Streaming boomt. Tatsächlich?
Wenn am 22. 3. die CeBIT 2001 beginnt, dann ist zu erwarten, dass sich einmal mehr die Berichterstattung darüber auf allen Informationskanälen überschlagen wird. Vom privaten Computer-Freund bis zum Börsenprofi blicken viele mit hohen Erwartungen nach Hannover. Genährt aus Fantasie, What‘s-next-Erwartungshaltung und dem Zwang, auf dieser Messe aufzufallen, entsteht ein Strudel, dessen Sogwirkung sich viele Aussteller und Besucher nicht entziehen können.
So wird die Mega-Messe wieder ein wildes Potpourri aus echten und vermeintlichen Neuheiten aus der IT-Branche, aus eher gewagten Prognosen und euphorischen Blicken in die Zukunft entstehen lassen. Leider ist es dabei so, dass das in der Computer- und Software-Industrie ohnehin oft schlechte Verhältnis zwischen zutreffenden Informationen und vollmundigen, aber inhaltsleeren Ankündigungen und Versprechungen, noch einmal deutlich leidet. Da wird wissentlich und unwissentlich gelogen, dass sich die Motherboards biegen.
Zu den Schlagwörtern der CeBIT gehört in diesem Jahrgang zweifellos das »Streaming« – also die Internet-Übertragung von Video- und Tondateien, die der Empfänger schon während des Ladens betrachten kann, ohne dass er hierfür die Dateien erst herunterladen müsste.
Damit diese Technik und alle damit verbundenen, schönen Vorstellungen Realität werden können, muss sich einiges tun. Auf der einen Seite arbeiten die Hersteller daran, Streaming-Tools zu entwickeln, mit denen sich die Video- und Bilddateien in ihrer Größe reduzieren und direkt ins Internet ausgeben lassen – bei möglichst guter Bild- und Tonqualität versteht sich. Auf der anderen Seite können immer mehr Haushalte Highspeed-Internet-Zugänge nutzen und sind dadurch eher Streaming-Angebote empfänglich.
Doch wie weit ist Streaming eigentlich schon Realität? Eine aktuelle Studie von NetValue zeigt, dass es immer mehr Streaming-Angebote gibt und auch tatsächlich immer mehr Anwender diese Angebote nutzen. Überwiegend Sportereignisse oder Nachrichten werden dabei via Internet betrachtet.
Während aber die amerikanischen Internet-Nutzer im Januar dieses Jahres durchschnittlich 60 Minuten beim Betrachten von Streaming-Inhalten zubrachten, beschäftigten sich deutsche Internet-Nutzer im selben Zeitraum im Durchschnitt gerade mal 12 Minuten damit. Und das, obwohl die Infrastruktur für Streaming-Nutzer in Deutschland gar nicht so schlecht aussieht. Aber auch innerhalb Europas gibt es ein Gefälle: Die britischen Internet-Nutzer brachten im Durchschnitt immerhin noch 30 Minuten mit Streaming-Inhalten zu.
Unter den euphorischen Prognosen, die viele Hersteller in den vergangenen Jahren unters Volk brachten, liegen all diese Werte, über deren Präzision man nebenbei bemerkt sicher in beiden Richtungen diskutieren kann.
Woran liegt das? Stimmt die Technik nicht? Werden die falschen Inhalte angeboten? Ist die grundlegende Einschätzung des Nutzerverhaltens falsch? Oder haben sich die Hersteller in ihrer Streaming-Euphorie beim Zeitfaktor verschätzt?
Letzterem können wohl die meisten Marktbeobachter zustimmen, deren oft gehörter Tenor lautet: Streaming wird kommen – wenn auch nicht in der Geschwindigkeit, die amerikanische Marketingstrategen vorgeben. Da könnte manch einem die Zeit davonlaufen, besonders wenn man auf die dümpelnden Aktienkurse einiger Unternehmen blickt, die ihre Produktpolitik schon frühzeitig massiv aufs Streaming abgestimmt haben, wie etwa Media100: Top oder Flop? Sie werden sehen.