Interview, Signaltechnik, Top-Story, Trend: 04.09.2001

Ein File für alle?

MXF steht für ein neues File-Austauschformat, das viele Probleme im Postproduction- und Broadcast-Bereich lösen könnte. Derzeit wird noch mit Hochdruck an der Standardisierung gearbeitet, erste Applikationen sollen während der IBC2001 gezeigt werden. Dr. Nick Wells von BBC Research & Development ist als maßgebliches Mitglied des ProMPEG-Forums am Standardisierungsprozess beteiligt. Er gab www.film-tv-video.de Auskunft über Inhalte, Anwendungen, Vor- und Nachteile des Formats.

B_0901_NickWells2Dr. Nick Wells, BBC Research & Development.

? Mit MXF soll ein neues File-Austauschformat, geschaffen werden, das Video-, Audio- und Metadaten enthält. Es wurde gemeinsam vom ProMPEG-Forum und der Advanced Authoring Association (AAF) entwickelt. Können Sie die Zielsetzung von MXF einfach und in kurzen Worten erklären?

Dr. Nick Wells: Um diese Frage zu beantworten, muss ich etwas weiter ausholen und von der bisherigen Arbeit des ProMPEG-Forums berichten.
Das ProMPEG-Forum nahm seine Arbeit ursprünglich auf, um Interoperabilität von MPEG-Datenströmen in einer professionellen Umgebung zu testen. Diese Formate sind:

a) MPEG über SDTI/CP, das unkomprimierte Studio- SDI-Digital-Infrastrukturen nutzt, um komprimierte MPEG-Signale, in erster Linie 50-Mbps-Signale, zu transportieren.
b) MPEG-Transport-Ströme über ATM-Netzwerke

Sehr schnell wurde in dieser Diskussion klar, dass es künftig zunehmend nötig sein wird, Programm-Material unterschiedlichster File-Formate zwischen verschiedenen Servern austauschen zu können. Dieser Bedarf wird sicher wachsen – im Gegensatz zu dem traditionellen Austausch von »Streaming«-Formaten. (Anmerkung der Redaktion: Dr. Nick Wells versteht im gesamten Artikel unter Streaming-Formaten die bislang üblichen Videostandards für die iso-synchrone Signalübertragung, wie etwa SDI-Signale).
Allerdings gab es zum Zeitpunkt dieser Diskussionen noch kein gemeinsames File-Format, das sich für den Programmaustausch zwischen Servern und Editing-Stationen unterschiedlicher Hersteller geeignet hätte. Die Mitglieder des ProMPEG-Forums einigten sich deshalb darauf, dass sie gemeinsam ein File-Austausch-Format definieren wollten – wohl wissend, dass es auch mit diesem neuen Format nach wie vor notwendig wäre, das jeweilige interne, native File-Format des Servers und Editing-Systems des jeweiligen Herstellers in das neue, gemeinsame File-Austausch-Format zu konvertieren.
Selbstverständlich sollte das File-Austausch-Format Video-, Audio- und Metadaten enthalten und auch andere Informationen wie etwa Index-Tables, die die Position innerhalb eines Files in Bezug zum Timecode setzen. Die wichtigsten Anforderungen an das neue Format sind:

– Das Format solle in erster Linie dazu dienen, vollständige, fertige Programme oder Programmsegmente zwischen Geräten und Equipment unterschiedlicher Hersteller und Organisationen austauschen zu können.
– Das Format sollte klar strukturiert und einfach zu implementieren sein.
– Es sollte möglich sein, mit einem File schon vor Ende eines File-Transfers arbeiten zu können, im Prinzip so, wie man es auch von Streaming-Formaten her kennt. Diese Anforderung ist dann wichtig, wenn große Files über langsame Netzwerke übertragen werden und es bedeutet, dass die unterschiedlichen Komponenten innerhalb des Files bis zu einem bestimmten Grad verzahnt sein sollten. Im Klartext: Es würde nicht möglich sein, zuerst alle Video-, dann alle Audio- und schließlich alle Metadaten zu übertragen.
– Die Struktur des Formats sollte kompressionsunabhängig sein. Insbesondere sollten sich die Metadaten möglichst unabhängig vom jeweiligen Video- oder Audio-Kompressionsschema übertragen lassen.

Nun waren bei verschiedenen ProMPEG-Meetings auch Avid-Vertreter anwesend, und sie verfügen über einen sehr großen Erfahrungsschatz auch mit älteren File-Formaten. Zudem war Avid sehr aktiv bei der Etablierung von AAF, was nunmehr ein Standard-File-Format für Authoring- und Editing-Plattformen im Fernsehbereich ist. Das AAF-Format bietet zwar sehr viel Funktionalität innerhalb einer Editing-Umgebung, es erfüllt allerdings zwei der oben beschriebenen Grundanforderungen nicht: Es ist nicht sehr einfach zu verstehen und es kann nicht bei laufender Übertragung mit der Wiedergabe begonnen werden.
Aus diesem Grund entschied sich das ProMPEG-Forum, ein neues Format, das Media eXchange Format (MXF) zu entwickeln, um alle Anforderungen zu erfüllen, die man für ein einfaches File-Austausch-Format definiert hatte.
Ein Großteil der Arbeit an den neuen File-Austausch-Format bestand darin, File- und Datenstrukturen zu entwickeln, mit denen sich komplexe Metadaten übertragen lassen, wie sie bei modernen Produktionsverfahren entstehen.

