»Anonymus«: DoP Anna Foerster zur Arbeit an Emmerichs Shakespeare-Film
Regisseur Roland Emmerich geht in seinem neuesten Spielfilm »Anonymus« mit opulenten Bildern der Frage nach, ob Shakespeares Werke tatsächlich von einem Autor dieses Namens stammen. Gedreht wurde der Spielfilm mit einer Alexa von Arri. DoP Anna Foerster erläutert in diesem Beitrag ihre Arbeit und insbesondere die Licht- und Look-Gestaltung des Spielfilms.
Wie stark beeinflussen und kontrollieren Sie als DoP die Kameraarbeit und die Lichtgestaltung am Set?
Anna Foerster: Neben der Lichtgestaltung ist die Szenerie an sich für mich sehr wichtig, und ich bin in diese Bereiche auch stark involviert. Ich denke aber auch, dass man das Team etwas an der langen Leine lassen sollte. Wenn man sich zu sehr einmischt, behindert man die Kreativität, die am Set entstehen kann. Für mich ist das Filmemachen letztlich immer noch eine große Teamarbeit, die darin besteht, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die nicht nur tun, was man ihnen sagt, sondern die auch Vorschläge haben. Das macht die ganze Sache interessant für mich.
»Anonymus« war Ihr erster Spielfilm, der komplett digital gedreht wurde. Waren Sie skeptisch?
Anna Foerster: Glücklicherweise konnte ich in den vergangenen Jahren der digitalen Aufzeichnung aus dem Weg gehen, da ich ausschließlich auf 35 mm drehte. Auf diese Weise blieb mir die Übergangsphase erspart, in der die digitale Aufzeichnung meist für Low-Budget-Produktionen stand. Doch jetzt hat sich die Diskussion verändert und findet auf einer anderen Ebene statt. Digitale Kameras wie etwa Arris Alexa sind aus meiner Sicht wirklich revolutionär fürs Filmemachen.
Für mich persönlich war der Wechsel natürlich sehr aufregend, und natürlich war ich auch nervös. Das ist normal, wenn man etwas Bekanntes hinter sich lässt. Aber letztlich war es für mich so, wie wenn man ein neues Filmmaterial bis an die Grenzen testet. Ich muss allerdings zugeben, dass ich immer mit einem Belichtungsmesser arbeitete und mich nicht darauf verließ, was ich auf dem Monitor sehen konnte, obwohl das in den meisten Fällen ziemlich genau war.
Wie näherten Sie sich der Story auf visueller Ebene an?
Anna Foerster: Bevor wir in die Produktion gingen, legten wir den Look der Dailies mit Lustre fest. Colorist Florian "Utsi" Martin arbeitete eng mit uns zusammen, er beriet und unterstützte uns. Zusammen haben wir dann sechs LUTs festgelegt — für unterschiedliche Tag- und Nacht-Situationen und auch für bestimmte Elemente des Films, wie etwa die Rückblenden. Am Set hatte ich diese LUTs auf dem Monitor und konnte mich darauf beziehen. Sie waren für mich ein wichtiges Hilfsmittel, um sehen zu können, wie weit ich beim Lichtsetzen von den angestrebten Parametern entfernt lag.
In der Vorbereitung verbrachten wir sehr viel Zeit damit, uns über den generellen Look Gedanken zu machen. Wir haben uns letztlich auf einen sehr naturalistischen Look festgelegt, und zwar nicht im Sinne eines Dokumentarfilms, sondern naturalistisch in Bezug darauf, dass wir hauptsächlich mit natürlichem Licht drehten. In anderen Worten: Es sollte so aussehen, als ob die Szenen überhaupt nicht zusätzlich beleuchtet wären. Die Herausforderung bestand für uns dann darin, nur mit natürlichen Lichtquellen wie etwa Kerzenlicht, Feuer oder Tageslicht zu arbeiten.
Wir haben uns viele Gemälde aus der Zeit Shakespeares angesehen, etwa die Nachtgemälde von Georges de la Tour, in denen nur eine oder zwei Kerzen eine ganze Szene beleuchten. Die Alexa bietet einen sehr großen Dynamikumfang, und wenn man mit EI 1200 oder 1600 drehen kann, erhält man unvorstellbare Ergebnisse: Man kann damit den Effekt einer einzigen Kerze oder einer offenen Feuerstelle einfangen — und Reflexionen auf der Wand oder auf den Gesichtern der Personen ohne jegliches Rauschen in den Schwärzen — genauso, wie es auch das menschliche Auge wahrnimmt.
Welche Objektive haben Sie verwendet?
Anna Foerster: Überraschenderweise haben wir 80 Prozent des Films mit Arris neuem Lightweight Zoom LWZ-1 gedreht. Ich war zunächst sehr skeptisch und hatte Vorbehalte gegenüber diesem kleinen und leichten Zoom — bis ich dann Tests mit einem Messprojektor durchführte. Ich war sehr beeindruckt von der Qualität, die dieses kleine Objektiv lieferte. Wir hatten zudem auch Master Primes, die hauptsächlich für die Effekt-Shots genutzt wurden.
Dank des LWZ-1 waren wir sehr flexibel und konnten die Brennweite jeweils rasch anpassen, ohne hierfür das Objektiv wechseln zu müssen. Außerdem konnten wir das Objektiv auch auf der Steadicam nutzen. Die Hälfte des Films haben wir mit einer 17,5-mm-Brennweite gedreht, was ziemlich weitwinklig ist. Aber das war eines der Elemente des Looks, das ich mit Roland schon vor dem Dreh diskutiert hatte. In Bezug auf die Beleuchtung war das nicht ganz einfach, denn durch den großen Bildwinkel konnte man nicht einfach irgendwo noch eine Lichtquelle aufbauen, was teilweise eine echte Herausforderung darstellte.
Was hat sich für Sie als DoP durch die digitale Aufzeichnung verändert?
Anna Foerster: Dazu fällt mir eine Anekdote ein. Ich drehte mal gemeinsam mit Dean Semler Luftaufnahmen aus einem Hubschrauber und fragte ihn damals, weshalb er so viel digital drehe. Er entgegnete mir: »Es ist besser fürs Herz«. Damals lachte ich, aber heute weiß ich, dass es stimmt: Man schläft einfach besser, hat keine Panik, weil man sich Gedanken darüber macht, wie wohl die Dailies am nächsten Tag aussehen werden. Früher ging man immer mit schweißnassen Händen dort hin und sorgte sich, ob man das Material wohl an der einen oder anderen Stelle überstrapaziert hatte. Jetzt hat man schon am Set soviel Kontrolle — vor allem Dank des Waveform-Monitors, der genau zeigt, an welcher Stelle man noch mehr aus einer Szene herausholen kann. Das ist eine große Erleichterung.
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