Sterbende Legenden
Wer schon länger in der Branche ist, der hat zwangsläufig schon mehr als einmal gehört, dass eine bestimmte Technologie nun endgültig tot sei und von einer neueren abgelöst werde: Um solcherlei in die Gegend zu trompeten, sind Messen wie die NAB immer ein ganz besonders gern gewählter Ort. Manchmal steckt dahinter aber kaum mehr als Wunschdenken der Anbieter eben jener Technologien. Das kann man etwa an der Renaissance des 16-mm-Films in Deutschland ablesen.
Oft gilt: Totgesagte leben länger — aber irgendwann sterben sie dann doch. So scheint es nun einer Technologie zu gehen, die einst angetreten ist, um dem 16-mm-Film den Garaus zu machen: das Videoband hat ausgedient.
Zwar hat das Videoband tatsächlich den 16-mm-Film aus dem aktuellen TV-Bereich verdrängt und Super-8 interessiert seit dem Aufkommen von Consumer-Camcordern auch nur noch wenige, aber nun geht die Ära des erfolgreichen Videobands selbst unerbittlich zu Ende.
Dass heute fast jedes neue Handy auch ohne Band Videos aufzeichnen kann und jeder bessere Digitalfotoapparat ebenfalls, ist eine Binsenweisheit. Aber während hier meist schlechte Bildqualität mit wenigen Gestaltungsmöglichkeiten und geringem Bedienkomfort einhergeht, sieht das eine Klasse höher schon ganz anders aus: Consumer-Camcorder ohne Band und mit akzeptabler Bildqualität gibt es mittlerweile in reicher Zahl. Das führt etwa dazu, dass Panasonic seine P2-Gerätepalette mit AVCHD-Camcordern, die auf CF-Karte aufnehmen, nach unten abrundet. Und nach oben zielt nun Panasonics zur NAB2008 vorgestellte P2-Varicam, die auch die letzte Band-Domäne in der Palette dieses Herstellers obsolet macht.
Noch früher als Panasonic hat im professionellen Markt Ikegami auf bandlose Technologien gesetzt und die festplattenbasierte Editcam entwickelt. Nun geht der Hersteller gemeinsam mit seinem Anteilseigner Toshiba — wie im Vorjahr angekündigt — den nächsten Schritt: Die GF-CAM nutzt Flash-Speichermedien, um Video in hoher Qualität zu speichern. Sony setzt vorläufig im Profi-Bereich noch schwerpunktmäßig auf die Professional Disc und auf HDCAM-Band, aber auch bei diesem Hersteller hat mit dem PMW-EX1 der Festspeicher Einzug im anspruchsvolleren Profi-Marktsegment gehalten und den jüngsten HDV-Camcordern ist ein CF-Card-Recorder beigepackt. Die Zukunft von Video heißt Flash-Memory: auch bei Sony — wenn dieser Hersteller auch andere, längere Zeiträume prognostiziert als seine Konkurrenten.
Panasonic hat schon vor einer Weile angekündigt, dass ab Herbst 2008 eine P2-Karte mit 64 GB Speicherkapazität auf den Markt kommen soll. Ein Camcorder mit fünf P2-Slots kann damit ohne Kartenwechsel mehr als fünf Stunden Material in HD mit 100 Mbps im AVC-Intra-Format aufzeichnen.
Tapeless Broadcasting: Wird nun also ein Schlagwort, das schon viele Jahre kursiert, langsam aber sicher Wahrheit — über einige Pilotinstallationen hinaus? In der Camcorder-Technik sieht es ganz so aus. Aber nicht nur in der Akquisition mit Camcordern ist das Totenglöckchen für das Videoband zu hören. Was einst mit dem Einsatz von Videoservern begann, strahlt nun in alle Richtungen ab: Auch in der Archivierung geht der Trend ganz klar weg von der Videokassette, wenn auch nicht unbedingt ganz weg vom Band: Daten-Bänder wird es wohl noch länger geben, aber das sind eben keine Videobänder und es werden auch keine Videosignale im engeren Sinn damit aufgezeichnet.
Sicher, es gibt Menschen, die hören noch Vinyl-Schallplatten und fotografieren auf Diafilm — und sie sollen das auch weiter machen, solange sie das wollen. Die Zahl der Kinder unter zehn Jahren, die noch wissen, was VHS-Kassetten sind, dürfte aber schon relativ gering sein. Der Großteil der Karawane ist eben weiter gezogen.
Und so ist der Weg des Videobandes vorgezeichnet: Selbst dort, wo derzeit noch HDCAM SR als leistungsfähiger und praktischer Datenträger genutzt wird — durchaus mit unbestreitbaren Vorteilen — tun sich Alternativen auf. Und Film gibt es ja auch noch.
Somit ist die Prognose keinesfalls gewagt, dass Videobänder in fünf Jahren während der NAB keine große Rolle mehr spielen werden.
Sie werden sehen.