Aufruhr im Wespennest
Die Wahrheit wird nicht immer gern gehört. Das muss auch die Redaktion von film-tv-video.de immer wieder feststellen, wenn aufgeregte Rückmeldungen eingehen. Und seit das Web auch zum Hort und Ventil der Hassprediger jeglicher Couleur wurde, die nur auf irgend einen Anlass warten, um in eigenen Meinungs-Blogs oder Foren ihrem blindwütigen Furor freien Lauf zu lassen, hat sich das nicht gebessert.
Emotionale Rückmeldungen rief etwa auch die kürzlich in diesem Newsletter enthaltene Feststellung von film-tv-video.de hervor, dass 16 mm keine große Zukunft mehr vor sich habe. Bei manchem in der Branche löste das einen schon bekannten Reflex aus: Es wird dann sofort vermutet, dass wir bei film-tv-video.de uns klammheimlich darüber freuten, dass diese Ära langsam zu Ende geht und dass Film insgesamt nach und nach seine dominierende Rolle in der szenischen Produktion verliert.
Die Wahrheit ist: Es herrscht hier keine Freude über den Niedergang des 16 mm Films, aber es ist auch nicht so, dass diese Entwicklung Depressionen oder Trauer bewirken würde. Letztlich nehmen wir diesen Umstand lediglich zur Kenntnis und protokollieren ihn. Emotionale Bindungen an Geräte oder Technologien sind uns fremd — und das aus gutem Grund: Diese Haltung erlaubt eine wesentlich objektivere Sicht der Branche. Dass man als Produktmanager — etwa bei Kodak oder Red — anders zu diesem Thema steht, ist völlig klar und verständlich.
Einem journalistischen Medium hingegen sollte es unserer Überzeugung nach niemals darum gehen, auf der redaktionellen Seite einseitig Produkte oder Technologien zu promoten. Generell ist ein etwas distanzierterer Blick für redaktionelle Arbeit mindestens hilfreich, wenn nicht sogar unabdingbar: Sich in der journalistischen Arbeit nicht mit einer Sache gemein zu machen — und sei sie noch so nobel — das ist Teil einer professionellen Haltung, die professionelle Ergebnisse ermöglicht.
Außerdem ist die Fixierung auf Geräte ganz generell nur selten sinnvoll. Um es platt zu sagen: Wer Musik liebt, der muss nicht eine einzelne Gitarre, ein bestimmtes Notenblatt und einen speziellen Notenständer anbeten und verehren. Trotzdem gibt es natürlich große Unterschiede bei Gitarren, Notenblättern und Notenständern — und jeder Musiker benötigt Informationen, um sich für das Richtige zu entscheiden. Und zweifellos erfordert gute Musik das jeweils richtige Instrument.
Damit sind wir wieder eng am Thema: Die alte Grenzlinie, die zwischen Video und Film einst errichtet wurde und die manche im digitalen Zeitalter fortschreiben wollen, hat sich überlebt. Man kann doch allen Anwendern nur wünschen, dass sie nicht blind einer Ideologie folgen, sondern sich jeweils für die im Einzelfall am besten geeignete Technik entscheiden, die in Ihren Budgetrahmen passt. film-tv-video.de maßt sich dabei keineswegs an, hierfür allgemeingültige Richtlinien ausgeben zu können: Respekt zollt film-tv-video.de all denen, für die Film das Mittel der Wahl ist, ganz genauso wie denen, die in digitale Welten eintauchen — wenn Sie damit jeweils erfolgreiche und gute Produktionen umsetzen.
Sollte es jedem Cineasten und Filmemacher nicht letztlich egal sein, womit ein Film produziert wurde, wenn er anspricht, berührt, amüsiert oder auf andere Weise relevant ist? Filme können emotional sein, der Prozess der zur Auswahl der passenden Produktiontechnik führt, sollte besser ziemlich nüchtern ablaufen.
Dass aber die Digitaltechnik in Teilen mit der Filmtechnik konkurriert, ist doch unbestritten und dass dadurch der Filmmarkt insgesamt nicht mehr wächst, das kann — so denken wir — ebenfalls als gesicherte Erkenntnis gelten.
Wer trotzdem noch an den alten Grenzlinien kämpft, der argumentiert oft mit der Qualität — und vergisst dabei einen wichtigen Aspekt: Es geht den Anwendern heute vielleicht gar nicht schwerpunktmäßig um die Qualität. Nehmen wir als Beispiel die Fotografie: Die Digitaltechnik hat hier den chemischen Film nicht deshalb innerhalb kürzester Zeit marginalisiert, weil die Anwender mit der Qualität des Filmmaterials unzufrieden gewesen wären. Und hier sind die Parallelen zur Entwicklung in unserer Branche unübersehbar.
Sie werden sehen.