JVC-Camcorder HM100: Die bessere Idee
Ein Speichermedium zu verwenden, das eben so leicht zu bekommen ist wie eine DV-Kassette, und darauf in einem Datenformat zu speichern, das direkt und ohne Umwege mit einem weit verbreiteten Schnittprogramm verwendet werden kann: Das ist vielleicht die beste Idee, um einen bandlosen Camcorder zu bauen — und JVC hat sie beim GY-HM100 umgesetzt.
Mit dem GY-HM100 hat JVC einen sehr kompakten, bandlosen Camcorder mit Profianspruch entwickelt. Eine Besonderheit besteht darin, dass er auf die weit verbreiteten SD-Speicherkarten ein HD-Signal im vollen Raster von 1.080 x1.920 Bildpunkten so aufzeichnen kann, dass sich die Daten mit dem Schnittprogramm Final Cut Pro von Apple direkt verarbeiten lassen. Der neue, rund 1,3 kg schwere 3-Chip-Camcorder GY-HM100 bietet damit wichtige, positive Unterscheidungskriterien zu anderen Geräten seiner Klasse.
Ausstattung, Preis, Bildqualität
XLR-Buchsen für Audiosignale stehen bei Camcordern auch als Zeichen für einen zumindest semiprofessionellen Anspruch — und solche Buchsen bringt der HM100 mit. Die Audiobuchsen und die zugehörige Signalverarbeitung sind in den abnehmbaren Henkel integriert, so wie man das schon von zahlreichen anderen Kompakt-Camcordern kennt. Nimmt man den Griff ab, macht sich der HM100 mit rund 24 x 10 x 10 cm so klein, dass man ihn auch sehr gut unauffällig mitnehmen und einsetzen kann.
Einstellbarer Timecode, Zebra, Farbbalken, manueller Weißabgleich im direkten Zugriff, Kippschalter für Weißabgleichswerte und Verstärkung stammen ebenfalls aus dem Ausstattungsrepertoire professioneller Camcorder und helfen dem beruflichen Anwender, sich heimisch zu fühlen. Drei User-Tasten können mit verschiedenen Funktionen belegt werden.
Wie heute bei HD-Camcordern üblich, bietet der HM100 zahlreiche Auswahlmöglichkeiten, was die Erzeugung, Verarbeitung und Speicherung der Bilddaten betrifft. Darunter findet sich auch ein Modus, der eine deutlich bessere Bildqualität ermöglicht, als sie etwa mit HDV zu erreichen ist: 1080i in einem Raster von 1.080 x 1.920 Bildpunkten bei einer Datenrate von 35 Mbps. Das entspricht exakt der besten Qualitätsstufe von XDCAM EX, die Sony bei den Camcordern EX1 und EX3 anbietet. Sogar das Kodierverfahren ist mit MPEG-2 gleich. Entscheidender Unterschied: Es wird eben nicht wie bei XDCAM EX auf ein spezielles, exotisches Speichermedium — die SxS-Karte —, sondern auf die weit verbreitete SD-Speicherkarte aufgezeichnet, die nicht nur wesentlich billiger ist, sondern die man auch in jedem Foto- und Elektronikgeschäft bekommen kann. Da diese Daten wahlweise als Quicktime-Datei, oder im MP4-Container aufgezeichnet werden, ist es möglich, sie in Final Cut Pro direkt und via XDCAM-Transfer-Tool in zahlreichen Schnittsystemen schnell weiterzuverarbeiten.
Mit den genannten Eckdaten formuliert JVC für den HM100 durchaus einen etwas höherwertigen Anspruch, aber zu viel darf man von dem kleinen, eher auf Semiprofis ausgerichteten Gerät auch nicht erwarten: Bei einem Netto-Listenpreis von 3.150 Euro sind logischerweise Limits eingebaut, die man schon an einigen weiteren Eckwerten des Geräts ablesen kann, wie etwa in der Sensordiagonale von nur 1/4 Zoll. Dennoch überraschte der HM100 die Tester insgesamt positiv, JVC zaubert aus der kleinen Kiste doch erstaunlich viel heraus.
Das 10fach-Zoomobjektiv des HM100 ist weitwinkliger als die der meisten Consumer-Camcorder: Der HM100 erreicht mit einem maximalen Blickwinkel von 62 Grad fast den Wert, den Sonys EX1 bietet (63 Grad). Dem Panasonic-Duo HPX171/HMC151 (69 Grad) gegenüber muss sich der kleine JVC in dieser Disziplin aber geschlagen geben. Chromatische Aberrationen sind sichtbar, werden aber ganz offenbar elektronisch minimiert. Insgesamt hinterlässt das Objektiv einen mittleren bis guten Eindruck, wenn man die üblichen Abbildungsleistungen bei den fest eingebauten Linsensystem in der Klasse der Handheld-Camcorder zugrunde legt und den Kaufpreis im Hinterkopf hat.
