»Pina«: Infos zur Produktion
Stereo-3D-Producer Erwin M. Schmidt über den Produktionsprozess des Tanzfilms »Pina«, einer Hommage an die Choreographin Pina Bausch, die Wim Wenders gedreht hat.
Zu Beginn der Vorbereitungen zu »Pina« war das Angebot an Equipment und den damit erfahrenen Fachleuten noch recht gering. Durch eine glückliche Fügung lernten wir aber den versierten Stereographen Alain Derobe kennen und konnten uns intensiv mit den von ihm entwickelten Spiegel-Rig-Prototypen vertraut machen und von seinem unerschöpflichen Wissen und seinem Enthusiasmus profitieren.
Vorbereitung des 3D-Drehs
Wir haben die Dreharbeiten mit aufwändigen Tests und einer äußerst präzisen Planung vorbereitet. Im Sommer 2009, etwa zwei Monate vor dem eigentlichen Dreh haben wir einen Testdreh mit vollzähligem Filmteam, Ensemble und Team des Tanztheaters und dem kompletten Equipment-Park vor Ort in Wuppertal durchgeführt. Wir wollten frühzeitig mögliche Schwachstellen im Ablauf erkennen und die technischen Systeme und die Zusammenarbeit des internationalen Teams auf Belastbarkeit überprüfen. Diesem Dreh folgte die Postproduktion der Testaufnahmen und eine Auswertung der Erfahrungen nach der Sichtung des Materials im Kino. Kleinere Tests haben wir praktisch bis kurz vor Drehbeginn durchgeführt, da wir uns das komplexe Wissen über Stereo-3D erst aneignen mussten — mit Ausnahme von Alain Derobe und seines Teams waren wir schließlich alle unerfahren auf diesem Gebiet. Aufgrund des engen Zeitplans des Tanztheaters und der extrem knapp bemessenen Drehzeit konnten wir uns Fehler und Nachdrehs schlicht nicht erlauben, alles musste auf Anhieb im Kasten sein.
Ein ausgeklügeltes 3D-Live-System
Wim Wenders hat zusammen mit dem Stereo-3D-Supervisor Francois Garnier ein sehr ausgeklügeltes System entwickelt, mittels dessen der Teleskopkran, der im Zuschauerraum aufgebaut war, gesteuert werden konnte. Dazu bedienten sie sich eines Grundrisses des Theaterraums, auf dem ein virtuelles Schachbrettmuster den Bühnenboden und den Zuschauerraum in Quadranten einteilte, sowie eines Winkelmessers, der genau dem Sichtwinkel des für eine bestimmte Szene geplanten Kameraobjektivs entsprach. Anhand von Video-Aufzeichnungen der einzelnen Tanzstücke konnten Wenders und Garnier einen detaillierten Ablaufplan schreiben, in dem sehr präzise festgehalten war, welchen Ausschnitt die Kamera zu welchem Moment im Stück erfassen sollte, und in welchem Quadranten und auf welcher Höhe sich der Krankopf zu diesem Zweck befinden musste. Diese Angaben hat der Regisseur während der Ablaufproben und Aufnahmen per Funkverbindung an die jeweiligen Teammitglieder weiter gegeben.
Die eingesetzte 3D-Technik
Die verschiedenen Rigs, die beim Dreh von »Pina« zum Einsatz kamen, waren allesamt Prototypen, die für unseren Dreh von Alain Derobe umgebaut und optimiert wurden. Die beiden Kameramodelle stammten von Sony und waren einerseits große Studio-Kameras (HDC-1500) für den Einsatz auf dem teleskopischem Kran, und andererseits baugleiche, aber kleine und mobile Einheiten (HDC-P1) für die Steadicam.
Stereo-3D erlaubt einen recht beschränkten Brennweiteneinsatz, bei weitwinkligen Objektiven entstehen Verzerrungen, bei langen Brennweiten entsteht ein Scherenschnitt-Effekt, die Gegenstände verlieren ihr Volumen und wirken flach. Wir haben uns nach ausführlichen Tests auf drei Objektive beschränkt, Digiprimes mit Brennweiten von 10, 14 und 20 mm. Da das Wechseln der Objektive in einem 3D-Rig wegen der erforderlichen Justierung und Kalibrierung zeitaufwendig ist — und diese Zeit hatten wir nicht — war die Brennweite für jede einzelne Szene bereits vor Drehbeginn klar festgelegt.
Die Kalibrierung des Rigs und Kontrolle des Stereo-3D-Effekts geschah am Set mittels eines speziellen 3D-Monitors von Transvideo, der die Bilder beider Augen (Kameras) anaglyph überlagert darstellt, so dass der Versatz zwischen den beiden Bildern der rechten und linken Kamera pixelgenau sichtbar ist. Neben ihrer Erfahrung und Kreativität war dieser Monitor das wichtigste Werkzeug unseres Stereographie-Teams.
Herausforderungen Live-Aufzeichnung und 3D-Außendreh
Wir haben die vier Tanzstücke live, während ausverkaufter Publikumsvorstellungen aufgezeichnet. Daher durften wir die Tänzer bei ihrer Arbeit auf der Bühne nicht beeinträchtigen oder stören. Gleichzeitig wollten wir mit der Kamera so nah an sie herankommen, wie nur möglich. Der Einsatz eines langen, teleskopischen Kranarms erlaubte uns genau diese Freiheit. Natürlich hatten die Tänzer Anfangs etwas Scheu vor diesem riesigen Auge, das mit ihnen auf der Bühne tanzte, diese Scheu hat sich aber bald gelegt. So sind unglaublich nahe und dynamische Aufnahmen entstanden, die dem Zuschauer das Gefühl geben, mit den Tänzern auf der Bühne zu stehen. Stereo-3D liebt die Tiefe – so kann man zusammenfassen, warum die Soli der Tänzer außerhalb des Theaterraumes eine perfekte Ergänzung zu den Tanzstücken auf der Bühne sind. Diese spektakuläre Tanzszenen entstanden an prägnanten Orten in Wuppertal und Umgebung, in Straßenzügen, Wäldern, Berghalden, Industrielandschaften, und natürlich in der Wuppertaler Schwebebahn.