Im Wrack der Titanic
James Cameron drehte über das Wrack der Titanic einen faszinierenden 3D-Film, der in Imax-Kinos gezeigt werden soll. Ohne den Einsatz neuester Technologien wäre das Projekt nicht möglich gewesen.
James Cameron gehört seit jeher zu den Regisseuren, die ihre künstlerischen Visionen gern und oft mit den neuesten technologischen Innovationen realisieren. Das war auch so, als Cameron nun einen Imax-Film über das Wrack der Titanic drehte. Für »Ghosts of the Abyss« drang Cameron mit seiner Filmcrew bis ins Wrack der Titanic vor.
Mit einer schweren, sperrigen Imax-Kamera wäre der Dreh in diesen Meerestiefen gar nicht möglich gewesen, deshalb musste Cameron eine alternative Aufzeichnungsmethode finden. Gemeinsam mit Sony entwickelte Camerons Team eine vergleichsweise leichte 3D-HD-Kamera, die im Prinzip aus zwei modifizierten Sony-HD-Kameras besteht. Mit dieser speziellen 3D-HD-Kamera und etlichen Standard-Definition-Kameras nahm das Team über 900 Stunden Material auf.
James Camerons Bruder Mike verbrachte gut drei Jahre damit, eine Technologie zu suchen und zu entwickeln, die es erlaubte, mit Film-Equipment ins Wrack der Titanic vor zu dringen und dort auf eine Art und Weise zu drehen, die bis dato nicht möglich war. Er entwickelte zwei fernsteuerbare Unterwasser-Fahrzeuge, so genannte ROVs (Remote Operated Vehicles), die mit eigenen, leistungsstarken Lichtquellen bestückt sind. Bei den Dreharbeiten konnten James und Mike Cameron die beiden ROVs via Joystick von den U-Booten aus steuern, mit denen sie selber und die Filmcrew in die Tiefe tauchten.
An den mit der Filmcrew bemannten U-Booten waren an der Außenseite die neuen 3D-HD-Kameras montiert. Die fernsteuerbaren Gefährte waren dagegen mit SD-Kameras bestückt, denn die ROVs sollten möglichst leicht sein, damit sie sich im Innern des Wracks gut fortbewegen konnten. 800 m Glasfaserkabel dienten zur Übertragung der Videosignale von den ROVs zu den »Mutterschiffen«. In den U-Booten selbst wurde ebenfalls mit Videokameras in Standard Definition gedreht.
Am Ende der ambitionierten Expedition hinab ins Wrack der Titanic hatte Cameron also über 900 Stunden Material in verschiedenen Videostandards gesammelt, das es in der Nachbearbeitung bei Modern Videofilm zu sichten und zum Film zu kombinieren galt.
Die Postproduktion des Materials bei Modern Videofilm war fast genau so aufwändig wie der Dreh in den Tiefen des Meeres. Eine besondere Herausforderung für das Team bei Modern Videofilm bestand darin, für das mit den ROVs gewonnene SD-Material einen 3D-Effekt zu schaffen. Dazu Produzentin Tashjian: »Da der Film in Imax-3D-Kinos gezeigt wird, konnten wir nicht einfach Material in Standard Definition dazwischen schneiden.« Daher entschied sich das Team, dieses Material in Fenstern zu zeigen, die nur etwa 10 bis maximal 50 Prozent der Leinwandfläche bedeckten. Trotz der kleineren Projektionsfläche blieb das gestalterische Problem, 2D- und 3D-Aufnahmen schlüssig miteinander zu verbinden.
»Wir mussten dem SD-Material Tiefe verleihen«, erklärt Tashjian und sagt weiter: »Die 3D-Anmutung konnten wir erzielen, indem wir Bilder überlappen ließen und sie vor dem 3D-Hintergrund splitteten. Das sorgte immerhin für einen gewissen Tiefeneindruck.«
Eine weitere Herausforderung in der Postproduktion waren die vielen unterschiedlichen Formate des Ausgangsmaterials: Es lag nicht nur in Standard Definition und 3D-HD vor, sondern auch in 24P/HD, 30i, 60i und etlichen weiteren Formaten. »Wir benutzten das Quantel-System iQ, um das komplette Material ins selbe Format zu übertragen«, so Produzentin Tashjian.
Innerhalb eines Projekts kann iQ unterschiedlichste Formate laden und verarbeiten, angefangen bei Low-Res über SD, HD, 3D-HD bis hin zu 2K. Dabei gibt es keine Qualitätseinschränkungen, denn iQ behält stets die höchstmögliche Auflösung bei.
Einen weiteren großen Vorteil des iQ-Systems sieht Modern Videofilm in der Systemarchitektur, denn sie erlaubt es, dass 3rd-Party-Systeme auf iQ zugreifen können. Bilder und Sequenzen, die auf iQ gespeichert sind, lassen sich etwa farbkorrigieren, indem iQ mit dem Farbkorrektursystem verbunden wird. Dabei werden die Bilder von iQ in den Mainframe des Farbkorrektursystems ausgegeben, auf eine Leinwand projiziert, dann mit dem externen System farbkorrigiert und dann wieder zurück auf iQ überspielt und aufgezeichnet. Dabei lassen sich die einzelnen Szenen in Echtzeit farbkorrigieren, man muss also nicht auf die Ergebnisse des Filmlabors warten.
Bei »Ghosts of the Abyss« war Colorist Scott Klein hierfür verantwortlich. Er arbeitete mit einem DaVinci 2K Plus in einem Vorführkino, das Modern Video eigens für solche Zwecke betreibt und wickelt so die komplette Farbkorrektur ab.
James Cameron urteilt über die Postproduktionsmethoden bei Modern Video: »Die Farbkorrektur von »Ghosts of the Abyss« in Echtzeit und auf einer großen Leinwand und sogar in HD war für mich sehr beeindruckend. Nach über 20 Jahren, in denen ich mich bei der Farbkorrektur mit den Unwägbarkeiten des fotochemischen Prozesses herumschlagen müsste, fühlt sich diese Arbeitsweise nun an, als sei man direkt aus dem Mittelalter ins 21. Jahrhundert katapultiert worden. Ich habe es wirklich genossen, so zu arbeiten«.
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