Die drei CCD-Sensoren produzieren Bilder, die weit weniger rauschen, als man das von den zunehmend weiter verbreiteten CMOS-Sensoren kennt. Deshalb muss beim HM100 unter diesem Aspekt auch nicht so stark in der Signalverarbeitung getrickst werden, wodurch dem HM100-Anwender auch der bei vielen CMOS-Camcordern unnatürlich clean gerechnete Bildeindruck erspart bleibt. Was den Testern ebenfalls positiv auffiel, war die unerwartet gute Kontrastwiedergabe: Situationen, in denen andere Camcorder wegen zu dunkler oder zu heller Gesichter das manuelle Eingreifen in die Belichtungssteuerung erfordern, stellte der HM100 auch im vollautomatischen Betrieb einen angenehmen, »richtigen« Bildeindruck her. Insgesamt ließ sich der Camcorder auch in schwierigeren Lichtsituationen nicht so leicht aus dem Konzept bringen wie andere Geräte seiner Klasse. Das bedeutet aber auch nicht, dass der HM100 alle Situationen meistern könnte: Wenn die Bilder zu kontrastreich werden, muss auch der HM100 die Waffen strecken, sodass etwa ein grauer Himmel kurzerhand weiß wird. Dennoch: Der HM100 erreicht im Automatikmodus öfter einen recht natürlichen Bildeindruck, als viele andere Camcorder seiner Klasse.
Im Normalbetrieb ist der Camcorder nicht besonders lichtstark, aber mit Slow-Shutter, Lolux-Funktion und einer maximalen Verstärkung von 18 dB (bei noch erträglichem Rauschen), sind einige Bordmittel vorhanden, um doch zu verwertbaren Ergebnissen zu kommen, wenn es am Drehort mal dunkler zugeht.
Der HM100 bietet eine in seiner Baugröße schon ungewöhnlich große Zoomwippe, außerdem starten und stoppen die Stellmotoren nicht so ruckartig wie bei vielen Camcordern aus dem Consumer-Lager. Auch mit dem kleinen Joystick direkt neben dem Ausklappschirm lässt sich der Zoom bedienen — wenn auch nicht so komfortabel und fein dosierbar wie mit der Wippe. Direkt neben dem Joystick, mit dem auch die Menübedienung erfolgt, sitzt ein zweiter Auslöser. Ein weiterer Auslöser im Handgriff wäre schön, aber auf dieses Ausstattungsdetail hat JVC verzichtet — ebenso wie auf eine Zoomwippe an dieser Stelle.
Der 16:9-Ausklappschirm misst 2,8 Zoll in der Diagonalen, also etwas mehr als 7 cm. Er bietet 206.000 Bildpunkte, was zum sicheren manuellen Scharfstellen nicht reicht. Das Ausweichen auf den Sucher hilft hierbei auch nicht weiter, denn dieser 0,44-Zoll-Schirm bietet mit 235.000 Bildpunkten eine nur wenig höhere Auflösung. Die gute Nachricht: Der Autofokus des HM100 gehört zu den besseren seiner Art, er ist etwas träger eingestellt, trifft aber die Schärfe in der Regel im ersten Anlauf und pendelt auch nicht unnötig nervös vor und zurück.
Insgesamt bietet der Camcorder den heute üblichen Funktionsumfang. In ein paar Aspekten hat JVC aber Selbstbeschränkung geübt — vielleicht auch mit Rücksicht auf den großen Bruder des HM100, den Schulter-Camcorder HM700. So fehlen etwa Funktionen wie Intervall-Aufnahme oder Slow-Motion, die man ja auf der Herstellerseite bei digitalen Camcordern relativ einfach umsetzen kann, beim HM100 komplett. In den Einstellmenüs sind auch etwas weniger Möglichkeiten eröffnet, in die Signalverarbeitung einzugreifen — etwa in den Bereichen Gamma und Farbmatrix, die zwar etliche Einstelloptionen eröffnen, aber im Vergleich zu anderen Camcordern nur in Maßen beeinflussbar sind. Auch auf einen Syncro Scan/Clear Scan-Modus des Shutters hat JVC beim HM100 verzichtet.
Fotos kann der Camcorder auch speichern, bis zu einer maximalen Auflösung von 1.920 x 1.080 Bildpunkten. Parallel zu einer laufenden Videoaufnahme können bis zu drei Fotos durch Drücken des Snapshot-Knopfs zwischengespeichert werden, die dann nach dem Stoppen der Videoaufnahme in einen separaten Ordner auf der SD-Karte geschrieben werden.
