WM-Countdown: Erfolgreicher Abschlusstest für Stereo-3D-Übertragung in Monaco
Ein Fußballspiel der französischen Ligue 1 am vergangenen Samstag war auch Schauplatz des achten und letzten Testlaufs für die Stereo-3D-Übertragung von einzelnen Spielen der kommenden Fußball-WM. HBS, der Host-Broadcaster der Fußball-WM in Südafrika, setzte hier gemeinsam mit Sony und AMP Visual TV bei der Partie Monaco-Nancy noch einmal das Equipment ein, das anschließend direkt nach Südafrika verschickt wurde und mit dem dann vor Ort 25 Spiele der Fußball-WM in Stereo-3D aufgezeichnet und live übertragen werden.
Erst im Dezember 2009 hatten Sony und der Fußballverband Fifa einen Vertrag darüber geschlossen, dass 25 Spiele der kommenden Fußball-WM in Stereo-3D aufgezeichnet und übertragen werden sollen (siehe Meldung). Innerhalb von nur sechs Monaten galt es seither, hierfür das technische und gestalterische Konzept zu erarbeiten. In Monaco gaben Stephane Labrousse von Sony und Peter Angell, Director Production and Programming Division bei HBS, bekannt, dass dies gelungen sei: Seit den ersten Testläufen im Februar 2010 — mit nur einem 3D-Kamera-Rig — folgten insgesamt sieben weitere Testdurchläufe. Nach dem nun erfolgten achten und finalen Test in Monaco, fühlen sich die Partner gewappnet, die Stereo-3D-Berichterstattung von der Fußball-WM auf dem erforderlichen, hohen Niveau umsetzen zu können. Ein Videointerview mit Peter Angell, das film-tv-video.de während der NAB2010 führen konnte, finden Sie hier auf dem Youtube-Kanal von film-tv-video.de.
Direkt nach dem Ende der Produktion des Spiels zwischen den französischen Erstligisten Nancy und Monaco ging das gesamte Equipment auf die Flugreise nach Südafrika. Insgesamt wird HBS dort mit zwei Stereo-3D-Ü-Wagen produzieren, einer kommt vom TV-Dienstleister Telegenics und einer von AMP Visual.
Beim letzten Testspiel in Monaco war der Ü-Wagen von AMP Visual im Einsatz. AMP ist einer von Sonys engen Partnern in Frankreich. Mit Sony realisierte AMP schon einen ersten HD-Ü-Wagen und nun auch den ersten Stereo-3D-Ü-Wagen des Unternehmens. Dabei handelt es sich aber nicht um einen kompletten Neubau, dafür hätte die Zeit gar nicht gereicht. Vielmehr wurde ein bestehender HD-Ü-Wagen für die Stereo-3D-Produktion aufgerüstet. Damit, so Peter Angell von HBS, wollte man auch zeigen, dass es auf Basis des heute regulär verfügbaren Equipments schon möglich sei, 3D-Inhalte zu produzieren.
Kameratechnik
Bei den Kameras fiel die Entscheidung auf die Baureihe HDC-1500R von Sony. Bei einigen der Kamerapaare kommt zudem der Split-Adapter HKC-T1500 zum Einsatz. Damit ist es möglich, den optischen Block der Kamera mit CCDs und Prisma, von der restlichen Kameraelektronik zu trennen. Das erlaubt beim Einsatz der Kamera auf einem Spiegel-Rig (englisch: Beam-Splitter Rig) eine günstigere Gewichtsverteilung: Ist die vertikal angebrachte Kamera klein und leicht, lässt sich das gesamte Rig auf einem Schwenk/Neige-Kopf viel leichter ins Gleichgewicht bringen und ausbalancieren. Als Alternative zum Split-Adapter hat Sony auf Basis der HDC-1500 für solche Zwecke auch die Kompaktkamera HDC-P1 konzipiert, die aber von HBS nicht genutzt wird.
Während der NAB2010 stellte Sony mit neuen RCP– und MSU-Modellen zudem verbesserte Kamerakontrollsysteme vor. Darunter die RCP-1500, die sich mittels Firmware-Update so einrichten lässt, dass man von einer OCP aus gleichzeitig zwei Kameras steuern kann. Dies erleichtert die Steuerung und das Matching der Kameras im Stereo-3D-Betrieb für den Bildtechniker erheblich. Die Firmware befindet sich derzeit noch in der Entwicklung, sie soll zur WM in der finalen Version vorliegen.
