Schwebezustände
Wie schön ist es, zu schweben! In warmem Wasser, lauer Luft, mit einem Ballon am Himmel schwerelos dahin zu gleiten. Was vorher noch ein unüberwindbares Hindernis war, nun fliegt man ohne Mühe darüber hinweg, genießt den Aus- und Augenblick.
Weg mit den Gedanken daran, dass es vielleicht nur ein Ballon mit heißer Luft ist, der für den nötigen Auftrieb sorgt. Vergessen, dass jedes Schweben irgendwann endet, man im schlechtesten Fall sogar unsanft wieder Bodenkontakt aufnimmt. Solch gedankenfreies Schweben macht süchtig.
Schwebezustände können aber auch ganz anders erlebt werden. Dann ist schnell Schluss mit abgehobenen Betrachtungen: Wenn alles in der Schwebe ist, dann sehnt man sich mitunter nach festem Halt, der das Gefühl von Bodenlosigkeit nimmt. Solch unangenehme Schwebezustände scheinen sich nun langsam auch in der deutschen Medienlandschaft wieder zu lösen.
Beim Zerfall der Kirch-Gruppe war und ist noch immer vieles in der Schwebe. Das lag trotz aller damit verbundenen Problemen bisher im Interesse einiger ganz unterschiedlicher Gruppen. Nun aber, kaum ist die Bundestagswahl ein paar Wochen vorbei, zeichnet sich die von vielen erhoffte nationale Lösung ab: Die Gruppe um den Hamburger Großverlag Bauer wird KirchMedia übernehmen. Zum Paket gehören die Sender Sat.1, Pro Sieben und Kabel 1 sowie die umfangreiche Filmbibliothek.
Das Pressehaus Bauer steigt mit diesem Schritt zum zweitgrößten Medienkonzern in Deutschland hinter Bertelsmann auf. Die Bauer-Gruppe gilt generell als solide und gibt sich seriös, sie verlegt unter anderem sieben Programm-Zeitschriften, elf Frauentitel und alles, was »Bravo« heißt. Über das Tochterunternehmen Pabel-Möwig Verlag operiert sie aber auch kräftig im Online-Sexgeschäft und mit Blättchen vom Schlage »Praline«. Bislang waren die Bauer-Aktivitäten im Fernsehbereich auf eine knapp 30%-Beteiligung am MME und 31,5% an RTLII beschränkt, wobei letztere nun wohl aus rechtlichen Gründen verkauft werden muss.
Ob man den Einstieg von Bauer ins Fernsehgeschäft nun gut findet oder nicht, solche Fragen sind manchem Brancheninsider derzeit fast schon egal: Hauptsache, es passiert überhaupt irgend etwas, was eine Perspektive hat. Endlich fällt damit eine Entscheidung in einer Angelegenheit, die zumindest den süddeutschen Teil der Medienbranche schon so lange lähmt. Kommt damit die weit verbreitete Investitionshemmung zu einem Ende, gibt es wieder Bewegung in der Branche? Die Hoffnung darauf wächst.
Einen Schwebezustand anderer Art hat kürzlich auch der Bayerische Rundfunk zwar nicht beendet, aber immerhin verändert. Der öffentlich-rechtliche Sender entschied sich für einen Generalunternehmer, der das geplante neue, digitale Sendezentrum realisieren soll: T-Systems, das Systemhaus der Deutschen Telekom erhielt den Zuschlag und soll in den kommenden 18 Monaten das Sendezentrum Wirklichkeit werden lassen. Dabei tritt Studio Hamburg MCI als Kooperationspartner auf, daneben gibt es noch etliche weitere Unternehmen, etwa die Management- und Technologieberatung Detecon International. Die von vielen Herstellern erhoffte, klare und harte Technologie-Entscheidung ist damit zwar immer noch nicht gefällt, aber immerhin ist nun entschieden, wer das ambitionierte Projekt in welchem Zeitrahmen umsetzen soll.
Nach längerem Gezerre beendete der Software-Hersteller Discreet ebenfalls einen Schwebezustand und klärt die Gerüchte um den Fortbestand der deutschen Niederlassung: Die Systems-Abteilung in München wird aufgelöst, künftig werden die betroffenen Produkte wie etwa Flame, Flint und Inferno zentral von London aus betreut.
Wie schön ist es, zu schweben! Und wie schön, möglichst weich zu landen! Sie werden sehen.