Neue HD-Allianz in Berlin: Die Haupstadt als HD-Standort nach vorne bringen
Die Berliner Union-Film, der Firmenverbund HD Factory und der Ludwig Kameraverleih wollen auf dem Studiogelände der Berlin Union-Film, einem Traditionsstandort in der Oberlandstraße, den Weg für mehr HD ebnen: vom Dreh bis zum Kino. Zu diesem Zweck formten sie nun eine Firmenallianz.
HD ist der Auslöser, der Rückstand gegenüber Hürth und Unterföhring der Anlass für die nun geschlossene »strategische Allianz« der genannten Firmen, die Berlin/Babelsberg beim Thema hochauflösender Produktion für TV und Kino nach vorne bringen soll. Dabei tun sich alteingesessene Unternehmen und Neuberliner zusammen und wollen ihre Firmen unter einem Dach in enger Kooperation vereinen. Die Firmenschwerpunkte ergänzen sich, aber in Teilbereichen gibt es durchaus auch Überlappungen — gemeinsam soll es aber gelingen, HD auch im Berliner Markt weiter zu etablieren.
Direkt oder indirekt beteiligt sind Berliner Union-Film, PostFactory, Media Factory Berlin, TeleFactory Babelsberg und Ludwig Kameraverleih. Gemeinsam wollen sie auf dem Studiogelände der Berlin Union-Film an der Oberlandstraße in einer Kooperation alle Dienstleistungen für die Film- und TV-Produktion anbieten: vom Art-Department bis VFX, von der Super-16-Kamera bis zur digitalen 4K-Aufnahme, von der Negativentwicklung bis zum Digital Intermediate, vom Scanning bis zur Ausbelichtung, von der Synchronisierung bis zur Mischung.
Hintergrund
Um zu verstehen, wer genau da kooperieren will, welches Gewicht die neue Allianz hat sowie welche Chancen und Risiken sich eventuell darin verbinden, ist ein tieferer Blick auf die Beteiligten unerlässlich, auch wenn das wegen der etwas verschachtelten Verhältnisse und der vielen verschiedenen »Factorys« durchaus ein wenig verwirrend sein kann.
Kern und Kristallisationspunkt der neuen Allianz ist die HD Factory. In diesem neugegründeten Unternehmen haben sich die Postfactory GmbH und die Media Factory zusammengefunden. Die Partnerunternehmen, die zusammen die HD Factory gegründet haben, verfügen jeweils schon über umfangreiches Equipment für die Film- und TV-Produktion. Sie wollen aber in einem ersten Schritt mit weiteren Investitionen das Angebot im HD-Bereich ausbauen: hochwertiges Filmrecording und server-basiertes HD-Editing, sowie vernetzte VFX-Arbeitsplätze stehen nach Firmenangaben hierbei im Fokus.
Geschäftsführer von HD-Factory sind Karl-Heinz Dohms und Jens Theo Müller. Diese beiden sind jeweils schon Multi-Unternehmer und leiten jeweils mehrere verschiedene Firmen in der Film- und TV-Branche.
Bei Karl-Heinz Dohms sind das mehrere der Firmen, die in der Media Factory Berlin verbunden sind. Die Media Factory sitzt nur ein paar hundert Meter vom Union-Film-Studiogelände entfernt, sie besteht aus fünf Firmen mit unterschiedlichen Leistungsspektren — von der Negativentwicklung und Farbkorrektur über Sound-Design und Synchronisation bis zum Compositing und Encoding.
Jens Theo Müller leitet die TeleFactory Babelsberg (vollständige Firmenbezeichnung: TeleFactory Babelsberg Weidt u. Müller GbR). Die sitzt im dritten Stock des Babelsberger FX.Centers und realisiert für ihre Kunden Magazinsendungen, TV-Movies und Spielfilme, Werbung, Musikvideos, DVD-Produktionen, Imagefilme und Konzertaufzeichnungen. Eine Tochterfirma von TeleFactory ist die PostFactory GmbH in Berlin-Kreuzberg mit dem Schwerpunkt Postproduktion. PostFactory hat vor Jahren die Postproduction-Abteilung des insolventen Berliner DoRo-Ablegers übernommen. 80 Prozent ihres Umsatzes erzielen diese beiden Unternehmen nach Angaben von Jens Theo Müller im Bereich HD-Bearbeitung. Mit Progressive Pictures (vollständige Firmenbezeichnung: Progressive Pictures Müller, Puszkar, Rammler GbR), ist Müller auch im Verleih von Aufnahme-Equipment aktiv.
