Farbwunder
Die Kölner Produktionsfirma Broadview TV realisierte eine TV-Dokumentation über das vielzitierte Fußball-WM-Endpiel Deutschland -Ungarn von 1954. Sie enthält neu gedrehtes HDCAM-Material, aber auch zahlreiche Originalaufnahmen, die mit einem iQ-System restauriert wurden. Herausgekommen ist bei dem ambitionierten Projekt eine Doku mit vielen neuen Ansichten.
Das »Wunder von Bern« jährte sich in diesem Jahr zum 50. Mal. Für alle, die gern in Fußball-Erinnerungen aus dem Jahr 1954 schwelgen, hat die Kölner Produktionsfirma Broadview TV »Das Wunder von Bern – Die wahre Geschichte« realisiert – eine beeindruckende Dokumentation über dieses Ereignis. Diese Doku ist aber nicht nur aus inhaltlicher, sondern auch aus technischer Sicht hoch interessant, denn die Originalaufnahmen des Spiels galten als in weiten Teilen verschollen oder vernichtet, nur die Existenz von etwa 15 Minuten Originalmaterial war bekannt. Nach aufwändigen Recherchen des Produzententeams stand dem Regisseur Sebastian Dehnhardt und den beiden Historikern Manfred Oldenburg und Guido Knopp jedoch außergewöhnliches, wiederentdecktes Material zur Verfügung: Neben Wochenschau-Aufnahmen wurden nämlich auch Privatfilme aufgespürt, die 1954 im Berner Wankdorf-Stadion gedreht worden waren. Dadurch konnten wichtige, verloren geglaubte Szenen des Endspiels rekonstruiert werden.
Das Ergebnis war eine 90-minütige Dokumentation, die das ZDF zeigte und in der damals beteiligte Spieler, Augenzeugen und viele Prominente zu Wort kommen.
Für den Produzenten Leopold Hoesch spielte bei der Produktion das Aufnahmeformat eine besonders wichtige Rolle: »Die noch lebenden Spieler sind im fortgeschrittenen Alter, eine Neuauflage in fünf Jahren wird in der Form kaum mehr möglich sein. High Definition war für uns daher die logische Konsequenz, um vielleicht das dokumentarische Standardwerk zum Wunder zu schaffen, das wiederum auch international verwertet werden kann«.
Natürlich war es auch vorteilhaft, dass sich bei den teilweise sehr langen Interviews dank des Drehs in HDCAM die Kosten im Vergleich zu einer 35-mm-Produktion deutlich reduzieren ließen.
Eine große Herausforderung in der Postproduktion bestand darin, die unterschiedlichen Ausgangsmaterialien zusammen zu fügen: Neben dem vorhandenen Originalmaterial und den in HDCAM gedrehten Interviewpassagen galt es auch Archivmaterial aus Privatfilmen ein zu arbeiten. Broadview TV arbeitete in der Postproduktion mit Bavaria Production Services und der ACT Videoproduktion von Robert Groß zusammmen.
ACT setzte sein High-End-System iQ von Quantel mit der Software-Version 2 ein. iQ bietet hochauflösende Farbkorrektur in Echtzeit und 2K-Auflösung. Rund 30 Minuten neues Filmmaterial standen der Produktion zur Verfügung. In der Dokumentation sind davon15 Minuten in einer Collage mit nachgestellten Szenen und Interviews zu sehen. Eine Besonderheit der Dokumentation: Alle fünf Tore sind darin erstmals in Farbe zu bewundern. Hierfür wurden nur die vorhandenen Originalfarben verstärkt, es wurde nichts künstlich nachempfunden oder coloriert.
Verantwortlich für die iQ-Nachbearbeitung bei ACT war Oliver Kenneke: »Die größte Herausforderung bei dem Projekt war die aufwändige Farbkorrektur. Die Dokumentation besteht zu 40 % aus historischem Filmmaterial und zu 60 % aus Neudrehs in HDCAM, also gedrehten Interviews von Zeitzeugen und Drehs an Originalschauplätzen. Das hatte sehr unterschiedliche Qualitäten beim Bildsignal zur Folge. Wir mussten viele Bilder einzeln retuschieren, um Beschädigungen der alten Filmaufnahmen zu eliminieren.«
Die Projektanforderung für die Nachbearbeitung bestand demnach aus den Bearbeitungsschritten Effekt-Compositing, Farbkorrektur, Formatanpassung an HD und grafische Gestaltung.
Zunächst wurde die Doku mit einem Media-Composer-System von Avid in Standardauflösung geschnitten, wofür das HD-Material auf SD downkonvertiert wurde. Für die komplette Endbearbeitung in HD wurde der Rohschnitt dann als AAF-Datei ins Quantel-iQ-System übertragen und das Material dann in HD-Auflösung geladen. Für die einheitliche Formatgebung auf 1.920 x 1080 Bildpunkte wurden die gesamten SD-Schnittsequenzen auf die neue Größe gerendert und skaliert.
Da das verwendete Material aus unzähligen Quellen stammte, waren für Oliver Kenneke viele Einzelbildretuschen nötig, die er mit den Colortools des Quantel iQ-Systems realisierte. Beispielsweise sollten verschiedene Special-Effects-Szenen integriert werden.
So gibt es im fertigen Film einen Schwenk über die Stadtkulisse von Bern, in dessen Verlauf sich die Wetter- und Lichtsituation, völlig verändert. Um das zu realisieren, tauschte das Team in der Postproduktion den Himmel aus. Per Tracking-Funktion wurden anschließend mehrere in einander verschachtelte und animierte Wetterschichten in die Originalszene eingepasst. Diverse Lichteffekte bestimmten die Übergangsphasen.
An eine nachgedrehte Busfahrt erinnert sich Kenneke besonder gut: »Die fehlenden Passagiere mussten auf die Fensterplätze verteilt werden. Allerdings fuhr der Bus bei der Fahrt durch eine Allee, das hat die Erstellung der getrackten Szene extrem erschwert!«
Eine andere Herausforderung stellte die Zeitraffereinstellung eines Sonnenuntergangs an einem Küstenstreifen dar, bei der Kenneke und sein Team die durch den Zeitraffereffekt sehr unruhige Meeresoberfläche nachträglich durch gleichmäßige Wellenbewegungen ersetzten. Diverse andere Bildinhalte, darunter etliche Boote, galt es dabei zu retuschieren.
Ein Multilayer-Compositing für Intro und Abspann realisierte das ACT-Team parallel in After-Effects und importierte es anschließend via Netzwerk direkt in die entsprechende Filmsequenz auf dem iQ-System. Bei den neu gedrehten Interviewszenen wurde zudem der Hintergrund durch die Integration animierter Grafikflächen optisch aufgewertet.
Den fertigen HD-Film konnte das iQ16:9-Letterbox-Version auf Digi Beta ausspielen, zusätzlich auch als AVI-Sequenz. Das ist durch die von Quantel so genannte »Resolution Co Existence« innerhalb von iQ möglich, die es erlaubt, mit dem System unabhängig von der jeweiligen Auflösung des Material zu arbeiten.
Robert Groß von ACT urteilt abschließend über das Projekt: »Wir haben viel Engagement in die Nachbearbeitung gesteckt. Speziell die Anpassung der Archivszenen und die Farbkorrektur hat mehr Zeit als geplant in Anspruch genommen. Doch gerade für diese Art von Produktionen, bei denen unterschiedliche Materialien, HD- und SD-, Film- und Videomaterial gemischt werden, hat unser iQ-System die richtigen Tools. Und für die Zukunft sind wir mit QColor zusätzlich bestens gerüstet.«
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