Rigs
HBS entschied sich bei den Rigs für Systeme von Element Technika. Durch ihren modularen Aufbau lassen sich die Rigs rasch zwischen Side-by-Side und Beam-Splitter-Einsatz umbauen. Diese Flexibilität des Rigs macht es vor allem für den AÜ-Bereich interessant, in dem von Tag zu Tag andere Produktionsverhältnisse herrschen können, mit neuen Kamerapositionen, die letztendlich auch den Aufbau des Rigs (Side-by-Side oder Beam-Splitter) bestimmen. Des weiteren lassen die Rigs zwei Versionen der Beam-Splitter-Konfiguration zu: Die vertikale Kamera kann von unten oder von oben auf den Spiegel gerichtet werden. Somit kann entweder mit von unten montierter Kamera eine kompaktere Silhouette erreicht werden, etwa um das Kamera-Setup für die Zuschauer im Stadion weniger störend zu konfigurieren, oder es bleibt bei von oben montierter Kamera mehr Platz zum Neigen des Rigs.
Die Rigs sind mit Stellmotoren sowohl für die Einstellung der Interaxial-Differenz zwischen den beiden Kameras ausgestattet, als auch für die Konvergenzeinstellung (0-Grad-Winkel-Versatz der beiden Kameras). Steuern lässt sich das Rig mit den Remote-Controllern von Element Technika. Außerdem lassen sich Rigs von Element Technica jetzt auch durch den neuen 3D-Prozessor MPE-200 von Sony fernbedienen: Eine wichtige Voraussetzung für den WM-Einsatz, bei dem es erforderlich ist, dass der Konvergenz-Operator die Rigs aus dem Ü-Wagen heraus verstellen kann.
Kamerapositionen für die Stereo-3D-Produktion bei der Fußball-WM
Peter Angell stellte ein Konzept für acht Kamerapaare vor, das sich im Rahmen der Testläufe als effizient herauskristallisiert habe und deshalb bei allen 25 WM-Spielen, die in Stereo-3D produziert werden, zum Einsatz kommen wird. Im Gegensatz zu den bisherigen Fußball-Produktionen, ist die Führungskamera im Stadion deutlich nach unten gewandert. Sie schaut nun wesentlich flacher auf das Spielfeld und ist auch näher am Spielgeschehen, was zu einer Verbesserung der Tiefenstaffelung und somit zu einem intensiveren Stereo-3D-Eindruck führt. Auch die ursprünglich vergleichsweise hoch und in der Verlängerung der 16-m-Linie angeordneten Kameras sind nun bis auf Torhöhe hinunter gewandert und näher an den Toren platziert.
Die vier auf der Tribüne positionierten Kameras werden Side-by-Side montiert, was aber die Verwendung sehr langer Brennweiten eingeschränkt, da hierbei die Interaxial-Differenz wieder geringer werden müsste. Folglich nutzen die Kameraleute an den Tribünenkameras die 22xHJ-Canon-Optiken den Zoom nicht ganz bis zum Ende des Telebereichs aus.
Alle Kameras am Spielfeldrand sind hingegen auf Beam-Splitter-Rigs montiert, da sie sehr nah am Objekt sind und so eine geringe Interaxial-Differenzen erfordern. Auch diese Kameras sind mit 22xHJ-Objektiven von Canon ausgestattet. Objektive mit längeren Brennweiten werden nicht eingesetzt, weil die Bildführung bei Stereo-3D ein viel weitwinkligeres Arbeiten erfordert, um einen natürlichen Eindruck von Tiefe im Bild zu gewinnen. Außerdem wäre es sehr aufwändig und schwierig, Objektive mit hohen Brennweiten überhaupt auf einem Stereo-Rig zu montieren.
Ü-Wagen
Für die Übertragung des Spiels zwischen Monaco und Nizza waren zwei Ü-Wagen am Austragungsort in Monaco im Einsatz. AMP Visual war exklusiv für die Stereo-3D-Produktion zuständig und realisierte den 3D-Feed. Einen zweiten Ü-Wagen von Alfacam hatte HBS mit der 2D-Produktion des Spiels in HD beauftragt. Nach diesem Muster wird es auch bei der Fußball-WM ablaufen: Neben den 32 Kameras für das HD-Host-Signal, wird es bei den 25 hierfür ausgewählten Spielen zusätzlich acht Stereo-Kamerapaare inklusive separatem Ü-Wagen für die Produktion des Stereo-3D-Signals geben. Die Trennung von 2D- und 3D-Produktion begründet HBS mit der unterschiedlichen Bildsprache und den anderen gestalterischen Erfordernissen für spannende 2D- und 3D-Produktionen.
