Räumungsverkauf ohne Ende
Die Jahres-End-Rallye hat begonnen. Aber warum? Kommt danach etwa gar kein neues Jahr mehr? Sicher will man das eine oder andere noch im alten Jahr erledigen und vom Tisch haben, aber manch einer lässt sich derzeit in eine Torschlusspanik treiben, die nicht mehr nachvollziehbar ist.
Vielleicht eine Folge der zahllosen Reize, die momentan in dieser Richtung ausgeschickt werden. Mit Methode wird eben besonders gern vor Weihnachten Zeitdruck aufgebaut: Das fängt mit dem Adventskalender an, der mal als frühkindlicher Countdown die Wartezeit bis Weihnachten versüßen sollte, den man aber auch als ständige Mahnung daran verstehen kann, dass der Geschenkübergabetermin unerbittlich naht. Mit der Ankündigung eines wie auch immer gearteten Endes lassen sich — wenn man das Ganze geschickt einfädelt — noch einmal ungeahnte Kräfte frei setzen, auch solche finanzieller Art: »Kasse machen« heißt die Devise.
Drei Branchen treten dabei ganz besonders hervor — auch außerhalb der Weihnachtszeit: Der Teppichhandel mit seinen niemals enden wollenden Räumungs-, Abverkaufs- und Geschäftsaufgabe-Aktionen. Der Matratzen-Handel, der es schafft, eine permanente Schlussverkaufsstimmung aufrecht zu erhalten. Und die Musikbranche: Abschiedskonzerte gibt es hier ja schon seit Menschengedenken, aber die totale Vermarktung wurde erst in jüngster Zeit optimiert. No Angels, Howard Carpendale und Phil Collins: Abschieds-Angebote für unterschiedlichste Zielgruppen.
Vielleicht ist der viel sagende Tournee-Titel, unter dem Phil Collins im Jahr 2004 auch nach Deutschland kommen will, ja letztlich doch ironisch gemeint: »First Final Farewell Tour«. Ganz sicher kann man sich aber in puncto Ironie nicht sein: Denn das Ende in mehreren Schritten zu zelebrieren, das scheint derzeit bei der Vermarktung von Künstlern eines der beliebtesten Konzepte zu sein — selbst wenn es mit der Realität nichts zu tun hat. So sagte etwa Phil Collins im ZDF-Interview etwas ganz anderes, als man bei seinem Tourtitel erwartet hätte: »Ich würde das Auftreten vermissen, wenn ich völlig damit aufhören würde. Aber das werde ich nicht tun.« Aha: Soviel zum Thema Marketing ohne Grenzen.
Ziemlich überraschend und eher nicht von langer Hand geplant, beginnt heute auch für die Harald-Schmidt-Show der Abschiedsreigen bei Sat.1: Dass er von seinem neuen Chef Roger Schawinski nichts Positives erwartet, das machte Schmidt schon klar, als er in seiner Show ungezügelt gegen den Schweizer lospolterte. Die Harald-Schmidt-Show wird im kommenden Jahr nicht fortgesetzt. Das Gute daran: Die verbleibenden Sendungen dürften wohl Highlights zum Thema »Endtermin-Marketing« der etwas anderen Art werden.
Sie werden sehen.