Back to the roots
Ralf Drechsler war einer der vier Gründer von Das Werk in Frankfurt. Er erlebte den Aufstieg des Unternehmens, zu dessen kreativem Kernteam er bis vor rund eineinhalb Jahren gehörte. Er erlebte aber auch die kritische Phase nach dem Börsengang und der weltweiten Expansion. Vor eineinhalb Jahren gründete er zusammen mit den Brüdern Frank und Ralf Ott die neue Post-Facility Acht Frankfurt. Das Gründungsteam war und ist sich einig, dass bei Acht einiges anders gemacht werden soll: Acht soll für einen Ebenenwechsel und Erneuerung stehen.
In vielen Aspekten wollte Acht zu den Ursprüngen einer kreativen Postproduction zurückkehren, wo auch die Wurzel des Erfolgs für das Werk lag. Gut 18 Monate nach der Gründung floriert Acht Frankfurt, hat 16 Mitarbeiter, die an interessanten Projekten aus verschiedenen Bereichen arbeiten und steuert auf der Technikseite einen ungewöhnlichen, innovativen Kurs.
In den früheren Reitställen der berittenen Polizei hat das Team von Acht Frankfurt auf zwei Etagen ein wertiges, aber insgesamt sachlich nüchternes Ambiente geschaffen. Konzentration und Aufmerksamkeit liegen auf den Bildern, die hier bearbeitet werden.
»Zunächst hatten wir nur den ersten Stock, nun haben wir das Erdgeschoss noch dazu genommen, weil es einfach zu eng wurde«, erzählt Ralf Drechsler. Das wird deutlich, wenn man die Bearbeitungssysteme aufzählt, die bei Acht Frankfurt in Betrieb sind: Zwei Henrys und ein eQ von Quantel, vier Cyborgs, zwei Avids und das ganz junge Scratch vom neu gegründeten Hersteller Assimilate. Außerdem gibt es noch mehrere, überwiegend Mac-basierte Grafikstationen.
»Unser wichtigstes Ziel bei der Gründung von Acht war, wieder das zu tun, was uns schon immer am meisten Spaß gemacht hat: ungewöhnliche, knifflige, anspruchsvolle kreative Projekte um zu setzen. Deshalb ging es bei Acht von Anfang an auch darum, neue Tools zu suchen und ein zu setzen«, erläutert Ralf Drechsler.
In jeder der Online-Suiten von Acht stehen zwei Systeme, etwa das eQ-System und ein Cyborg oder Henry und Cyborg. Diese Kombination ist aber keineswegs fix, sondern es kann jedes System mit jedem anderen in jeder der Suites betrieben werden. Möglich macht das ein cleveres Technikkonzept: In jeder Suite gibt es eine Anschlussbox, die mit dem zentralen Technikraum verbunden ist, wo der Großteil der Hardware in Racks montiert ist. Die Box ist HD-fähig, bietet die üblichen Audio- und Video-I/Os, Netzwerk-Anschlüsse und Buchsen für Bedienelemente und Displays. So müssen maximal die Bedienelemente und vielleicht noch die Monitore transportiert werden, schon steht die Funktionalität des gewünschten Systems in der gewünschten Suite zur Verfügung.