Als einer der Hauptvorteile des MXF-Formats wird dessen Format- und Plattform-Unabhängigkeit genannt. Können Sie dies näher erläutern?

Dr. Nick Wells: MXF bietet eine Struktur, die AV-Content zusammen mit den dazugehörigen Metadaten und den Details der File-Informationen umhüllt und die zudem beschreibt, in welcher Weise die unterschiedlichen Komponenten synchronisiert werden müssen. Diese Struktur ist unabhängig vom Kompressionsformat von Video und Audio. Komprimiertes Audio und Video oder ein Multiplex-Signal aus diesen Bestandteilen, sitzen in dieser Struktur in einer Art »Body Container«, und das in einfacher und klar definierter Weise. Für unterschiedliche Kompressionsformate sind unterschiedliche »Container« spezifiziert. Außerdem ist MXF auch ein »lineares« Format mit einer klar definierten Struktur. Daher ist es unabhängig von jeglicher Speicherstruktur und dem jeweils betreffende Operating- oder Speichersystem. Es gibt bei MXF aber dennoch eine Möglichkeit, Informationen in Paketen zu einzelnen Sektoren zusammenzufassen (etwa 4 kb), um damit eine nachfolgende Verarbeitung sowie Speicher-Operationen zu vereinfachen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Hauptvorteile des MXF-Formats?

Dr. Nick Wells: Der Hauptvorteil besteht darin, dass es mit MXF ein Standard-Format für den Austausch von vollständigen Programmen zwischen unterschiedlichen Systemen und Firmen gibt. Außerdem liefert MXF eine Standardmethode, nach der Metadaten innerhalb dieser Files ausgetauscht werden können, unabhängig vom verwendeten Audio- und Videokompressionsformat. Man kann sich kaum vorstellen, wie Server-, Netzwerk- und File-Austausch-Architekturen künftig ohne einen solchen Standard funktionieren sollten. Zudem kann MXF auch ein ideales Archiv-Format sein, wenn gefordert ist, dass auch die Metadaten eines Programms zusammen mit dem eigentlichen Programm archiviert werden sollen.
Ein weiterer Vorteil von MXF besteht darin, dass es als »Quasi-Streaming-Format« eine sehr bequeme Brücke zwischen den Bereichen schlägt, in denen mit konventionellen »Streaming«-Formaten gearbeitet wird (etwa SDI/SDTI im Bereich Ingest und Playout) und zwischen zwischen dem Editing- und Produktionsbereich, wo eher mit File-Transfers und dem AAF-Format gearbeitet wird.
Da MXF auf KLV-Kodierung (Anmerkung der Redaktion: Key-Length-Value-Kodierung) basiert, ergeben sich weitere Vorteile, denn bei dieser Art der Kodierung wird jedem einzelnen Bestandteil innerhalb der linearen Struktur des Files ein Identifizierungscode vorausgeschickt, der genau angibt, welcher File-Inhalt auf welcher Länge gleich folgen wird. Das macht es für Hard- und Software-Systeme sehr einfach, die Files zu analysieren und jene Passagen auszulassen, die für die jeweilige Anwendung uninteressant sind.
MXF verfügt auch über Mechanismen, mit denen sich harte Schnitte zwischen einzelnen Videoclips und Überblendungen zwischen Audioclips definieren lassen. Damit können sich von einem einzigen File unterschiedliche Programm-Varianten erstellen lassen, etwa, wenn bestimmte Szenen in bestimmten Ländern herausgeschnitten werden müssen.

Wie soll die weitere Entwicklung des MXF-Formats verlaufen?

Dr. Nick Wells: Der Hauptteil des Standardisierungsprozesses sollte bis zum Frühjahr 2002 abgeschlossen sein. Da etliche der beteiligten Firmen Codes als Teil des Standardisierungsprozesses entwickeln und auch weil sich die Kooperationen mit dem ProMPEG-Forum, der AAF Association und der EBU gut entwickeln, gehe ich davon aus, dass vermutlich schon kurz vor Standardisierungsfertigstellung gegen Ende des Jahres 2002 auch ein fertiges Produkt verfügbar ist.
Weiterführende Arbeiten an MXF werden im geringeren Umfang noch notwendig sein, um das Format zu erweitern, etwa um neue Bodies für weitere Essenztypen zu definieren, die im ersten Standardisierungsdokument noch nicht enthalten sind.

Downloads zum Artikel:

T_0901_MXF_Fileformat.pdf