Report, Top-Story, Trend, Veranstaltung: 28.02.2008

Red-Kamera-Workshop bei Ludwig Kameraverleih

Martin Ludwig gehörte zu den Ersten in Deutschland, die gleich mehrere Red-Kameras vorbestellt hatten. Jetzt hat Red Digital Cinema fünf 4K-Digital-Kameras an Ludwig ausgeliefert. In einem aufwändigen, einwöchigen Workshop haben Kameraleute, Assistenten und Produktionsexperten die Red-Kameras auf Herz und Nieren getestet: ein Resümee als Artikel und als Flash-Video.

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Workshop-Inhalte

Eine Woche lang haben rund 40 Kameraleute, Assistenten, Produktionsexperten und weitere Interessierte fünf Red-One-Kameras getestet, die der Hersteller Red Digital Cinema an den Ludwig Kameraverleih ausgeliefert hat. Die Teilnehmer des hochkarätig besetzten Workshops kamen aus den Bereichen Werbung, Spielfilm, TV-Serienproduktion, Industriefilm und Independent-Produktion.

Während des Workshops teilten sich die Teilnehmer in fünf Gruppen auf, die zunächst Testaufnahmen ganz unterschiedlicher Motive produzierten: Eine Gruppe drehte Außenaufnahmen bei Sonne und Schnee in den Bergen, eine andere war in München unterwegs und drehte unter anderem auch Nachtaufnahmen. Andere Teilnehmer machten Testaufnahmen mit Innensets und mit Testcharts, wobei sich eine Gruppe intensiv mit Fragen rund um das Thema Objektive beschäftigte, eine weitere die unterschiedlichen Auflösungen der Kamera testete und eine dritte typische Studiomotive drehte, darunter auch Greenscreen-Szenen. Aufgezeichnet wurde — bis auf die Zeitlupenaufnahmen (2K) — generell in 4K-Auflösung auf CompactFlash-Karten. Mit den fünf Kameras wurden Optimo-, Cooke-, Ultra Prime- und Zeiss-Highspeed-Objektive genutzt.

Martin Ludwig berichtet: »Wir machten bei dem Workshop letztlich keine Vorgaben, die Teilnehmer einigten sich selber, was sie testen und welche Bereiche sie besonders unter die Lupe nehmen wollten. Diese Vorgehensweise hat sich bewährt, die Teilnehmer waren damit sehr zufrieden und konnten so Antworten auf ihre ganz persönlichen Fragen finden.«

Nach einer Einführung am Montag wurden die Gruppen gebildet, am Dienstag war der erste Drehtag, am Mittwoch gab es dann einen ersten Erfahrungsaustausch und weitere Dreharbeiten. Am Donnerstag stand die Postproduction im Zentrum, bei der Systeme von Assimilate (Scratch), Avid (Nitris DS) und Iridas (Speedgrade DI) sowie die Red-Cine-Software zum Einsatz kamen. Außerdem wurden am Donnerstag Teile des gedrehten Materials auf Film belichtet. Am Freitag stand dann die Vorführung des digitalen und des ausbelichteten Materials in einem Kino auf dem Programm.

Stimmen zur Kamera

Die Test-Kameras arbeiteten mit der Software-Version 12 und befanden sich noch im Beta-Stadium, so Martin Ludwig. Aus diesem Grund könne man sich letztlich zwar kein abschließendes Urteil erlauben, aber dennoch ein erstes Resümee ziehen. Das fällt für Martin Ludwig eindeutig positiv aus. Auch wenn die Bauform der Kamera nicht jedermanns Sache sei und sicher noch etliche Punkte an der Kamera verbessert werden müssten, glaubt Ludwig, dass sich die Kamera ihren Platz im Verleihgeschäft erobern wird. Im Lauf der Zeit wird sich aus Ludwigs Sicht mit weiterem Zubehör der bisher noch »rohe« Status der Kamera weiter verbessern. Manche Aspekte fanden die Workshop-Teilnehmer und auch der Kameraeigentümer Ludwig noch nicht praxisgerecht, so etwa, dass es für die Anschlüsse der Kamera keine Abdeckung gibt. Einige mechanische Verbesserungen und Ergänzungen können aus Ludwigs Sicht künftig das Handling optimieren.

Die Bildqualität der Kamera fand die Mehrzahl der Workshop-Teilnehmer überraschend gut, lediglich beim Thema Bildrauschen war größere Kritik zu hören, aber verbunden mit dem Hinweis, dass sich die Rauschprobleme in der Postproduction erstaunlich leicht und gut beheben ließen. Besonders positiv hoben viele Workshop-Teilnehmer, mit denen film-tv-video.de sprach, die Fähigkeiten der Kamera bei den Greenscreen-Aufnahmen hervor. Selbst feinste Details und besonders Haare konnten demnach beim mit der Red One aufgezeichneten Material in der Postproduction sehr gut gestanzt werden. Als weiteres großes Plus wird die Zeitlupenfähigkeit der Kamera gewertet: Demnach sind derzeit Bildraten von bis zu 98 Bildern pro Sekunde möglich. Natürlich ist die gute Bildqualität generell ein großes Thema, und die Mehrzahl der Kameraleute war sich einig darin, dass der Look der Red-Kamera durchaus überzeugen kann und vielleicht auch das Zeug dazu hat, HDCAM etwa bei TV-Einsätzen zu verdrängen. Viele der Teilnehmer siedelten den Look der Red-Kamera irgendwo zwischen 35-mm-Film und HDCAM an, wobei die Nähe zum Film größer sei, als die zu Video.