Um den Ü-Wagen von AMP Visual für Stereo-3D-Produktionen nutzbar zu machen, waren in zwei Bereichen Aufrüstungen nötig. Zunächst sind das 3D-fähige Monitore an den entscheidenden Arbeitsplätzen: Im Fahrzeug befanden sich entsprechend vier 3D-Monitore aus der LMD-Baureihe von Sony: Je zwei mit 24-Zoll-Bilddiagonale (LMD-2451TD) für PGM und PVW in der Bildregie, sowie 42-Zoll-Schirme (LMD-4251TD) für das Ausgangssignal in der Bildregie und am Stereographer-Arbeitsplatz. Alle anderen Arbeitsplätze im Fahrzeug arbeiten mit 2D-Monitoren. Das reicht aus Sicht von Peter Angell aus, denn der Großteil der Crew, etwa in den Bereichen Slomo und Grafik solle sich auf das Spiel und das Storytellig konzentrieren, statt auf den Stereo-3D-Effekt.
Der zweite Bereich, in dem der AMP-Ü-Wagen für Stereo-3D aufgerüstet werden musste, sind die 3D-Prozessoren, die durch Konvergenzoperatoren bedient werden, deren Aufgabe es ist, für korrekte Stereo-3D-Wirkung der Bilder zu sorgen. Für jede Kamera ist ein MPE-200 von Sony inklusive Operator notwendig (mehr dazu im folgenden Abschnitt). Das bedeutet, dass acht zusätzliche Arbeitsplätze im Fahrzeug notwendig sind.
Der Sony-Bildmischer MVS-8000 kann Stereo-3D-Bildsignale durch Verlinkung von mehreren M/E-Ebenen verarbeiten. Aufgezeichnet werden die beiden Streams (L/R-Signal) auf HDCAM-Maschinen des Typs SRW-5800. Für Zeitlupen stehen insgesamt sechs Mehrkanal-Server von EVS zur Verfügung. Vier dieser EVS-Server sind für die Zeitlupen von den acht 3D-Kamerapaaren erforderlich. Die beiden zusätzlichen EVS-Maschinen zeichnen die Signale ausgewählter Kameras des 2D-Ü-Wagens auf, die dann von einem Prozessor in Stereo-3D-Signale konvertiert werden — eine Kompromisslösung mit eingeschränkter 3D-Wirkung. Peter Angell meint dazu: »Dieses Verfahren ist leider notwendig, da es etwa die Steadicam bei der WM nur einmal gibt — und dies eben nur in 2D. Diese mobile Kamera liefert aber etwa bei den Hymnen zu Beginn des Spiels die schönsten Bilder und es wäre schade, beim Stereo-3D-Feed auf diese Bilder verzichten müssen«
MPE-200 und der Job des Konvergenzoperators
Hinter jedem Kamera-Rig hängt in der Signalkette eine Prozessorbox des Typs MPE-200. Sie erfüllt mehrere Funktionen, zunächst beim Aufbau. Als Analysewerkzeug hilft die Box in dieser Phase den Technikern beim Einrichten des mechanischen Setups der beiden Kameras auf dem Rig: Stimmen Rotation, Vertical-Shift, Interaxial-Differenz und Konvergenz der Kameras? Hierfür bekommen die Konvergenzoperatoren in der Aufbau- und Justagephase den Waveform-Ausgang des jeweiligen MPE-200 als Kamera-Rückbild. Nachdem das Rig mechanisch optimal justiert wurde, beginnt dann das Abgleichen der optischen Achsen der Objektive. Bedingt durch den Einsatz von Zoomobjektiven, kommt es zu einer Verschiebung des Bildmittelpunktes in Abhängigkeit von der Brennweite. MPE-200 ist in der Lage, diesen Bildfehler digital zu korrigieren und in Abhängigkeit des jeweiligen Brennweitenwertes zu speichern. Nach einem einmaligen Justage-Durchlauf ist gewährleistet, dass die optische Achse des Bilds auch bei Zoomvorgängen gleich bleibt und sich nicht durch die Linsenfehler der Objektive beim Zoomen verschiebt. Bleibt noch das Problem, dass die Optiken der beiden Kameras bei Zoom und Fokus-Vorgängen nicht absolut synchron laufen. Die MPE-200-Box fängt auch diesen Fehler digital auf, in dem sie das betreffende Bild up- oder down-skaliert und den Korrekturwert in Abhängigkeit der Brennweiteneinstellung des betreffenden Objektives speichert. Auch diese Justage muss also nur einmal durchgeführt werden, die permanente, jeweils passende digitale Korrektur erfolgt dann während des Sendebetriebs automatisch.
