Das Ende der Gewaltenteilung
Videoreporter los schicken, die ihre Beiträge selbst konzipieren, mit günstigen DV-Camcordern drehen und dann mit einem Laptop-Editing-System auch selbst schneiden: Schneller, flexibler und effektiver lassen sich News-Beiträge kaum produzieren. Die Privaten tun’s, die BBC tut’s, aber im Kästchendenken der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland war dafür bisher kein Platz: Nur hinter vorgehaltener Hand konnte man über etwas sprechen, was auch bei den Anstalten längst Realität ist, wenn auch bislang nur im kleinen Rahmen und eher inoffiziell. Nun wagt sich der HR aus der Verkrustung und stattet ganz offiziell Videoreporter mit DV-Camcordern und Editing-Laptops aus. Die Gründe für diese Arbeitsweise liegen auf der Hand: In Zeiten knapper Budgets geht es im News-Bereich darum, schnell, effektiv und vor allem günstig zu produzieren. Genau das tun Videoreporter.
Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, wenn sich diese Arbeitsweise nun endlich auch in Deutschland durchsetzt. Viel zu lange schon herrscht bei den öffentlich-rechtlichen Sendern zumindest offiziell eine strikte Gewaltenteilung: Der Kameramann bedient die Kamera, der Cutter sitzt am Schnittplatz und der Redakteur ist inhaltlich verantwortlich. Manchmal versucht einer davon, den anderen klar zu machen was er will, meist aber lässt er sie einfach vor sich hin werkeln und regt sich allenfalls noch über deren tatsächliche oder vermeintliche Unfähigkeit oder Motivationslosigkeit auf. Das »Wildern« auf dem Terrain des jeweils anderen rief entweder Betriebsrat und Gewerkschaft auf den Plan oder wurde durch persönliche Feindschaft und verschärfte Intrigen bestraft: Dem Störenfried, der den betonierten Weg verlassen wollte, wurde schnell klar gemacht, dass es besser sein dürfte, das künftig nicht mehr zu tun.
In den fetten Jahren des Fernsehgeschäfts sorgte so ziemlich jede technische Innovation, die etablierte Arbeitsabläufe in Frage stellte, erst einmal für Riesengeschrei und weit gehend pauschale Ablehnung bei den Betroffenen: »Damit kann man nicht arbeiten!« Das traf etwa den Camcutter, den ersten Camcorder mit integrierten Schnittmöglichkeiten ebenso, wie die ersten NLE-Systeme, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die »Cötter und Cötterinnen« der Sender zu beruhigen und zu überzeugen, dass nonlineares Editing durchaus auch Vorteile haben und letztlich deren Arbeit auch interessanter machen kann, war vielleicht die schwierigste Aufgabe bei der Einführung dieser Systeme im Broadcast-Markt.
Im Rückblick kann man darüber allenfalls noch schmunzeln, und mancher Verantwortliche wie auch Betroffene denkt sich heute: »Wie schön wär’s, wenn ich mich noch mit solchen Problemen herumschlagen dürfte.« Statt dessen gilt es dieser Tage, unter dem wachsenden Budget- und Kostendruck, ganz andere Probleme zu lösen. Vor diesem Hintergrund ist es dann doch nicht verwunderlich, dass der HR nun offen ausspricht, was letztlich alle anderen öffentlich-rechtlichen auch tun und tun müssen: Nämlich die Gewaltenteilung in den Arbeitsbereichen der Sender endlich offiziell zu ändern, eingeschliffene Strukturen auf zu brechen und effektivere und vor allem günstigere Produktionsmethoden zu etablieren.
Sie werden sehen.