Spiele in Stereo-3D: Renner in den Kinos?
Erobert Stereo-3D im kommenden Jahr die Multiplex-Kinos nicht nur mit Filmen, sondern auch mit interaktiven Spielen? Ein Überblick über aktuelle Stereo-3D-Projekte und ein Interview mit Josef Anton Striedl, dem Geschäftsführer der Münchner Firma VR Space Theatres.
Seit Jahren wird in der Kinobranche über »alternativen Content« gesprochen, den man nun mit den digitalen Hochleistungsprojektoren in die Kinos bringen könne: Neben Spielfilmen könnten damit auch Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen, Konzerten und Opern Zuschauer in die Säle locken. Immer öfter ist dabei auch von Stereo-3D als zusätzlichem Anreiz die Rede — neuerdings auch im Zusammenhang mit einem weiteren »alternativen Content«, nämlich interaktiven Spielen.
Neben dem privaten Filmkonsum auf DVD und dem oft illegalen Download von Filmen, machen in den jüngeren Zielgruppen vor allem Computer- und Konsolenspiele dem Kino zu schaffen. Laut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) und Media Control legte der Umsatz bei PCs, Spielkonsolen und den dazugehörigen Spielen im ersten Halbjahr 2008 um 20 Prozent auf 1,05 Milliarden Euro zu. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatte der Umsatz noch bei 837 Millionen Euro gelegen. Laut Bitkom-Vizepräsident Achim Berg ist der Spielemarkt damit »heute mindestens so bedeutend wie (…) etwa die Film- und Musikindustrie. Mit einem Unterschied: Der Games-Markt wächst rasant.«
Als sich DreamWorks-Chef Jeffrey Katzenberg im August auf die Bühne Intel Developer Forums stellte, um »die größte Innovation im Filmgeschäft seit 70 Jahren: 3D« zu verkünden, reagierte das Publikum laut Presseberichten verblüfft bis skeptisch. Erst die anschließend gezeigten, komplett in 3D gerenderten Ausschnitte aus dem DreamWorks-Animationsfilm »Kung Fu Panda« ließen Kritiker verstummen. Katzenberg kündigte an, DreamWorks werde zukünftig alle Animationsfilme in 3D produzieren und in die Kinos bringen. Schon für die nächste DreamWorks-Produktion »Monsters vs. Aliens«, die für März 2009 angekündigt ist, soll das bereits gelten.
DreamWorks setzt bei seiner 3D-Strategie auf Intels neue Intru3D-Technologie und auf eine Projektion mit dem RealD-Verfahren, das mit zirkular polarisiertem Licht und entsprechenden Brillen arbeitet.
Pixar hat ähnliche 3D-Pläne wie DreamWorks, zudem haben zahlreiche bekannte Regisseure wie Robert Zemeckis, James Cameron, Steven Spielberg und Peter Jackson eigene 3D-Projekte angekündigt.
Daneben kommt aber eine zweite Diversifikationslinie auf: Die Game Units der großen Studios bringen zu ausgesuchten Projekten jeweils Spiele für PC und Konsole auf den Markt. Generell sind Film- und Spieleindustrie während der letzten Jahren inhaltlich, ökonomisch und technisch immer enger zusammengerückt und greifen wechselseitig auf ihre Stoffe (»Tomb Raider«) und Macher (Peter Jackson, Ridley Scott) zurück. So produzierte etwa auch Steven Spielberg schon für den Spielehersteller Electronic Arts (EA). »Diese Entwicklung passiert, weil man Risiken minimieren möchte. Die Produktion von Games wird immer aufwändiger und teurer und die von Filmen auch. Man möchte das finanzielle Risiko reduzieren und setzt daher auf Produkte und Stoffe, für die es bereits einen Markt gibt«, kommentiert Ian Livingston, Gründer der Computerspielefirma Eidos diese Entwicklung.
Von München aus macht sich jetzt auch das Unternehmen VR Space Theatres auf, um die beiden aktuellen Trends Stereo-3D und Computerspiel in einer Lösung fürs Kino zusammenzuführen.
