Broadcast, Top-Story: 01.10.2003

Neue Ära der TV-Produktion: DR goes IT

Danish Radio (DR) installiert derzeit die modernste Fernsehproduktionsstätte Europas. Bis zum Jahr 2006 soll die vollständige Umstellung auf eine IT-basierende Produktion abgeschlossen sein. Ein Zwischenbericht.

Torben Lundberg von Danish Radio sagt über sich selbst: »Ich bin kein Broadcaster.« Dass er dennoch Head of Technology News and Sports bei Danish Radio ist, hat einen guten Grund: Torben Lundberg ist als IT-Fachmann für die Realisierung einer digitalen, integrierten Produktion bei DR zuständig – für den vielbeschworenen Transfer hin zur file-basierenden Produktion. Auf dem Weg zu diesem ehrgeizigen Ziel hat Lundberg mit seinem Team schon eine gehörige Wegstrecke zurück gelegt: So realisierte DR im Jahr 2000 ein groß angelegtes Pilotprojekt für digitale Nachrichten-Produktion. Systempartner war SGI.

»Wenn die Zusammenarbeit mit SGI nicht so gut gelaufen wäre, hätten wir uns sicher nicht dazu entschieden, jetzt die komplette Produktion auf digital und file-basierend um zu stellen und SGI als Generalunternehmer zu beauftragen. Unserer Erfahrung nach macht SGI einen sehr guten Job und integriert hervorragend die Produkte anderer Hersteller. Das war einer der Hauptgründe, weshalb wir SGI auch mit der nächsten Projektphase beauftragt haben«, fasst Torben Lundberg zusammen. Dabei haben sich die gebührenfinanzierten dänischen Broadcaster gehörigen Zeitdruck auferlegt, denn die Umstellung soll noch vor dem für Anfang 2006 geplanten Umzug in das neue Gebäude des Senders erfolgen. Also erst komplette IT-Umstellung, dann Umzug der gesamten Technik in ein neues Gebäude: Es gibt leichtere Aufgaben…

Das neue Gebäude, das derzeit in der Nähe des Kopenhagener Flughafens gebaut wird, spiegelt auf eindrückliche Weise die geplanten neuen Workflows des Senders wider: Ein verglastes Nachrichtenstudio in der Mitte des Gebäudes bildet das Zentrum und ist umgeben von zahlreichen Büro- und Produktionsräumen. Kurze Wege stehen dabei im Vordergrund, aber auch klare Strukturen und nachvollziehbare Abläufe.

Die Frage, ob es im neuen Produktionskomplex denn auch weiterhin noch SDI-Strukturen geben werde, zumindest in Teilbereichen, beantwortet Torben Lundberg eindeutig: »Im neuen Gebäude werden wir lediglich noch im Ingest-Bereich eine kleine SDI-basierende Infrastruktur haben. In allen weiteren Bereichen verzichten wir darauf gänzlich und setzen statt dessen vollkommen auf IP-basierende Strukturen. Video und Audio liegen also nur noch als Files vor. SDI gehört für uns dann der Vergangenheit an.«

Dass die Umstellung auf eine file-basierende Produktion bis dato sehr erfolgreich verlaufen ist, führt Torben Lundberg unter anderem darauf zurück, dass es vom Management bei DR ein eindeutiges Votum für die Umstellung auf die digitale Produktion gegeben habe und dieses Vorhaben deshalb mit Nachdruck verfolgt werde. Auch verspreche man sich ein deutlich besseres Content Sharing der Bereiche TV, Radio und Web – und damit verbunden mehr Effizienz in der Produktion. Eine höhere Qualität des Programms wird ebenfalls angestrebt. Vor allem aber soll sich das Investment schon in vier bis fünf Jahren für den Sender rechnen. Und auch wenn Torben Lundberg das nicht offen ausspricht, ist eindeutig und klar, dass sich Einsparungen in dieser Größenordnung langfristig vor allem durch Personalabbau und Rationalisierung realisieren lassen. Die neuen Produktionsmethoden sollen schließlich optimierte und effizientere Workflows mit sich bringen, was letztlich bedeutet, dass weniger Personal gleich viel oder sogar mehr Programm produzieren wird.