Meistens ist nicht einmal das notwendig: »Die Kunden bekommen es oft gar nicht mit, wenn ich von einem zum anderen System wechsle. Besonders bei den Cyborgs ist der Switch extrem einfach, leicht und schnell möglich«, berichtet Operator Christoph Zapletal. »Generell ist in der Branche das verteilte, vernetzte Arbeiten im Kommen und bei uns ist das Realität. Es ist absolut keine Seltenheit bei Acht, dass mehrere Workstations einem anderen System zuarbeiten, auf dem ein bestimmter Job gerade überwiegend realisiert wird. Manchmal sitzt dabei ein zweiter Operator mit in der gleichen Suite, manchmal an einem ganz anderen Arbeitsplatz.«
Ralf Drechsler ergänzt: »Früher gab es einen größeren Anteil von Kunden, die waren auf Technik und auf bestimmte Systeme fixiert: Da musste man einfach ein Flame haben, wenn man mit bestimmten Agenturen ins Geschäft kommen und bestimmte Jobs haben wollte. Das hat sich verändert, nur wenige wollen noch unbedingt ein bestimmtes System haben. Im Gegenzug ist die Hardware auch keine Job-Garantie mehr: Man ergattert als Post-Haus nicht mehr automatisch bestimmte Jobs, weil man eben als einziger in der Gegend über ein bestimmtes System verfügt. Nun steht bei den Kunden die Facility und der einzelne Operator im Vordergrund. Die Kunden verlassen sich darauf, dass wir das jeweils am besten passende Tool verwenden, um den Job zu realisieren. Das können sie auch, denn jeder unserer Operator beherrscht mehrere Systeme. Wir arbeiten trotz aller Technik in einem People-Business. Deswegen besteht etwa auch zwischen Acht Frankfurt und Deli Pictures in Hamburg eine lockere Kooperation: Wenn ein Kunde in Hamburg nicht zu uns kommen kann, aber will, dass wir etwas für ihn machen, dann können wir dafür einen Raum bei Deli nutzen. Wir packen bei solchen Gelegenheiten mein Reise-System ein, das ist ein schneller PC, auf dem unter anderem Cyborg installiert ist.«
Spricht man Ralf Drechsler auf die Systeme an, die bei Acht eingesetzt werden und fragt ihn danach, welche Entwicklungen er in der Branche und für das eigene Unternehmen sieht, kommt der kreative Dynamiker schnell in Fahrt: »Für mich ist Cyborg nach wie vor das beste System, ich bin immer noch traurig, dass es 5D nicht mehr gibt. In Cyborg ist alles drin, was ich brauche, damit kann ich schnell und kreativ arbeiten. Unsere Henrys sind dagegen die Arbeitspferde. Für bestimmte Mainstream-Jobs eignen sie sich trotz ihres Alters immer noch optimal: Schnell mal ein paar Logos, Packshots oder Texte eines fertigen Clips austauschen, rasch verschiedene Versionen herstellen, das geht am Henry schnell und problemlos. Um so ärgerlicher ist es, dass Quantel nun mit neuen Service-Verträgen seine treuen Henry-User vor den Kopf stößt und Ersatzteile und Support nur noch bis Ende 2006 garantieren will. eQ war anfangs sehr instabil, hat sich nun aber stabilisiert und ist bei manchem Operator zum Lieblingssystem avanciert. Allerdings ist das System aus meiner Sicht im Grunde zu teuer, besonders, was die Upgrades betrifft.« Dass Drechsler trotz persönlicher Vorlieben auf Systemvielfalt setzt, ist aus seiner Sicht notwendig, um in der heutigen Postproduktionslandschaft bestehen zu können. Nur so verfüge man über die Werkzeuge, die man brauche, um die unterschiedlichen Anforderungen der Kunden erfüllen zu können.
»Derzeit sind wir Beta-Tester für Scratch von Assimilate«, so Drechsler. »Die Geschwindigkeit, mit der Assimilate diese Software weiter entwickelt und mit der die Entwickler auf Anfragen und Feedback von uns Anwendern reagieren, ist phänomenal. Das Ganze läuft auf einer preisgünstigen Rechnerplattform, ist schnell, flexibel und sexy: Ich sehe hier ganz viel Zukunftspotenzial, auch wenn momentan bei Scratch noch vieles fehlt, was ich mir an Funktionalität wünsche. Begeistert bin ich aber schon von den Möglichkeiten im Bereich Farbkorrektur. Faszinierend und ungewöhnlich finde ich bei einem so jungen System, dass ich damit noch keinen einzigen Absturz erlebt habe.«
Schnelligkeit in der Weiterentwicklung und im Reagieren auf die Probleme und Wünsche der Kreativen, ohne dabei Stabilität zu verlieren, das sieht Ralf Drechsler als wichtige Kriterien für den Erfolg eines Software-Herstellers: »Die Tools müssen ständig an den kreativen Prozess angepasst werden, der sich ja auch ständig verändert. Das geht nicht mit trägen, hardware-fixierten Systemen, das geht auch nicht mit geschlossenen Systemen. Ich erwarte von einem zeitgemäßen System, dass die Files offen im Netzwerk für andere Systeme bereit liegen können. Aus meiner Sicht stimmen bei vielen Systemen derzeit Leistung und Preis nicht mehr überein. Discreet und Quantel haben durchaus schöne Systeme, aber die sind im heutigen Umfeld sehr teuer.«
Momentan würden beim großen Teil der Facilities in Europa die bestehenden Systeme so lange ausgenutzt, wie das irgendwie gehe, merkt Drechsler an und schließt seine eigenes Unternehmen mit Blick auf die Henry-Systeme ein. »HD und Multiformat-Betrieb in Echtzeit sind Themen, die letztlich eine neue Generation von Systemen mit neuer Preisstruktur erfordern. Wenn das greift, gibt es einen größeren Umbruch in der Technik bei Post-Facilities. Ich bin gespannt, ob Discreet mit Toxik in diese Richtung geht.«
Sieht Drechsler eine Gefahr in den wachsenden Möglichkeiten und Funktionen, die in immer preisgünstigere Software eingebaut wird? Werden kleine Einzelkämpfer-Unternehmen mit Standard-PCs und Billig-Software den Post-Spezialisten wie Acht das leben schwer machen?