Limitationen beim Einsatz der Kamera sahen die meisten Anwender dementsprechend auch weniger in der Bildqualität, als im Workflow: das Daten-Handling beim Drehen und die Weiterverarbeitung der Aufnahmen werden derzeit von etlichen Workshop-Teilnehmern skeptisch betrachtet.

Als Anwendungsbereiche sahen die meisten Workshop-Teilnehmer den Bereich Independent Film, sozusagen als bessere Alternative für alles, was derzeit mit Filmlook-Objektiv-Adaptern gedreht wird. Auch als 16-mm-Ersatz wird die Red One gesehen. Den Einsatz in Werbung und Industriefilm halten ebenfalls etliche Teilnehmer des Workshops für sinnvoll und realistisch. Wo immer Greenscreen zum Einsatz kommt und eine effektlastige Postproduction geplant ist, könne die Red One ihre Vorteile ausspielen, resümierten viele Teilnehmer.

Zur mechanischen Ausführung der Kamera und zum Body hatten die Kameraleute und Assistenten etliche Anmerkungen. Ein kurzes, wenn auch vielleicht etwas plakatives Statement zu Bauart und Design der Kamera lautete: »Die Kamera ist gut, aber jetzt müsste sie noch jemand, der wirklich Ahnung und Erfahrung hat, überarbeiten und optimieren — beispielsweise Panavision«. Die Kameraleute wünschten sich unter anderem, dass das Gehäuse generell etwas robuster sein könnte und dass es Abdeckungen für die offenen Buchsen und Anschlüsse geben sollte. Als störend empfanden einige aus dem Testteam auch den sehr lauten Lüfter der Kamera, der sich zuschaltet, wenn der Prozessor gekühlt werden muss. Weiter fehlen bisweilen auch noch Anbindungen an gängiges Zubehör, etwa an die Akkusysteme anderer Hersteller — beim Einsatz von Fremdakkus funktioniert die Kommunikation mit der Red One noch nicht.

Ein Kritikpunkt: Derzeit ist kein Monitoring des Kamerabildes in höchster Auflösung möglich, was während des Tests prompt dazu geführt habe, dass etliche unscharfe Szenen gedreht wurden. Die einhellige Meinung lautete hier, dass es bald eine Möglichkeit geben müsse, einen Monitor anschließen zu können, der auch tatsächlich die hohe Auflösung der Kamera darstellen kann. Martin Ludwig meint dazu, dass man mit der Red One somit zumindest derzeit so arbeiten müsse, wie man es eben vom Film her gewohnt sei: Dort müsse man sich auch damit arrangieren, dass man beim Drehen nicht sehen könne, wie das finale Bild aussieht — und dort klappt das schon seit vielen Jahren ganz hervorragend. Allerdings gibt es an der Red One keinen optischen Sucher, mit dem Filmkameras eben punkten können, besonders auch, wenn es um das Fokussieren geht.

Ein wichtiges Thema bei den Testdrehs war die Zuverlässigkeit der Kamera. Martin Ludwig sagt, dass es in den fünf Tagen des Workshops keine nennenswerten Ausfälle gegeben habe. Allerdings traten vereinzelt Fälle auf, in denen FlashCards nicht mehr lesbar waren, was aber offenbar auf Bedienungsfehler zurückzuführen war. Die fehlende Kommunikation zwischen Fremdakkus und der Red-Kamera führte zu unvorhergesehener Abschaltung der Kamera, auch waren nach einem Neustart die Settings der Kamera verloren gegangen.

Bei der Kamera-Software gibt es aber aus Sicht der Kameraleute noch etliche Schwachpunkte zu lösen. Ein Beispiel dafür ist die »Lens-Shading«-Funktion: Die kann im Menü relativ leicht versehentlich ausgelöst werden, dann beginnt ein Prozess der über mehrere Minuten läuft und sich nicht unterbrechen lässt. In der Regel läuft das versehentlich ausgelöste Shading dann zudem unter inkorrekten Bedingungen ab (etwa ohne Objektivdeckel) und muss anschließend noch einmal wiederholt werden. So kann es zu ungewünschten Drehpausen kommen. Dieses Problem lässt sich aber in der Software der Kamera sicher leicht lösen.

