Broadcast, Top-Story: 08.06.2006

Auf Wachstumskurs

Der TV-Dienstleister TVN ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen und gehört nicht nur am Hauptsitz in Hannover zu den festen Mediengrößen, sondern auch an den weiteren Standorten Bremen, Frankfurt/ Main, Kiel, Wolfsburg und Leipzig. Unter anderem hat TVN auch mehrere Ü-Wagen im Betrieb, die überwiegend im Sportbereich und im Unterhaltungssektor eingesetzt werden. Der jüngste, in HD ausgeführte Ü-Wagen wird auch im Rahmen der WM zum Einsatz kommen — für den langjährigen TVN-Kunden Premiere und für die japanischen TV Sender Fuji TV und Nippon TV. So wird etwa mit dem TVN-HD-Wagen das Eröffnungsspiel der WM in München für Premiere produziert. (PDF-Download im druckfreundlichen Layout mit mehr Bildern und weiteren Infos am Ende des Online-Artikels.)

»Wir sehen uns als Premium-Dienstleister in der mobilen TV-Produktion. Die Investition in ein HD-Fahrzeug war für uns deshalb keine Frage, sondern eine folgerichtige Entscheidung, die zu unserem HD-Gesamtkonzept passt«, erläutert Frank Hähnel, Geschäftsführer bei TVN. Der rührige Manager ergänzt, dass es in einem Umfeld der Globalisierung ohnehin keine andere Möglichkeit gebe: »Man muss einfach investieren, sonst verfallen Sie als Dienstleister in die Zweitklassigkeit.« Wer keinen HD-Ü-Wagen habe, der sei nicht an der Spitze der technischen Entwicklung und werde schon in Kürze von den besten Aufträgen abgeschnitten sein, so Hähnel.

TVN hat sich daher schon frühzeitig für den Bau eines HD-Fahrzeugs entschieden und im September vergangenen Jahres einen Deal mit dem Hauptpartner Sony ganz offiziell besiegelt. Die Weichenstellung für den Sony-Großauftrag fand allerdings bereits im April bei der NAB2005 in Las Vegas statt. Während der Messe im April hatten Sony und TVN demnach die Rahmenbedingungen ihrer zukünftigen Zusammenarbeit festgelegt, auf dessen Basis TVN seine bestehende mobile und stationäre Produktionslandschaft sukzessive um das HD-Format erweitern will. Nach dem Großauftrag für den Ü3HD sollen bis Ende 2008 noch weitere Investitionsschritte folgen. Natürlich sei auch Grass Valley mit im Rennen gewesen, aber letztlich habe man mit diesem Hersteller, der immerhin die Kameras und anderes Equipment für die beiden bestehenden SD-Ü-Wagen von TVN geliefert hat, »nicht ausreichend gemeinsame Interessen« finden können, so Frank Hähnel.

Der neue TVN-Ü-Wagen ist für maximal 24 HD-Kameras ausgelegt und soll sich für die hochwertige Übertragung aufwändiger Bühnenshows ebenso gut eignen wie für die Berichterstattung von Sportveranstaltungen. Insgesamt umfasste der Auftrag für Sony die HD-Systemkameras des Typs HDC-1500P, einen Multiformat-Videomischer (MVS-8000) sowie einen SD-Videomischer (DVS-9000). Weiter lieferte Sony für den Ü3HD HDCAM– und HDCAM SR-VTRs vom Typ HDW-M2000P und SRW-5500. Dieses Equipment bildet das Herzstück des neuen Ü-Wagens. Bei den Objektiven hat sich TVN für Canon-Optiken entschieden.

Die Karosserie des neuen HD-Fahrzeugs stammt von Mark Pfaff & Co., einem Anbieter von Spezialfahrzeugen – auf den sich übrigens auch Studio Berlin Adlershof beim Bau seines HD-Wagens verlassen hat. Das Konzept für den Ü3HD entwickelte TVN jedoch selbst — in Zusammenarbeit mit der Firma Mirus Broadcast Design aus Berlin.

Im Unterschied zu anderen TV-Dienstleistern hat sich TVN beim Ü3HD für eine Raumaufteilung entschieden, die Frank Hähnel als »Mehr-Regien-Strategie« umschreibt: Sie sieht vor, dass im Hauptwagen zwei weitgehend unabhängige, vollwertige Regien untergebracht sind, wodurch etwa eine SD– und eine HD-Regie parallel im Waagen arbeiten können. Im Rüstwagen kann bei Bedarf eine im Leistungsumfang reduzierte dritte oder gar vierte Regie angebunden werden.

Frank Hähnel sagt voraus, dass im Wettbewerb der Ü-Wagen-Betreiber künftig Aspekte immer wichtiger werden, die von außen betrachtet zunächst gar nicht im Vordergrund stehen: kompetentes Personal, ein flexibles, tragfähiges Audiokonzept und ein leistungsfähiges Intercom-System spielen dabei aus Hähnels Sicht eine weitaus wichtigere Rolle als andere, vielleicht augenfälligere Aspekte.

Deshalb möchte Frank Hähnel den neuen Ü3HD nicht nur auf sein Equipment reduziert wissen: »Ich halte es für viel wichtiger, in unseren Fahrzeugen Personal zu stellen, das weiß, was es tut. Letztlich ist es das, was uns von anderen Anbietern unterscheidet – und deshalb legen wir viel Wert darauf, mit qualifizierten Mitarbeitern zu arbeiten, die vielseitig einsetzbar sind«. Eine Besonderheit bei TVN bestehe unter anderem darin, dass man einen eigenen Operator für die Kommandoanlage einsetze. Hier werde oft gespart, aber gerade beim zentralen Punkt der Kommunikation gehe es als Premium-Dienstleister doch darum, bestmöglichen Service zu bieten, so Hähnel. »Unser Ziel ist es, unseren Kunden einen umfassenden Top-Service zu bieten, der weit über rein technische Aspekte hinausgeht«, fasst Hähnel zusammen.

