Ab in die Cloud
»Und, schon was Interessantes gesehen?« »Ach ja, viel Kleinkram, aber das ganz große Ding scheint es dieses Jahr nicht zu geben, oder?« Diese Unterhaltung kann man während der NAB fast beliebig oft selbst führen oder mithören ― und das keineswegs nur in diesem, sondern eigentlich in jedem Jahr.
Aber trotz dieser Unkenrufe hat sich die Branche doch über die Jahre stetig entwickelt und verändert ― vielleicht tatsächlich nicht in großen, revolutionären Sprüngen, aber doch in einem Prozess permanenter Erneuerung. Kaum irgendwo wird 2011 noch so produziert, wie zur Jahrtausendwende, manches hat sich zum Schlechteren gewendet, vieles aber auch zum Besseren.
Dennoch scheint es, als warteten alle ständig auf die nächste große Entwicklung:»The next big thing«, das dann die gesamte Branche revolutionieren soll. Allerdings klärt sich leider meist erst im Rückblick, was denn wirklich markante Einschnitte waren, wo neue Technologien tatsächlich große, umwälzende Auswirkungen nach sich zogen: Wüsste man es vorher, könnte man so manchen Irrweg vermeiden.
Aktuell liegen die Hoffnungen auf der »Cloud«. Über die Cloud soll alles mit jedem vernetzt, mehr oder weniger alles online erledigt und/oder virtualisiert werden. In Timbuktu gedrehtes Material wird vor Ort hochgeladen, dann in Ushuaia vorgesichtet, anschließend von Experten in Ouagadougou und Bangalore gleichzeitig bearbeitet, schließlich in Bad Hennef freigegeben und letztlich von Tuscaloosa aus weltweit verbreitet ― in 4K natürlich, direkt in die Kinos auf die große Leinwand.
Dass es so nicht kommen kann, ist derweil vollkommen klar. Die Vorstellung, weltweit verteiltes Knowhow kombinieren und gemeinsam nutzen zu können, wird sich zwar realisieren lassen, aber es dürfte nicht zur einer allumfassenden Verteilung kommen, sondern zu einer Vernetzung von Zentren, in denen sich Knowhow gesammelt hat.
Dennoch: die Virtualisierung, die Verteilung und Rekombinierbarkeit von Produktionskapazitäten über viele Standorte bietet auch für den Broadcast-Bereich großes Potenzial. Wie wäre es etwa, wenn die TV-Sender nicht riesige Teams zu den großen Sport-Events schicken, sondern stattdessen nur ein kleines Team vor Ort unterhalten müssten, während der Großteil der Mitarbeiter seinen jeweiligen Job im gewohnten Umfeld mit allen dort vorhandenen, eingespielten Abläufen abwickeln könnte? Wie wäre es, wenn man Softwares, Speicher und andere Ressourcen verschiedener Standorte nahezu beliebig disponieren, kombinieren und dadurch optimal auslasten könnte?
Vielleicht ist das wirklich »the next big thing« und wir erleben während der NAB2011 die ersten Ansätze dafür: bei Quantel mit Q-Tube, bei Avid mit deren Ideen bei »Interplay Central«, bei Firmen wie Signiant und anderen mit den weiter verbesserten Übertragungs- und Vernetzungslösungen, die es erlauben, vorhandene Netzinfrastrukturen besser zu nutzen.
Sie werden sehen.