Weiter bietet die Red One beispielsweise die Option, Einstellungen individuell anzupassen, was positiv ist. Diese Setups lassen sich derzeit allerdings nicht auf einem externen Medium speichern und können beim Reboot der Kamera auch verloren gehen. Kritisiert wurden auch Tastenfeld und Display an der Rückseite der Kamera: Unter schlechten Lichtverhältnissen fanden einige Nutzer die Bedienung sehr erschwert. Immerhin ist das Laden von Software-Updates bei der Red One simpel: das geht über eine CF-Card.

Workflows für die Postproduktion

Wie wird das mit der Red-Kamera aufgezeichnete Material weiterverarbeitet? Die Workshop-Teilnehmer konnten sich dazu mehrere mögliche Workflows an verschiedenen Systemen ansehen. Generell speichert die Red-Kamera wavelet-komprimierte Daten als »R3D«-Files, die sich mit der Software Red Cine sowie mit Scratch und SpeedGrade DI direkt lesen und wiedergeben lassen. Während des Workshops kristallisierte sich sich allerdings relativ schnell heraus, dass es problematisch ist, dass Red sein File-Format bisher nicht oder nur gegenüber einigen wenigen Herstellern offen gelegt hat. Das bedeutet im Klartext, dass noch nicht alle gängigen Editing-Systeme direkt mit den R3D-Files der Red-Kameras arbeiten können. Lediglich für Apples Final Cut Pro sowie für das hierzulande eher unbekannte System Scratch von Assimilate gibt es direkte Editing-Anbindungen, mit Speedgrade gibt es eine Grading-Lösung. Für Final Cut Pro gibt es ein Plug-In, das es erlaubt, mit Hilfe der Quicktime-Reference-Files direkt zu schneiden. Für Scratch bietet Red den »RedNode« an, der dafür sorgt, dass man mit Scratch die Redcode-Files direkt nativ bearbeiten kann. Außer diesen Softwares stehen nur die Red-Softwares Red Cine und Red Alert zur Verfügung. Mit Red Cine lassen sich R3D-Files öffnen, einer ersten Belichtungskorrektur unterziehen und in unterschiedlichen Formaten ausgeben. Mit Red Alert ist es möglich, R3D-Files in puncto Weißabgleich oder auch Kontrast zu korrigieren und das Material dann als DPX, TIFF oder Quicktime-Reference-Movies zu exportieren. Red Alert ist also die Brücke zu anderen Postproduction-Systemen.

Die weit verbreiteten Schnittsysteme von Avid müssen derzeit noch mit diesem wenig eleganten Workaround arbeiten: Die R3D-Files müssen in DPX-Files gewandelt und daraus niedriger aufgelöste Editing-Kopien generiert werden, mit denen dann geschnitten wird.

Projektion / Ausbelichtung

Das Material für die Ausbelichtung auf 35-mm-Film wurde keinem Grading unterzogen und auch nicht speziell für die Filmkopie optimiert, so dass etliche der Teilnehmer von der Projektion dieses Materials eher enttäuscht waren. Letztlich ist es bei einem Test dieser Art allerdings auch nicht sinnvoll, die Testsequenzen per Grading zu optimieren, denn im Test sollte ja der »Originalzustand« des Materials beurteilt werden. Hier wird es wohl noch einige weitere Tests brauchen, bis aussagekräftige Schlüsse gezogen werden können.

Und jetzt?

Auch wenn viele der Workshop-Teilnehmer die Red-Kamera derzeit noch nicht bei einer zeitkritischen Produktion einsetzen würden, ist dennoch absehbar, dass die Kamera ihren Weg gehen wird — auch wenn noch etliche Anpassungen, Verbesserungen und Optimierungen nötig sind. Vielleicht ist es auch so: Viele hatten gar nicht mehr daran geglaubt, dass es Red schaffen wird, eine Kamera zu bauen, die tatsächlich Bilder macht — und sind jetzt angenehm überrascht, dass der Hersteller zumindest dieses Etappenziel erreicht hat. Jetzt geht es noch an die Fleißarbeit, um aus der Kamera ein wirklich professionelles Werkzeug zu machen. Und das braucht ja bekanntlich auch etwas Zeit.

Der Ludwig Kameraverleih bietet die Red aktuell in einem Grund-Setup inklusive Monitor und etwas Zubehör zum Tagesmietpreis von 650 Euro an. In Kürze soll auch in Berlin ein Red-Workshop stattfinden, in Kooperation von Ludwig Kameraverleih, Berliner Union Film und PostFactory, die ja eine HD-Allianz geformt haben (siehe Meldung).

Weitere Infos

In Deutschland verfügt auch die Frankfurter Produktionsfirma Magna Mana über eine eigene Red One und hat damit schon eine Trailer-Produktion durchgeführt. Weitere Infos dazu finden Sie hier.

Der US-Kameramann Michael Morlan (www.michael-morlan.net) hat eine Workflow-Grafik für das Arbeiten mit der Red One erstellt, die film-tv-video.de diesem Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors anfügt. Die Grafik bildet mögliche Arbeitsabläufe ab und steht als PDF-Download zur Verfügung.

Downloads zum Artikel:

B_0208_Red_Workflow.pdf