Kommentar, Top-Story: 13.12.2002

Selektive Wahrnehmung

Die Filmproduktion in Deutschland boomt. Dafür gibt es klare und eindeutige Indizien, und umfangreiche Recherche-Ergebnisse untermauern das. Kaum zu glauben, oder?

Der Reihe nach: Ein zufälliges Treffen am Flughafen in Köln mit zwei Bekannten aus alten Tagen, der eine Kameramann, der andere Oberbeleuchter. Beide noch müde von anstrengenden Drehtagen in Köln, schon unterwegs nach Berlin zum nächsten Job. Am Flughafen selbst: recht aufwändige Dreharbeiten eines anderen Teams. Zurück im Büro in München, wo derzeit gegenüber ein Verwaltungsgebäude der Stadtwerke leer steht und wo sich seither große und kleine Drehteams die Klinke in die Hand geben. Diesmal: Großer Dreh, alles voller Wohnmobile, Generatoren, Catering-Imbisswagen
und Lkws mit Filmequipment. Die Jungs leuchten von außen so hell durch die Fenster, dass wir im Gebäude gegenüber das Licht ausschalten können. Zwei Tage später: Ein anderes Team steht mit ebenso vielen Fahrzeugen und Leuchten vor dem Einrichtungsgeschäft neben unserer Lieblings-Mittagskneipe. Schon wieder ein Dreh.

Wenn damit nicht hinreichend bewiesen ist: die Filmproduktion in Deutschland boomt!

Das reicht Ihnen nicht? Sie halten das für unseriös und sogar für ausgemachten Blödsinn? Geht uns genauso. Leider ist es aber so, dass man nicht selten online und anderswo auf Einschätzungen und Berichte stößt, die nach diesem Muster gestrickt wurden und die so wenig fundiert sind, so wenig Basis aufweisen können, wie die eingangs aufgestellte Behauptung und »Beweisführung«.

Das gilt gleichermaßen für frohe wie für Hiobsbotschaften. Wer sich bei Meinungsbildung und Entscheidungsfindung darauf verlässt, was Herr X. von Frau Z. gehört hat, der ist einfach schlecht beraten. Auch wenn Herr X. darüber eine Kolumne in einer Zeitung schreibt. Deshalb: Wer kritisch und wach bleibt, wer seine Quellen checkt, der bewegt sich auf deutlich soliderem Grund. Sie werden sehen.