Das verneint er: »Man braucht auch einfach eine gewisse Größe, um unseren Kunden den Service bieten zu können, den sie brauchen.« Das fange bei der leistungsfähigen Espresso-Maschine an, scherzt Drechsler, höre damit aber noch lange nicht auf: »Ein repräsentatives Ambiente ist nach wie vor wichtig, viel wichtiger aber ist, dass man für die Agenturen ein kompetenter Ansprechpartner ist. Die Agenturen und ihre Mitarbeiter stehen nämlich heute ebenfalls unter größerem Druck und dürfen keine Fehler mehr machen: Da lernt man verlässliche Partner zu schätzen. Die Größe ist doppelt wichtig: Wenn ich als Postproduction-Anbieter etwa nur ein System oder eine Suite habe, kann ich die Projekte nicht schnell wechseln, kann nicht rasch und flexibel reagieren: Das Agenturgeschäft ist aber eine schnelle, dynamische Angelegenheit. Wenn man nicht mehrere Mitarbeiter für jeden Aspekt des Betriebs hat, kommt man schnell in Bedrängnis. Dann kommt noch die ganze Infrastruktur dazu: Rechner und Software werden zwar immer billiger, die Video-Peripherie hat aber bei den Preisen noch nicht so stark nachgegeben. Ich muss aber als Post-Haus jederzeit Sichtungs-, Vorführ- und Sendekopien herstellen und ganz generell die verschiedensten Formate verarbeiten können. Ich brauche die Infrastruktur und Logistik, um viele Projekte gleichzeitig verwalten und organisieren zu können. Die Archivierung spielt auch eine Rolle, besonders wenn man Stammkunden hat, für die man öfter mal kleinere Aktualisierungen und Änderungen ausführen muss. Wir bieten das alles und haben deshalb keine Angst vor Hinterhof-One-Man-Shows. Die konkurrieren in der Praxis gar nicht mit uns.«
Konkurrenzdruck ist aber ein wichtiges Stichwort: Wie erlebt Ralf Drechsler die Wettbewerbssituation in der Postproduction-Branche? »Es herrscht massiver Konkurrenzkampf, mit allen Haken und Ösen. Der Markt ist umkämpft, es tobt ein Hieben und Stechen, seit die goldenen Zeiten mit Riesen-Werbebudgets vorbei sind. Wir konnten uns gut behaupten und sind gegen den Trend gewachsen, aber das Geschäft insgesamt und besonders der Kampf um interessante Projekte ist recht brutal geworden.«
In dieser Marktsituation finanziell stabil zu wirtschaften, ist essenziell. Als Indiz dafür, dass dies bei Acht geschieht, berichtet Drechsler, dass alle Systeme vollständig bezahlt seien und sich im Eigentum des Unternehmens befänden, nur eines der Systeme sei geleast.
Die Kunden von Acht kommen überwiegend aus dem Werbebereich, es sind also Agenturen, die TV-Werbung bei Acht gestalten lassen. Dieser Bereich macht etwas mehr als 50 % des Auftragsvolumens aus. Weitere 20 bis 30 % der Projekte bei Acht werden im Auftrag von TV-Sendern realisiert: Titelsequenzen, Vorspänne und Trailer, etwa für das ZDF.