Während der Games Convention in Leipzig stellte VR Space Theatres ein laufendes Projekt vor, das nun in einem Showroom in Berlin-Mitte zu sehen ist: »Underwater Space Worlds«: Vorab-Ausschnitte einer Mischform aus Film und Spiel, die man als interaktiven Film oder als Kino-Game bezeichnen könnte. Die Zuschauer können dabei die Handlung auf der Leinwand mit Hilfe eines Game-Controllers steuern. Ein Live-Moderator führt das Publikum durch die Handlung, weist Anfängern einfache und erfahrenen Gamern anspruchsvollere Steuerungsaufgaben zu — teilweise auch in Form von Kurznachrichten, die auf dem Controller des jeweiligen Zuschauers angezeigt werden.
Inzwischen sind Aufführungen im Rahmen der Berlinale in Planung und VR Space Theatres verhandelt nach eigenen Angaben mit der Cinestar-Gruppe, aber auch anderen Kinobetreibern über die Integration der Aufführungstechnik in deren Säle. Ab Februar oder März des Jahres 2009 sollen erste reguläre Produktionen vorliegen.
Im folgenden Interview gibt Josef Alfons Striedl, CEO der Firma VR Space Theatres, Auskunft über die Verbindung aus Games und Stereo-3D fürs Kino.
Interview
Nähern Sie sich der Verbindung von Stereo-3D-Film und Spiel eher aus Richtung der Filmproduktion oder von der Spieleseite?
Beides. Wir wissen wie Filmproduktion geht, wir wissen aber auch wie Game-Produktion geht — beides hoch komplex, aber letztendlich kein Hexenwerk. Trotzdem muss man unsere Plattform als neues Medium verstehen. Wir sprechen beide Genres an. Wir werden sowohl mit Animations-filmproduzenten, wie auch mit Game-Produzenten zusammenarbeiten, wenn es sich um Produktionen für unsere neue Plattform handelt, die wir Space Theatres iiP-3D nennen.
Ein Ausgangspunkt war, dass die großen Animationsfilmstudios wie Disney, Pixar, Lucas Films und DreamWorks inzwischen zu jedem neuen Animationsfilm auch ein Game herausbringen und interne Gaming Units aufgebaut haben.
Bereits da vermischt sich der Animationsfilmproduzent mit dem Game-Produzenten. Wir selbst sind seit drei Jahren in den USA unterwegs und führen Vorgespräche etwa mit Lucas Film. Wenn dann neue Produktionsprojekte entstehen, kann man parallel bereits ein Produkt mit planen, das dann auch in unserer Plattform abgespielt werden kann.
Sind Sie primär an der Vermarktung und Lizenzierung dieser Aufführungstechnik interessiert? Oder wollen Sie die komplette Verwertungskette abbilden: von der Produktion bis zur Lizenzierung von Inhalt und Aufführungstechnik und die Ausrüstung der Kinos?
Zunächst das Erstere. Wir stellen ein Techniksystem zur Verfügung und beraten beim Einbau. Die Lizenz muss sowieso gekauft werden und dabei gibt es zwei Modelle.
Modell eins: Unsere Investoren leisten eine Vorausfinanzierung weil der Kunde nicht sofort investieren will. Wenn der Kinobetreiber aber selbst sofort kaufen kann, hat er von Anfang an den erhöhten Box Office Split. Die genauen Bemessungen kann ich Ihnen jetzt hier nicht verraten, das sind interne Verhandlungsthemen.
Das zweite Modell sieht so aus, dass wir die Game-Developer unterstützen, wenn sie für das System produzieren. Wir treten dann nicht sofort als Produzent auf, sondern helfen den Produzenten auf die Plattform.
Falls wir von Anfang an in die Produktion finanziell einsteigen, würden wir einen Anteil am Box Office Split der Produzenten bekommen. Aber wenn ein Produzent komplett nach vorne finanziert, dann ist der Hauptteil der zweiten Hälfte des Box Office Splits bei ihm.
Wir treten also in der ersten Phase nicht als Produzent der Filme auf, sondern arbeiten mit ausführenden Produzenten.