Derzeit ist von Personalabbau bei Danish Radio allerdings keine Rede. Torben Lundberg betont im Gegenteil, dass in der Übergangsphase sogar eher mehr Mitarbeiter beschäftigt würden. »Natürlich verschieben sich die Arbeitsbereiche für die Mitarbeiter,« führt er weiter aus. »Sicher muss sich der eine oder andere anpassen und vielleicht auch mit neuen Dingen beschäftigen. Aber nach unserer Erfahrung sind die Mitarbeiter durchaus bereit, neue Abläufe zu adaptieren, wenn sie darin Vorteile für ihre Arbeit sehen. Deshalb ist es sehr wichtig, sie frühzeitig ein zu beziehen und immer wieder mit ihnen zu reden. Unser Pilotprojekt lief nicht zuletzt deshalb so gut ab, weil die Mitarbeiter sehr viel Input für die Umsetzung geliefert haben. Bei uns dominieren bei dieser Umstellung auch nicht die Techniker, sondern die Anwender. Das ist aus unserer Sicht entscheidend für den Erfolg dieses Projekts.«

Mindestens ebenso viel Bedeutung misst DR der Verwendung von Standard-IT-Komponenten bei. Das sei für ein Projekt dieser Größenordnung essenziell, denn einerseits profitiere man vom Preisverfall bei Standard-Komponenten und andererseits liefere man sich nicht einem einzigen Hersteller aus, der proprietäre Hardware verwende. Torben Lundberg: »Wir arbeiten zwar mit SGI als Generalunternehmer, aber wir sind nicht von SGI abhängig. Das ist ein essenzieller Unterschied«.

Das Thema Hersteller-Offenheit hat bei Danish Radio ohnehin hohe Bedeutung. Würde SGI nicht dafür sorgen, die nötigen Schnittstellen zu den Produkten anderer Hersteller zu schaffen, wäre der Sender seinem Ziel einer voll integrierten, digitalen Produktion wohl noch nicht so nahe gekommen. Zudem hat sich der Sender entschieden, nicht nur die Produktion, sondern auch die Archivierung in das ehrgeizige Projekt ein zu beziehen. Aus Torben Lundbergs Sicht ist das ein zentraler Punkt: »Diese beiden Bereiche gehören einfach zusammen. Wenn man die Archivierung bei der IT-basierenden Produktion außen vor lässt, beraubt man sich vieler Möglichkeiten und Chancen.« Bei Danish Radio wird derzeit im News- und Sportbereich mit DVCPRO25/DVCPRO50 gearbeitet, und mit dieser Datenrate wird derzeit auch archiviert. Dazu Lundberg: »Die Archivleute waren erst skeptisch, aber jetzt sind sie zufrieden. Wir verfolgen eben einen pragmatischen Ansatz.«
Noch in diesem Jahr soll die Realisierung des Sport- und News-Produktionssystems abgeschlossen werden. Bis dato sieht es so aus, als ob Danish Radio diesen Zeitplan einhalten könne. »Wir haben am 7. Dezember 2001 begonnen, mit dem Pilotsystem Nachrichten zu produzieren und das Ganze dann auf drei Stunden Frühstücksprogramm ausgeweitet. Während der Pilotphase haben wir weit über 1.000 Nachrichtenbeiträge digital produziert und auch archiviert. Die Qualität und die Geschwindigkeit hat uns dabei voll überzeugt. Bis zum Jahresende werden wir nun auch noch schnelleren Zugriff auf archiviertes Material haben und Video und Audio übergreifend zwischen den Bereichen Fernsehen, Radio und Web austauschen können.«

Im kommenden Jahr sollen dann die restlichen Bereiche bei Danish Radio folgen und in das digitale, integrierte Produktionssystem eingebunden werden — rechtzeitig vor dem Umzug ins neue Gebäude.

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