Heutzutage eher ungewöhnlich: JVC legt dem HGM100 sowohl einen separaten Akkulader wie auch ein separates Netzgerät bei. Man kann also ohne zusätzliches Equipment kaufen zu müssen, den Camcorder am Netz betreiben und parallel dazu den Akku laden — oder zwei Akkus parallel befüllen: einen im Camcorder, einen im Ladegerät.
Handling
Den kleinen Joystick neben dem Ausklappschirm auch als Zoomhebel nutzen zu können, ist eigentlich ganz praktisch, wenn auch der Mini-Stick in puncto Bedienkomfort und Feinfühligkeit natürlich nicht mit der Zoomwippe mithalten kann. Was die Tester allerdings nervte: Häufig rutscht man beim Zoomen mit dem kleinen Hebelchen ins Auswahlmenü für die Programmautomatik, weil diese Funktion ebenfalls auf dem Stick liegt — was man auch nicht abschalten kann. Vielleicht muss man zur »Generation Thumb« gehören, deren Daumen durchs Bedienen von Multifunktionshandys feinfühliger und besser trainiert ist, um dieses Problem vermeiden zu können.
Insgesamt erschließt sich die Logik der Einstellmenüs nicht immer: Mehr als einmal mussten sich die Tester durch weite Teile des Menüs hangeln, um schließlich doch noch eine versteckte Funktion zu finden, die sie an anderer Stelle vermutet hatten. Weshalb etwa der Menüpunkt »Camera Settings« in dem viele für den Drehbetrieb wichtige Einstellmöglichkeiten zusammengefasst sind, an letzter Stelle der mehrseitigen Menüübersicht steht, das muss man nicht verstehen. Warum in diesem Untermenü die wichtigsten Funktionen wiederum ganz am Ende stehen, ist ebenfalls schwer nachvollziehbar. Dass sich etwa der Menüpunkt »Wind Cut« fürs Mikro dagegen auf der gleichen, obersten Menüebene befindet, wie die sehr viel umfassenderen Punkte Camera Process und Camera Settings, das trägt ebenfalls nicht zur Übersichtlichkeit bei.
Es gibt übrigens auch die Möglichkeit, das Menü auf Deutsch umzustellen, aber mittlerweile haben sich so viele englische Begriffe eingebürgert, dass die deutsche Übersetzung des Menüs bisweilen eher seltsam anmutet und auf den ersten Blick nicht immer verständlicher ist als die englische.
Insgesamt ist das Bedienkonzept des HM100 nicht rund: Einerseits will der Camcorder idiotensicher sein und fragt nach dem Einschalten, ob man die Objektivklappe geöffnet hat, andererseits ist er mit einer schwer durchschaubaren Menüstruktur gespickt.
Fürs manuelle Fokussieren hat JVC eine Scharfstellhilfe eingebaut. Aktiviert man sie, wird das Sucherbild scharzweiß und Kanten, die in der Schärfeebene liegen, werden farbig markiert. Will man aber überwiegend manuell fokussieren, kommt man wegen der kleinen integrierten Displays mit mäßiger Auflösung, in der Praxis um einen größeren Monitor nicht herum. Hier schränkt der HM100 aber die Auswahl ein, weil er nur wenige Schnittstellen bietet: HD-Videosignale kann der Camcorder nur als HDMI oder analoge Komponente an einen externen Monitor ausgeben, HD-SDI fehlt. Weiterer Nachteil: Weil der Komponentenausgang im Bedienfeld hinter dem Ausklapp-Display platziert ist, muss der eingebaute Schirm ausgeklappt bleiben, sobald man hier etwas anschließt.
Manuelles Zoomen und Scharfstellen wird beim HM100 über den gleichen, nicht manuell verkoppelten Objektivring erledigt: Noch ein Hinweis darauf, dass JVC eher davon ausgeht, dass der HM100 selten im komplett manuellen Modus verwendet wird. Blende, Shutter und Programmautomatik werden über Tasten auf der Geräterückseite aufgerufen und über ein kleines Rädchen im gleichen Bedienfeld verstellt.
Das manuelle Einstellen der Blende über das kleine Rädchen auf der Geräterückseite ist etwas fummelig und manchmal würde man sich auch eine feinere Abstufung wünschen, als sie mit den 14 Stufen zwischen F1.9 und F8.0 vorgegeben ist.
Der Camcorder verfügt über einen Slow-Shutter-Modus. Im 50-Hz-Betrieb steht dabei eine maximale Belichtungszeit von 1/3,13 Sekunden zur Verfügung, zudem sind 1/6,25, 1/12,5 und 1/25 anwählbar. Damit können absichtliche Nachzieheffekte erreicht werden, und bei ruhigen Motiven kann auch die »Nachtsicht« des Geräts verbessert werden.