Man geht zur Zeit von rund 25 Kinosälen in Deutschland aus, die digitale 3D-Filme projizieren können: Kein besonders großer Marktplatz. Zudem gehen Sie mit einer neuen 3D-Technik an den Start. Können die bereits eingerichteten Säle Ihre Produkte zumindest adaptieren, oder müssten selbst dort komplett neue Aufbauten vorgenommen werden?
Das ist das Spannende: Wir können, wenn akzeptiert, über Schnittstellen an bestehende Lösungen, etwa an RealD, XpanD, 3D Digital Cinema oder Dolby andocken. Trotzdem müssten im Kino die Sessel verkabelt werden, oder es könnten neue komfortablere Stühle eingebaut werden — was wir empfehlen, aus Gründen von Langlebigkeit und unserem innovativen Branding-Charakter heraus. Dieses System müsste dann mit einem Server verbunden werden, der für 100 bis 500 Personen eine Abspielumgebung etabliert und deren Input verarbeitet.
Wenn Cineplexe, Themenparks, Kinoketten oder sonstige Spielstätten eíne neue 3D-Projektion planen, dann können wir diese ideal beraten, bei der Wahl einer Technik oder Paketlösung, die sowohl die Aufführung konventioneller 3D-Filme, als auch unserer 3D-Spieleprodukte ermöglicht.
Wer sind ihre Kunden? Produzenten oder Kinobetreiber?
Kunden sind für uns zunächst die Betreiber. Das können Kinos, Themenparks oder auch Shopping Malls sein — also Orte, in die moderne neue Spielräume eingebunden werden können. Wir haben bereits Anfragen von großen Themenparks in Kairo, Dänemark und Dubai. Das sind Themenparks, die gaming-orientierte Themeninhalte veranstalten, ähnlich wie Disney.
Wir finden es aber gut, zunächst hauptsächlich mit dem Kinomarkt und mit Kinoproduzenten zu arbeiten, weil das unserer Lösung den A-Klasse-Stempel aufprägt und sie nicht sofort in die Themenpark-Ecke schiebt.
Sind Kino und Spiele nicht verschiedene Medien und haben sie nicht verschiedene Zielgruppen? Werden Sie nicht in erster Linie Gamer ansprechen?
Das sehen wir anders. Wir bieten ein Produkt an, das die breite Masse und nicht nur geübte Gamer anspricht. Tatsächlich verschiebt sich derzeit der Games-Markt ja mit Plattformen wie der Wii und »soften« Spielformen wie Wissensspielen, Karaoke und körperbetonten Sportspielen hin zu einem Familien- und Massenpublikum.Zudem moderiert das bei uns ein Moderator, den wir Gameguide nennen. So kann man wirklich mit seiner Familie in solch eine Vorführung gehen. Trotzdem können auch Gamer teilnehmen, weil der Moderator und das Gameplay auch die »highly experienced players« auf anderen Levels einbauen kann.
Aber ist der Kinosaal wirklich der richtige Platz für diese Anwendungen?
Wir haben Marktforschung und Analysen durchgeführt und haben festgestellt, dass solche neue Spielformen, von einem Moderator begleitet und in einem gemeinsamen öffentlichen Raum angenommen werden.
Zielgruppen sind etwa auch Singles, die jemand kennen lernen wollen. Wir bieten also speziell in Multiplex-Kinos sozusagen ein Parallelprogramm an, das man als Abwechslung zum traditionellen Kinobesuch alternativ oder zusätzlich nutzen kann. Wir wollen hier nicht verdrängen, warum auch, sondern mit erfrischendem Mitmach-Entertainment vitalisieren.
Tatsächlich sind die Multiplexkinos ja in der Regel nicht ausgelastet. Pro Multiplex könnte man also sicher ein bis drei Säle für eine solche Doppelnutzung — also Kino und Game — umwidmen.
Das würde den klassischen Kinobetrieb gar nicht stören, wäre aber eine zusätzliche Attraktion. Die geplanten 45-Minuten-Programme erhöhen für den Betreiber auch den Durchlauf und sind dadurch interessant. Unsere Lösung stellt also ein Bereicherung der Multiplexe dar.
