Kommentar, Top-Story: 02.08.2002

Grafik-Europameisterschaft

Mit einer Riesenstimmung im Stadion, schönen Bildern und Top-Quoten im TV ging am vergangenen Wochenende die Leichtathletik-EM in München zu Ende. ARD und ZDF hatten als Host-Broadcaster mit großem Aufwand für beeindruckende Bilder gesorgt: rund 500 Mitarbeiter waren aktiv, 135 Kameras fingen die Bilder ein, mit denen die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten das Großereignis in Szene setzten.

Bei rund 50 Stunden Programm, die insgesamt zusammenkamen, haben sicher auch viele Zuschauer vor den Schirmen gesessen, deren Expertenwissen in Bezug auf Leichtathletik begrenzt ist. Besonders denen half der Einsatz grafischer Analyse-Systeme, um sich Weiten, Höhen, Geschwindigkeiten besser vorstellen zu können und Unterschiede zwischen den Sprüngen, Läufen oder Würfen der Athleten zu erkennen. Visualisierungshilfen eröffneten eine neue Dimension in der Sportberichterstattung.

Dass die Wettkampfbahnen der deutschen Sportler eingefärbt werden, kennt man schon, etwa auch von Schwimmwettbewerben. Aber es geht eben heute noch wesentlich mehr, auch im Live-Bereich. Da konnten die Zuschauer beim 400-Meter-Lauf von Ingo Schulz genau sehen, wie hoch dessen aktuelle Geschwindigkeit in unterschiedlichen Wettkampfphasen war, an anderer Stelle ließ sich genau zeigen, wo Heike Drechsler im Weitsprung gegenüber den Konkurrentinnen wichtige Zentimeter verloren hatte. Kurzum: ARD und ZDF zeigten auf gelungene Weise, was aktuell mit Grafik- und Analyse-Tools möglich ist.

Natürlich liegt in den technischen Möglichkeiten der modernen Sportberichterstattung auch eine Gefahr: Immer öfter wird der Zuschauer etwa bei Fußballspielen mit einer Statistik nach der anderen zugemüllt, nur weil die Daten eben zur Verfügung stehen. ARD und ZDF fanden dagegen in der Leichtathletik-Berichterstattung ein vernünftiges Maß und nutzten die Grafikmöglichkeiten, um für sportinteressierten Laien zu visualisieren, was die nackten Zahlen in der Realität bedeuten: Zu sehen, dass der Kugelstoßer sein Sportgerät »drei Fußballtore weit« von der Schulter durch die Luft befördert oder dass ein Hochspringer locker die Höhe einer Telefonzelle überwindet, ist eben anschaulicher als ein nackter Zahlenwert.

Hier tun sich neue Möglichkeiten auf, die neuen Schwung in manch angestaubtes TV-Sportformat bringen können. So gilt es abzuwägen: Der Aufwand steigt und oft genug kostet die Einbindung eines Grafik- und Analysesystems Zeit, Geduld und viele Nerven, besonders auf der Ü-Wagenseite. Für den Zuschauer ist es jedoch allemal ein Gewinn, weil so neben Fußball und Formel 1 auch mal andere Sportarten optisch reizvollpräsentiert werden können. Sie werden sehen.