Weitere 10 % machen Musikclips aus. Der Rest sind bislang Spezialproduktionen: Videos und Animationen für den Messeeinsatz etwa an Lexus-Ständen auf Automobilmessen, für Museen und Kunstausstellungen wie etwa die Frankfurter Schirn, für Events und Titelvorspänne für Spielfilme, wie zum Beispiel die Titelsequenz des aktuellen Wim Wenders Films »Land of Plenty«.
Ein erstes Spielfilmprojekt kam mit der Schweizer Filmproduktion »Eugen« im Herbst 2004 ins Haus. Für dieses Projekt findet bei Acht das Offline-Editing statt. Als Eigenproduktion aus früheren Das-Werk-Zeiten steht derzeit bei Acht die Überarbeitung des Spielfilms »Seven Servants« an. In Kürze soll auch ein erstes Projekt komplett mit Scratch realisiert werden: ein Kurzfilm.
Ungewöhnliche Projekte stehen bei Acht hoch im Kurs: »Wir sind ständig auf der Suche nach kreativen, neuen Lösungen. Damit haben wir früher mal Das Werk aufgebaut und das macht uns immer noch am meisten Spaß.« In diese Kategorie fällt etwa ein Projekt, das Acht für den Autohersteller Lexus realisiert hat: Eine Animation, die am Messestand auf einem schmalen Band aus LED-Modulen lief, die insgesamt eine Bildfläche von 17 m Breite und 1,7 m Höhe bildeten. Dabei wurde mit einer Auflösung gearbeitet, die 5K in der Breite und volle PAL-Auflösung in der Höhe betrug. Alles wurde mit After Effects, Cinema 4D und Cyborg am Stück animiert, dann gesplittet, auf Doremi-MPEG-Player ausgespielt, die das Material dann synchron wiedergaben und auf der am Messestand montierten LED-Wand wieder zu einem Ganzen zusammenfügten.
Mobilität und Flexibilität gehören zu den Topthemen bei Acht. Das gilt beim Raumkonzept ebenso, wie bei den Systemen. Das schon beschriebene Anschlussbox-Konzept schafft die Hardware-Basis dafür, die Box verfügt unter anderem über einen Gigabit-Ethernet-Anschluss, in einigen Räumen sogar über Dual-Gbit. Zudem gibt es ein Wireless-LAN nur für die Kunden und ein weiteres, nur für die interne Kommunikation. »Von unseren Bearbeitungssystemen sind nur die Henrys videobasiert, der Rest ist file-basiert und nutzt Server-Architekturen«, erläutert Oliver Kähler, der technische Leiter von Acht. Damit aber nicht genug: Um die Kommunikation mit den Kunden zu optimieren, betreibt Acht den virtuellen »Workroom«.
Das ist ein virtueller Arbeitsplatz, mit dem die Kunden per Internet am laufenden Arbeitsprozess aktiv mitwirken und den aktuellen Stand des Projekts jederzeit abfragen können, wenn sie keine Zeit oder Möglichkeit haben, persönlich zu Acht zu kommen. »Im Verbund mit unserem Projektmanagement haben wir eine Möglichkeit zum Online-Reviewing geschaffen, das den Kunden den direkten Zugriff per Internet bietet«, erläutert Kähler.
»Nur mit der Vernetzung auf allen Ebenen können wir effizient arbeiten: Wenn wir an einem Henry gerade einen Mainstream-Job realisieren, werden die Masken und das gestalterische Fein-Tuning von einem Cyborg zugeliefert oder mit After Effects an einem Mac umgesetzt. Vielleicht kommt dann noch eine Passage aus Cinema 4D dazu. Dazu ist nicht nur File-Austausch zwischen den beteiligten Systemen nötig, sondern auch eine netzwerkbasierte Organisationsstruktur, damit man weiß, was wo bearbeitet wird und wie weit es ist.«
Netzwerk- und Server-Technik sowie die weit gehende Trennung von Hard- und Software ermöglichen neue Arbeitsabläufe und -strukturen. Das richtige Werkzeug für den jeweiligen Job ein zu setzen, wird damit erst möglich. Ralf Drechsler und das Team bei Acht Frankfurt haben die Chancen erkannt, die darin stecken, und sie für kreative Zwecke nutzbar gemacht: Der Operator ist damit wieder sehr viel wichtiger als das Tool mit dem er arbeitet – und das, so Drechsler, ist nicht nur gut so, sondern wird auch von den Kunden so wahrgenommen.
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