Warum muss dieses Medium in Stereo-3D laufen? Es gibt ja die bekannten Vorbehalte, was die besser und weniger für 3D geeigneten Genres angeht.
Im Grunde wollen wir verschiedene Genres abdecken. Das geht vom einfachen Mercury-Spiel, über Rollenspiele, einfache Verfolgungsjagden, bis zum Wissenspiel, bei dem auch Schulklassen antreten können (…) und wo etwa Stephen Hawkings`»Kurze Geschichte der Zeit« verarbeitet wird.
Der 3D-Effekt kommt nur als zusätzliche Attraktion dazu. Da man in einem Kinosaal natürlich vorwiegend 2D projiziert, werden wir immer dann, wenn die Games zu rasant, sprich schwer für Gehirn und Gemüt konsumierbar sind, von 3D in 2D wechseln können. 3D bietet etwa unser bereits vorliegendes, durch die Presse bekanntes Unterwasserspiel Underwater Spaceworlds 3D, aber auch bei weiteren, in Produktion stehenden Spielen wird es 3D geben: Bei einem Hindernisspiel, das sich Blob 3D nennt und bei dem man sich über verschiedene Parcours bewegt und ebenfalls beim Flirtspiel Samba Party 3D.
In welchem Stadium sind Ihre Kooperationen mit den Partnern AMD, Logitech und DLR?
Es gibt einen Rollout-Plan für 1.500 Kinos für die nächsten 10 Jahre. Mit AMD und Logitech sind Vereinbarungen bezüglich der Zulieferung der Hardware verhandelt. Das sind aber jeweils keine exklusiven Verträge — wir können da auch mit anderen Firmen zusammenarbeiten.
Mit der Firma Iosono, einem Spin-Off des Fraunhofer Instituts unter Prof. Dr. Brandenburg arbeiten wir an der Eingliederung von deren Soundsystem. Iosono ist ein 3D-Soundverfahren das in Echtzeit auf das Bild gerechnet wird für 3D-Anwendungen in Kinos und Themenparks. Ein Konkurrenzverfahren zu Sony Emotion.
Gleichzeitig arbeiten wir permanent an der Entwicklung einer 3D-Brille. Wir werden zwar mit einer klassischen Shutter-Brille starten, aber im Rahmen einer Kooperation mit der DLR werden wir die Brille immer besser und verträglicher auf unser System anpassen. Prof. Dr. Hirzinger vom DLR-Institute of Robotics and Mechatronics ist bei uns als Beirat an Bord.
Die nächsten Schritte? Es wurde geschrieben, dass Sie mit der Cinestar-Gruppe im Gespräch seien.
Im Gespräch ja. Im Gespräch sind wir aber auch mit Anderen. Wir werden in Kürze festlegen, wo wir in Deutschland die erste Spielstätte haben werden. Wir haben viele Anfragen von Kunden, die mit in das System wollen und mit in die Belieferung mit Inhalten — da werden wir jetzt einfach auf den Punkt kommen müssen. Ein Theater in Las Vegas — den Namen können wir noch nicht nennen — ist in der Entscheidungsphase, um in ein 400-Personen-Kino unser System einzubauen, als Erstanwendung in USA. Das würde dann ab Juni 2009 zur bereits fixierten Eröffnung fertig sein.
Unsere Spiele, die gerade in der Produktion sind, werden zwischen Februar und April 2009 fertig.
Das in der Presse erwähnte U-Boot-Spiel wird als PR-Version zur Berlinale 2009 fertig. Da sind wir gerade dabei eine Location abzuschließen, für eine Aufführung parallel oder im Programm der Berlinale, die dann an den zehn Berlinale-Tagen mehrmals aufgeführt werden kann. Erste Show-Cases hatten wir bereits auf der Games Convention im Sommer in Leipzig.
In Berlin haben wir einen Showroom in Berlin Mitte und alternativ nutzbar in Frankfurt, in dem wir Präsentationen für Kunden machen. Dort werden permanent Präsentationen für Kunden und auch für die Medien stattfinden.