Raus aus dem Schuhkarton
Wenn die Tage kürzer werden, die Temperaturen sinken und der Regen peitscht, dann werden immer mehr Mitmenschen von dunklen Gefühlen übermannt. Selbst solche, die sonst als eher trübsal-resistent gelten, stimmen wie auf einen geheimen Befehl in den großen Herbst- und Winter-Gesang ein, der je nach persönlichen Vorlieben Blues- oder Requiem-Charakter aufweist. Das allgemeine Jammern findet in den einzelnen Strophen seinen Ausdruck: Die handeln vom widrigen Wetter, der hinfälligen Gesundheit, dem frustrierenden Job, der aussichtslosen politischen Lage, den zerstörten persönlichen Zukunftsperspektiven und den generell absteigenden gesellschaftlichen Tendenzen. Einfach alles zeigt scheinbar direkt in den Abgrund.
Nun soll hier nicht so getan werden, als herrsche derzeit in der Branche eitel Freud und Sonnenschein, aber bisweilen läuft das vielleicht berechtigte Klagen aus dem Ruder, verlässt den Boden der Realität. Dann geht es nur noch darum, die Schwarzmaler mit noch dunkleren Farben zu übertreffen. Wohin das mitunter führt, illustriert eine Nummer aus dem Fundus der britischen Comedy-Truppe Monty Python’s: Da sitzen die saturierten Protagonisten zusammen und erzählen sich gegenseitig von den widrigen Bedingungen ihrer Kindheit. Das Ganze gipfelt sinngemäß in folgendem Dialog: »Wir haben in einem Schuhkarton auf der Straße gehaust.« »Ihr hattet einen Schuhkarton? Ihr Glücklichen.«
Ganz sicher gibt es viele Gründe, derzeit nicht zufrieden zu sein. Wer seinen Job verliert oder Insolvenz anmelden muss, der hat natürlich echte Probleme zu überwinden. Aber: Wenn das Wetter schon grau ist, wird es auch nicht besser, wenn man es noch schlechter darstellt. Auch in unserer Branche geht schließlich was: Da kauft der WDR mal eben 207 IMX-Recorder, BBC und France Télévision investieren in große News-Projekte, der BR ordert 35 NLE- und vier Netzwerk-Speicher-Systeme und es gibt auch noch zahlreiche Einzelinvestitionen, von denen www.film-tv-video.de in den vergangenen Wochen berichten konnte.
Zugegeben: Manchmal ist es schwer, die Chance in der Krise zu sehen, aber wer gar nicht mehr hinschaut, der verpasst sie garantiert. Sie werden sehen.