Während der Sendung steuert der Konvergenzoperator dann nur noch die Interaxial-Differenz und die Konvergenz der Kameras auf dem Rig. Hierfür hat Sony die Software MPES-3D01 entwickelt, mit der sich der Prozessor MPE-200 in dieser Phase übersichtlich steuern lässt. Der MPE-200-Prozessor analysiert die Parallaxe und zeigt Fehler wie »Überbasis« an. Erforderlich ist das, weil sich einerseits beim Zoomen die Brennweite der Optiken ändert, was zu einer Veränderung der Parallaxe führt, die korrigiert werden muss. Parallaxen-Sprünge sind zudem bei den Umschnitten von Kamera zu Kamera extrem störend für den Betrachter. Um dies zu vermeiden, gibt es den zusätzlichen Job des Stereographers, dem die Konvergenzoperatoren untergeordnet sind. Die Konvergenzoperatoren stellen also die Interaxial-Differenz und die Konvergenz Ihres Rigs entsprechend den Anweisungen des Stereographers ein
Sendeablauf bei Stereo-3D
Peter Angell erläuterte, dass während der Fußball-WM die beiden L/R-Signale des Stereo-3D-Feeds separat über zwei Uplinks vom Ü-Wagen abgesetzt werden. In hoher Signalqualität, mit 300 Mbps im JPEG2000–Codec, sollen so die angeschlossenen Kinos mit maximaler Bildqualität versorgt werden. Die üblichen 3D-Mix-Verfahren wie Side-By-Side über nur einen SDI-Stream und Uplink wären natürlich erheblich günstiger, als diese Version der Übertragung. Sie halbieren allerdings die horizontale Auflösung auf jedem Auge, was vor allem bei der Stereo-3D-Fußball-Premiere auf großen Kinoleinwänden nicht erwünscht ist — und letztlich auch nicht akzeptabel wäre. Tests von HBS haben so etwas wie einen Mindeststandard ergeben, den das Unternehmen auf keinen Fall unterschreiten will: 40 Mbps bei MPEG-2-Kompression. Niedrigere Datenraten bergen demnach die Gefahr, durch Kompressionsartefakte auch den Stereo-3D-Eindruck zu beeinträchtigen.
Wo kann man WM-Fußball in Stereo-3D sehen?
Hier gibt es offenbar immer noch offene Fragen, wohl auch wegen weiter laufender Lizenz- und Rechteverhandlungen. Geplant ist aber wohl die Kinoverwertung: Fußballfans sollen gegen Bezahlung auf Kinoleinwänden die 25 für Stereo-3D ausgesuchten WM-Spiele sehen können.
Zugesichert ist bisher aber nur die Übertragung in Stereo-3D auf den von der Fifa lizenzierten internationalen Fan-Festen, von denen eines in Berlin stattfinden wird. Offen ist derzeit noch, ob die Zuschauer dort nur Highlights der Spiele in Stereo-3D sehen können, oder das ganze Spiel als Live-Übertragung.
Nach der Fußball-WM soll es dann Blu-ray Discs mit Stereo-3D-Aufnahmen der WM-Spiele geben. Damit will Sony dann seine 3D-fähigen Consumer-Monitore promoten: Die arbeiten frame-sequential, man kann also mit aktiven ELCS-Brillen noch einmal die Spiele der Fußball-WM in Stereo-3D Revue passieren lassen.
Weitere Infos
Ein Videointerview mit Peter Angell, das film-tv-video.de während der NAB2010 führen konnte, finden Sie hier auf dem Youtube-Kanal von film-tv-video.de.
Sky hat in Deutschland schon ein Bundesliga-Spiel in Stereo-3D produziert und einem ausgewählten Zuschauerkreis als Pilotprojekt vorgeführt. Mehr dazu lesen sie hier.
Erst im Dezember 2009 war die Entscheidung gefallen, Teile der Fußball-WM 2010 auch in Stereo-3D zu produzieren. Mehr dazu hier.
Weitere Infos zur Vorbereitung der Fußball-WM-Übertragungen bei Sky und RTL finden Sie hier. Wie Studio Berlin seinen Einsatz für den Host-Broadcaster HBS vorbereitete, lesen Sie in einem weiteren Artikel.