ProSiebenSat.1 Produktion baut mit IBM bandloses Archiv auf
Die Techniksparte von ProSiebenSat.1, die P7S1 Produktion, baut gemeinsam mit IBM ein bandloses Archiv auf, das die Verwertung von Programminhalten auf verschiedenen Plattformen vereinfachen und beschleunigen soll. Hierfür wurde der schon früher geschlossene Outsourcing-Vertrag mit IBM ausgeweitet.
Im April 2008 hatten IBM und ProSiebenSat.1 bekannt gegeben, dass die Unternehmen einen Outsourcing-Vertrag geschlossen haben, auf dessen Basis IBM alle IT-Business-Applikationen, sowie die IT- und Mediensysteme der P7S1 Produktion übernehmen und ausbauen werde (siehe frühere Meldung hierzu). Bestandteil des Vertrags ist nach Firmenangaben unter anderem, dass im ersten Quartal 2009 rund 170 Mitarbeiter von der P7S1 Produktion zu IBM wechseln sollen.
Nun gaben IBM und die P7S1 Produktion bekannt, dass sie zudem gemeinsam ein zentrales bandloses Archiv für den Medienkonzern aufbauen wollen. Einen entsprechenden Vertrag über rund vier Millionen Euro haben die beiden Unternehmen laut einer gemeinsamen Pressemitteilung im August 2008 unterzeichnet. Damit weitet die P7S1 Produktion den mit IBM geschlossenen Outsourcing-Vertrag aus, der auf zehn Jahre angelegt ist und 200 Millionen Euro Volumen umfasst.
Anders als beim Outsourcing-Vertrag, der so etwas wie die »kleine Lösung« des ursprünglich von ProSiebenSat.1 angestrebten kompletten Verkaufs der Techniksparte darstellt, geht es bei dem neuen Auftrag um ein konkretes Projekt: Der jüngste Auftrag an IBM umfasst das Design und die Implementierung eines neuen bandlosen Archivs, des ProSiebenSat.1-Materialpools.
ProSiebenSat.1-Materialpool: umfassendes bandloses Archiv
Im Materialpool soll langfristig das gesamte Bewegtbildmaterial der Sendergruppe bandlos, also in Form von Files, bereitgehalten werden. »Wir ersetzen sukzessive Bänder durch Dateien. Künftig können Mitarbeiter von verschiedenen Tochterfirmen und an verschiedenen Standorten gleichzeitig auf dasselbe Material zugreifen, es sichten und bearbeiten. Technische Qualitätskontrollen laufen weitgehend automatisiert ab«, erläutert Dr. Martin Emele, Geschäftsführer der P7S1 Produktion. »Dadurch werden unsere Arbeitsabläufe schneller und günstiger«.
Dr. Niko Waesche, IBM Relationship Manager für ProSiebenSat.1, ergänzt: »Durch den Materialpool entsteht in Unterföhring eines der modernsten bandlosen Fernseh-Produktionssysteme in Europa, das sich besonders durch hohe Flexibilität auszeichnet.«
Die Programminhalte des Medienkonzerns sollen so zukünftig früher für die Verwertung auf den verschiedenen Plattformen zur Verfügung stehen. Neben dem klassischen Fernsehen sollen auch Verbreitungswege wie Video on Demand, IP-TV oder Handy-TV von dem file-basierten Materialpool profitieren.
Besonderes Augenmerk soll auf der Vermeidung von doppelter Datenhaltung liegen, Inhalte sollen für verschiedene Vertriebswege nicht mehr kopiert, sondern jeweils direkt aus dem identischen File generiert werden. Zur Verwaltung von Videomaterial in Low-Res und Hi-Res soll das Produkt Ardome von Vizrt zum Einsatz kommen.
Die komplette Integration des bandlosen Archivs in die bestehenden Systeme der Sendergruppe garantiert laut Pressemitteilung der Partner IBM: So soll ein automatischer Datenaustausch beispielsweise mit den Sendeplanungs- und Rechtemanagement-Systemen von ProSiebenSat.1 erfolgen. Das System soll unterschiedliche Bildformate und Auflösungen bis HD unterstützen.
Sukzessiver Aufbau des Materialpools ab Frühjahr 2009 geplant
Das bandlose Archiv soll ab Frühjahr 2009 sukzessive aufgebaut werden. Es soll Anforderungen an die standortübergreifende, auch internationale Zusammenarbeit innerhalb der ProSiebenSat.1-Gruppe berücksichtigen und erweiterbar sein. Über anpassbare Schnittstellen zu anderen Systemen sollen Flexibilität und Zukunftssicherheit garantiert werden. Der Materialpool ist neben einer Multichannel-Sendeabwicklung die zweite Säule des neuen, bandlosen Playout- Centers, das die P7S1 Produktion im Frühjahr 2009 am Hauptsitz des Unternehmens in München-Unterföhring in Betrieb nehmen will.
Playout-Center soll schon früher in Betrieb gehen
Der Aufbau des neuen Playout-Centers in Unterföhring ist schon länger geplant und Teil des Outsourcing-Vertrags zwischen IBM und der Sendergruppe. Alle TV-Kanäle des Unternehmens sollen künftig über die zentralen europaweiten Playout-Center in München und London-Chiswick ausgestrahlt werden. Durch die Kooperation mit IBM und die Effizienzsteigerung durch eine vollständig digitale Plattform erwartet die Gruppe Einsparungen von rund 50 Millionen Euro in den kommenden zehn Jahren.
IBM hat sich nach Angaben der beteiligten Unternehmen in dem Outsourcing-Vertrag auch dazu verpflichtet, im Laufe der nächsten Jahre ein »Broadcast Integration Center« zu etablieren und die Standardisierung von Prozessen und Geschäftsanwendungen für Medienunternehmen vorantreiben. Dieses anspruchsvolle Thema hat sich auch bei von anderen Unternehmen realisierten Installationen, wie etwa dem Sendezentrum Freimann des Bayerischen Rundfunks, schon als Knackpunkt erwiesen. Nun will IBM offenbar mit dem Projekt in Unterföhring diese Mammutaufgabe angehen: Die Verbindung, die IBM zwischen bandlosem Playout und bandlosem Materialpool bei gleichzeitiger Einbindung in bestehende Strukturen realisieren will, wird bisher in der Branche als gordischer Knoten mit höchster Komplexität betrachtet.