit so, dass wir noch einige große Kunden haben, die auch große Mengen an Digital Betacam nutzen. Wenn aber nur zwei oder drei Keyplayer aufhören, damit zu arbeiten, wird es sehr schnell nach unten gehen. Aktuell rechnen wir aber noch für einige Jahre mit Digital-Betacam-Verkäufen.
Bei der weiteren Entwicklung von HDCAM SR wiederum muss man unterscheiden zwischen der Akquise auf der einen Seite — wo zu HDCAM SR nun noch in wachsender Rate SR Memory hinzukommen wird — und zwischen der Archivierung und dem Transport auf der anderen Seite, wo weiterhin das Tape die wichtigste Rolle spielen wird.
Es kommen hier auch noch Aspekte hinzu, die gar nicht vorrangig technischer Natur sind: Kunden sagen mir, dass Filmversicherungen zumindest die Archivierung auf einem Videoband fordern und dass eine rein file-basierte Produktion demnach von keiner Versicherung abgedeckt wird.
Was also die Frage der file-basierten Medien betrifft: Ich weiß nicht, ob wir jemals eine massive Dominanz von beispielsweise 90 Prozent erreichen werden – aber der Trend geht natürlich schon in Richtung file-basierter Speichermedien.
Aktuell sind die Quad- und die Triple-Layer-Disc Stand der aktuellen PD-Technik. Wird diese Entwicklung noch weitergehen? Wie lange wird es die Optical Disc ganz generell noch geben? Werden Festspeichermedien diesen Markt übernehmen, und wenn ja, mit welchem Zeitraum ist zu rechnen?
Engstfeld: Die Entwicklung der Professional Disc ist mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen, sie wird noch einige Generationen weitergehen. Aktuell haben wir die einmal beschreibbare Disc mit 128 GB und im Sommer kommt die wiederbeschreibbare Triple-Layer-Disc mit 100 GB. Letztlich steht die Disc erst am Anfang ihrer Entwicklung: Speicherkapazitäten, die das Mehrfache dessen betragen, was heute verfügbar ist, kann es definitiv geben. Ich weiß, dass wir diesen Weg noch weitergehen können, wenn der Markt das möchte. Wir sind auch überzeugt davon, dass ein Kunde, der sich heute für die Professional Disc entscheidet, noch lange Freude daran haben wird.
Darüber hinaus mag es künftig noch andere Formate geben, wir schauen natürlich nicht nur in eine Richtung. Ich halte allerdings nichts davon, dass man wie in einigen Fällen seit nun zehn Jahren immer wieder Technologien hervorholt oder Bilder davon zeigt, und dann geht nichts vorwärts, sei es aus finanziellen Gründen oder auch weil es der Markt gar nicht möchte. Ich habe beispielsweise vor zehn Jahren in Las Vegas eine Roadmap zu holografischen Disc-Systemen gesehen, aber letztlich ging es in dieser Richtung nicht weiter.
Werden Festspeichermedien in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen als andere aktuell verfügbare Medien wie die Professional Disc oder wird diese Entwicklung parallel stattfinden?
Engstfeld: Das ist eine parallele Entwicklung, insbesondere wenn man die Kosten und auch die Anforderungen an die Medien berücksichtigt. Gerade in der heutigen Zeit und auch für die Zukunft ist die Professional Disc ideal, denn sie schlägt die Brücke zwischen dem traditionellen Anwendungsbereich und den modernen Anforderungen: sie kann beides. Darüber hinaus ist sie auch ein optimales Archivmedium, das langzeitstabil ist. Bei der Professional Disc garantieren wir, dass der Content unter den entsprechenden Umweltbedingungen für mindestens 50 Jahre sicher ist und dass die Disc 1.000 Mal wiederbeschreibbar ist. Davon kann man beim Tape nur träumen.
Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass gerade in der Akquise die Solid-State-Medien verstärkt hinzukommen werden — und wenn der Workflow des Kunden so eingerichtet ist, dass alles gut funktioniert, kann man damit auch gut arbeiten – wir sind ja mit unseren SxS-Produkten gut dabei, auch wenn wir etwas später eingestiegen sind. Mittlerweile sind wir bei den SxS-Karten bei einer Speicherkapazität von 64 GB angekommen, und auch hier ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen.
Was schlägt Sony vor, wenn es darum geht, alte analoge Archive in digitale und gegebenfalls auch bereits file-basierte Archive zu überführen?
Engstfeld: In diesem Bereich sind unsere Kunden recht weit. Die großen Senderkunden arbeiten teilweise inhouse oder auch extern mit bekannten Dienstleistern in diesem Bereich zusammen. Als wir unsere Kunden erstmals zum Thema Archivierung befragt haben, erhielten wir von vielen die Antwort, dass sie sich schon mit diesem Thema beschäftigen. Die meisten haben ihre Archive der Formate vor Halbzoll schon umkopiert.
Der Transfer der Halbzoll-Archive wiederum ist natürlich ein Riesenthema, aber dabei gibt es ganz unterschiedliche Herangehensweisen: die einen sind der Meinung, dass sie nur das eine oder andere übertragen, andere wollen alles übertragen. Letztlich ist das auch immer eine Frage des Budgets, aber ich denke schon, dass die meisten Betacam-Archive schon jetzt oder in der nächsten Zeit in Server-Systeme übertragen und digitalisiert werden.
Viele arbeiten dabei mit großen Bandarchiven, gleichgültig, ob es sich dabei um LTO oder andere Archive handelt. Zusätzlich wird vorgelagert auch mit Archiven gearbeitet, die auf Festplatten oder auch auf Professional Disc basieren, was sich ja mittlerweile als gute Alternative fürs Archiv etabliert.
Letztlich geht es immer um das Verhältnis der Kosten pro Gigabyte auf der einen und um die Verfügbarkeit des Materials auf der anderen Seite. Wir denken, dass es in der Archivierung immer mindestens zwei, eher aber drei Verfügbarkeitsstufen gibt.
Bei der Archivierung auf Band spielt LTO-5 eine große Rolle und hier sind wir auch einer der dominierenden Hersteller von LTO-Tapes. In der vorgelagerten Archivierungsstufe bietet sich aus unserer Sicht die Professional Disc in mehrfacher Hinsicht an: sie ist flexibel und man kann sie ganz traditionell nutzen — so wie ein Videoband — man kann sie aber auch professionell in Server packen, und wir sind gerade dabei, Lösungen anzubieten, bei denen die Professional Disc in Automationssystemen eine große Rolle spielt.
Außerdem kann man die Professional Disc auch in Langzeitarchiven einsetzen, denn mit der 128 GB großen, einmal beschreibbaren Disc tragen wir den Wünschen vieler Archivare Rechnung, die zu Recht fragen, weshalb sie die Kosten für teure wiederbeschreibbare Medien mitbezahlen sollen, wenn sie ihre Disc nur einmal beschreiben und dann ins Regal stellen wollen. Diese Entwicklung wird sicher weitergehen.
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