Die HD Factory wird, kündigte Jens Theao Müller zur Gründung der Firmenallinaz auf dem Union-Film-Gelände konkret an, High-Tech-Gerät für On- und Offline-Schnitt, Postproduktion, Effektbearbeitung und 3D-Animation an den neuen Standort bringen. Ein auf Clipster von DVS gestütztes Netzwerk soll dafür eingerichtet werden. Jens Theo Müller und Karl-Heinz Dohms wollen zugleich Lücken in ihren jeweiligen Portfolios schließen: HD Factory bekommt Equipment zur Ausbelichtung digitaler Daten mit Auflösungen bis 6k auf 35-mm-Film. Das System soll auf den nachgeordneten Workflow im Kopierwerk der Media Factory kalibriert werden. Die PostFactory, kündigt deren Mitgeschäftsführer Gunter Puszkar an, bringt zudem erste Erfahrungen bei der Generierung digitaler Kinopakete ein. So kann alternativ zur Filmbelichtung auch nach den DCI-Vorgaben im MXF-Format, mit JPEG2000-Kompression und verschlüsselt ausgespielt werden.
Eine vollständige Neuansiedlung ist die Berlin-Filiale des Ludwig Kameraverleih, der seine dortigen Kunden bisher aus der Münchner Zentrale bediente. Mit der Gründung einer Berliner Niederlassung werden nicht nur 80 Videokameras und eine mobile HD-Regie schneller in der Region verfügbar. Geschäftsführer Martin Ludwig hofft zudem, ab Oktober 2007 die Digitalkamera Red One anbieten zu können. Mit dieser neuen 4K-Kamera aus den USA bläst er zum »Angriff auf 35 mm«. Das muss Allianz-Partner Karl-Heinz Dohms als Geschäftsführer eines Kopierwerks anders sehen: Er erwartet, dass der Film überleben wird, setzt aber ebenfalls auf das hohe Synergiepotenzial der Beteiligten.
Alles aus einer Hand
Synergien in Technik, Logistik und Knowhow, wie sie von den beteiligten Unternehmen erhofft werden, sind angesichts der knappen Budgets immer wichtiger für die Produzenten, erläuterte Helge Jürgens, Geschäftsführer der Berliner Union-Film. An der Oberlandstraße soll den Produzenten dementsprechend nun ein Vollservice für alle Drehformate und über die gesamte Produktionskette aus einer Hand angeboten werden. Das werde über die Technik hinausgehen, ergänzt Jens Theo Müller. Spezialisten wie der Berliner VFX-Berater Manfred Büttner (»Oliver Twist«) und der Israeli Solo Avital (»Afrika, mon amour«) sollen ihr Knowhow als Berater und Koordinatoren zur Verfügung stellen.
Die Berliner Studios an der Oberlandstraße stehen auch für 90 Jahre Film- und TV-Geschichte. Die fünf Studiohallen zeigen heute noch das alte Logo der UFA. Fürs Fernsehen wurde dort »Disco« mit Ilja Richter aufgezeichnet, zu den jüngeren Produktionen zählen die »Kurt Krömer-Show« des RBB, Serien wie »Alle lieben Jimmy« (RTL) und der Zweiteiler »Hafen der Hoffnung – Die letzte Fahrt der Wilhelm Gustloff« des Regisseurs Josef Vilsmaier für das ZDF. Mit Zielrichtung TV-Produktion wurden die fünf Studiohallen mit Licht, Regien und Bühnentechnik nach aktuellen Erfordernissen versehen. Der angeschlossene Verleih bietet das komplette Aufnahmezubehör von 35- und 16-mm-Kameras bis zur Stromversorgung an, das ebenso wie die Leistungen des Dekorationsbaus auch für Außendrehs gebucht werden kann.
Mit der Ansiedlung der HD Factory und des Ludwig Kameraverleihs in der geplanten, engen Kooperation, geht die Berliner Union-Film über ihre Ankündigung vom vergangenen Oktober hinaus, eine High-Tech-Postproduktion an den Standort zu holen. Weniger glücklich war man mit einem anderen Projekt: zur Ausbauplanung gehört auch die Errichtung eines Studios mit 2.000 Quadratmetern Fläche. Angesichts des schärferen Wettbewerbs um große Shows und des erwarteten Einbruchs bei den Telenovelas hat der Studio-Eigentümer, das Immobilienunternehmen Becker & Kries, diesen Teil der Planung vorerst auf Eis gelegt.