Technische Infos

Wie alle Ü-Wagen-Dienstleister tat sich auch TVN bei der Frage der Monitore schwer. Schlußendlich entschied man sich für Mischbetrieb und setzt nun Penta-LCDs mit Evertz-Splittern ein, aber auch Sony-HD-Röhrenmonitore. »Wenn man sich die Bilder ansieht, hinkt aus meiner Sicht LCD-Technik immer noch etwas hinterher. Aber ein HD-Röhrenmonitor ist eben auch viel teurer, größer und schwerer als ein LC-Schirm, und schon haben Sie wieder das Dilemma«, erläutert Frank Hähnel.

Die Signale werden im Ü3HD mittels einer Sirius-Kreuzschiene von Pro-Bel verteilt (512 x 512), gesteuert wird der Router mit einem Steuersystem der Firma Broadcast Solutions.

Der Ü3HD von TVN kann als SD- und HD-Übertragungseinheit betrieben werden. Es ist auch Simulcast-Betrieb möglich, also die gleichzeitige Ausgabe eines SD- und eines HD-Signals. Intern läuft der Wagen aber immer als HD-Wagen in 1080i und erst am Ende wird auf Wunsch des jeweiligen Kunden gewandelt: in 720p oder in SD. Bei der Signalwandlung spielen die von Videor Technical gelieferten Twins-Module aus der Synapse-Familie des Herstellers Axon ihre Fähigkeiten in der Signalverarbeitung und -wandlung: Sie verfügen über zwei Kanäle mit gleicher Funktionalität, die sich zusammen oder unabhängig voneinander einsetzen lassen. Auch AD/DA-Konverter mit Frame-Synchronizern, HD-SDI– und andere Video- und Audio-Verteilerverstärker, Audio-Embedder und De-Embedder, HD-Up-Konverter mit Farbkorrektur, HD/SDI-Down-Konverter sowie HD-Multi-Input-Frame-Synchronizer lieferte Videor Technical für den Bau des TVN-Ü-Wagens zu.

»Der neue Ü-Wagen sollte mit Blick auf HDTV so ausgestattet sein, dass er für Formate mit Standardauflösung und High-Definition-Auflösung ohne Signalverluste eingesetzt werden kann. Dafür bot das Synapse-System mit seinen neuen Konverter-Modulen die ideale Lösung,« erklärt Wolfgang Peiss, Leiter Mobile Produktion bei TVN.

Tektronix lieferte für den neuen Ü3HD SD/HD-Rasterizer des Typs WVR7100, WMF700A-Signalmonitore und Multiformat-Signalgeneratoren der Serie TG700. Der WVR7100-Rasterizer erfüllt im Ü3HD eine Doppelaufgabe: Er wird nicht allein im Ü-Wagen, sondern auch im expandierenden TV-Studiosektor von TVN verwendet.

TVN-Geschäftsführer Frank Hähnel urteilt über die Investition in Tektronix-Equipment: »Bei HD spielt der Qualitätsaspekt eine noch wichtigere Rolle als zuvor, sodass wir mit Hochleistungsmesstechnik eine interdisziplinäre und uneingeschränkte Überwachung der Audio- und Videosignale anstreben. Deshalb haben wir uns für den Rasterizer WVR7100 und den Signalmonitor WFM700A entschieden. Wir sehen uns damit auf lange Zeit gut vorbereitet für die wachsenden Anforderungen an erstklassige TV-Produktionen.«

Tektronix merkt an, dass die aktuelle Version des WVR7100 substanziell weiterentwickelt wurde und nun Dolby E sowie Dolby Digital (AC-3) unterstütze. Aufgabe des Signalmonitors WFM700A sei die Betriebsüberwachung mit der Prüfung der Signal- und Programmqualität sowie der Signalpegel- und Signalwegkontrolle. Der Multiformat-Signalgenerator TG700 erzeuge Analog- und Digitalsignale mit hoher Präzision, etwa dreistufige Synchronimpulse und Testsignale für viele TV-Formaten (analog, seriell-digital, digital HD).

Nach der WM

Frank Hähnel macht sich keine Sorgen über die Auslastung des Ü3HD nach der Fußball-WM. Er sieht ausreichendes Potenzial für hochwertige Produktionen im Live-Bereich bei Musik- und Sportveranstaltungen, aber auch in der Aufzeichnung von DVD-Produktionen.

Auf die Frage, ob sich die HD-Produktionspreise an SD angleichen werden, antwortet Hähnel, dass dies der Markt regeln werde. »Schon jetzt liegen die Produktionskosten für HD von unserer Seite nur noch zwischen 10 und 25% über denen einer SD-Produktion«, erläutert Hähnel. Er schränkt aber auch ein, dass es aus seiner Sicht Anbieter am Markt gebe, die »betriebswirtschaftliche Aspekte in ihrem Business leider zu stark vernachlässigen« – eine Entwicklung, die er zwar nicht gut heißen aber auch nicht aufhalten könne. Doch auf lange Sicht, so Hähnel, zahle es sich für alle Seiten nur aus, auf Qualität zu einem entsprechenden Preis zu setzen. Schließlich wolle der Kunde eine problemlose Produktion – und die bekomme er bei TVN. Ein Ü4, so Hähnel, werde dann nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Downloads zum Artikel:

T_WM2006_TVN.pdf

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