Kampf um Augäpfel: nächste Runde
Dass die anstehende Fußball-Europameisterschaft für Vorfreude, Patriotismus und große Gefühle sorgt, das ist mittlerweile unübersehbar: Fahnen, Vorberichte, Fußball-Terminologie, Sonderpublikationen allerorten. Für ARD und ZDF steht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Quotenfest an, über dessen Dauer die Leistung der deutschen Nationalelf mitentscheidet.
Und die anderen? Die schauen in die Röhre. Und das betrifft keineswegs nur die konkurrierenden Sender, sondern auch andere Wirtschaftsbereiche: So rechnen etwa die Kinos und die Filmverleiher mit einem traurigen, ertragsschwachen Sommer, weil nach der Fußball-EM auch noch die Olympischen Spiele anstehen. Und wer will dann schon einen Film in diesem verlängerten Sommerloch anlaufen lassen? So befeuert sich dieser Teufelskreis zusätzlich selbst.
Ebenfalls betroffen: Alle Zuschauer, die sich für Fußball nicht interessieren. Es lohnt sich nämlich für die anderen Sender nicht, interessantes, hochwertiges, neues Programm zu verheizen, wenn bei den Öffentlich-Rechtlichen Fußball übertragen wird. Und im Kino läuft ja, wie schon angesprochen, in den kommenden Wochen und Monaten nur wenig gute neue Ware an. Da bleibt dem Nicht-Fußballfan nur der Griff zur Konserve: DVD und Internet sind hier mittlerweile die bevorzugten Quellen.
Immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene nutzen ohnehin laut neuesten Studien (etwa von Accenture), lieber On-Demand-Angebote im Internet, um sich zu informieren und zu unterhalten. Diese Zuschauergruppe ruft also Videos dann ab, wenn sie dazu Lust und Zeit hat, und nicht dann, wenn die Programme gesendet werden. Kein Wunder also, dass im Programm praktisch aller TV-Sender auch massiv die jeweiligen Internet-Präsenzen und Online-Video-Bibliotheken beworben werden.
Ausgenommen von der On-Demand-Affinität der Jungen sind aber ganz sicher die Übertragungen großer Live-Sportereignisse. Damit kommt diesem Programmtyp sicher in der Zukunft eine noch größere Bedeutung zu.
Der Kampf konkurrierender Medien um Aufmerksamkeit ist dabei durchaus ein Thema mit Variationen: Als vor wenigen Wochen die neueste Version des Computer-Spiels »Grand Theft Auto« in die Geschäfte kam, prognostizierten Branchenbeobachter — etwa in der Zeitschrift Variety —, dass die Kinoeinnahmen im Sommer noch massiver einbrechen werden als üblich, weil ein Großteil der Zielgruppe männlicher Jugendlicher und junger Männer nun die Abende vor dem Rechner und der Spielkonsole verbringen werde. Praxisnäher kann man den Kampf um die Augäpfel nicht illustrieren und besichtigen: Wer stundenlang vor der Spielkonsole hockt, der sieht in dieser Zeit nicht fern, wer fernsieht, geht nicht ins Kino.
Und noch ein Aspekt im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauer ist interessant und kann während der Fußball-EM ausgiebig besichtigt werden: Mehr Kameras in immer ungewöhnlicheren Positionen, mehr Zeitlupen, mehr grafische Sperenzchen aller Art sollen die Zuschauer fesseln und selbst langweilige Spiele optisch interessant machen. Neben dem Kampf auf dem Rasen, tobt also härter denn je der Kampf um die Augäpfel — mit immer neuen (zukünftigen) Waffen: HD, Stereo-3D, Interaktivität, Mobilität.
Sie werden sehen.