Im Audiobereich bietet der HM100 mit zwei XLR-Buchsen und zwei getrennten Pegelreglern im Audioteil des Handgriffs zwei Grundvoraussetzungen für den etwas professionelleren Umgang mit Originalton.
Beim relativ kleinen Ausklappdisplay störte die Tester, dass man darauf nur aus einem vergleichsweise kleinen Blickwinkel die volle Helligkeit und die korrekten Farben sieht. Das ist ein deutliches Manko, da der Ausklappschirm bei Handheld-Camcordern eine hohe Wichtigkeit beim Drehen aus der Hand hat, das wichtigste Element für die Bildgestaltung und -kontrolle darstellt und hier sogar stilprägend wirkte. Hier gibt es wesentlich bessere Lösungen auf dem Markt, als JVC sie dem HM100 spendierte — was sehr schade für den HM100 und vielleicht der größte Kritikpunkt ist. Ebenfalls etwas gewöhnungsbedürftig: Nach dem Aufzeichnen einer Szene braucht der HM100 eine ganze Weile, bevor es mit der nächsten Szene weitergehen kann. Im normalen Aufnahmebetrieb ist das kein Problem, aber wenn’s mal schnell gehen muss, wünscht man sich hier etwas mehr Speed.
Video- und File-Formate
Der HM100 beherrscht, wie mittlerweile fast alle Camcorder seiner Klasse, sowohl 1080i (50/60) wie auch 720P (24/25/30/50/60). Zudem punktet der Kleine aber noch mit 1080p und den hierbei möglichen Frameraten 24, 25 und 30 fps.
Speichern lassen sich die Bildfolgen im 1080er-Modus wahlweise mit 35 oder 25 Mbps, im 720er-Betrieb mit 35 oder 18,3 Mbps, jeweils als MPEG-2-Datenstrom mit Long-
Bei den File-Formaten, in die diese Nutzdaten verpackt werden, stehen zwei Varianten zur Wahl: Quicktime (Mov) ist dabei die apple-kompatible Variante, alternativ dazu können die MPEG-2-Daten auch in MP4-Container verpackt werden. Wer mit beiden Dateitypen nichts anfangen kann, dem empfiehlt JVC das Freeware-Programm MP4toMPEG, um die Daten so zu wandeln, dass sie auch mit einer Vielzahl älterer Schnittprogramme verarbeitet werden können.
Speichermedien, Aufnahmefunktionen
Mit dem Camcorder lassen sich SDHC-Speicherkarten verwenden. Auf eine 16-GB-Karte passen in der höchsten Qualitätsstufe, die der Camcorder bietet, rund 50 Minuten Video. Der HM100 ist mit zwei SD-Slots bestückt und kann so eingestellt werden, dass er selbstständig von einer Karte zur anderen wechselt, wenn ein Medium voll ist. Kontinuierlicher Aufnahmebetrieb über viele Stunden, wie man ihn theoretisch mit mehr als zwei Karten realisieren könnte, ist mit dem HM100 allerdings nicht möglich. Die Funktion »Clip Continuous Rec«, hinter der man diese Möglichkeit vermuten könnte, dient lediglich dazu, mehrere Einstellungen oder Takes in Form eines einzigen Mov-Clips auf der Karte zu speichern.
Fazit
Mit dem HM100 hat JVC eine der bisher besten Ideen zum Thema bandloser Camcorder umgesetzt. Der Verzicht auf ein spezielles, eigenes Speichermedium, der Einsatz eines bekannten, etablierten Kodierungsverfahrens und die direkte Anbindung an ein weit verbreitetes Schnittprogramm, repräsentieren zusammen wichtige, zukunftsweisende Eckpunkte: Sie stellen momentan ganz sicher das richtige, das bessere Konzept dar.
Ob sich dieser Ansatz aber auf breiter Front durchsetzen wird, muss die Zukunft zeigen. Dass es hier viele Unwägbarkeiten gibt, hat JVC in seiner Firmengeschichte selbst schon erfahren: Einen riesigen Erfolg konnte der Hersteller als Erfinder von VHS verbuchen, dem vielleicht nicht besten, aber letztlich erfolgreichsten Heimvideosystem aller Zeiten. Es kommt also (leider) nicht nur auf die bessere Idee an.
Die Bildqualität, die der kleine Camcorder bietet, ist für seine Baugröße und Preisstufe überraschend gut. Für bestimmte Projekte scheint der HM100 sogar ideal, weil er sehr handlich ist und schnelle Workflows ohne unnötige Hürden unterstützt: Trotz aller Kritik in Details hat die Redaktion von film-tv-video.de beschlossen, den HM100 für die Videoberichterstattung von der IBC2009 zu nutzen.