Alles anders bei Bertelsmann?
Dass derzeit bei Bertelsmann die Weichen neu gestellt werden, das wissen Sie natürlich längst: Die Medien sind voll davon. Berichte mit Fakten, Spekulationen, Bewertungen befassen sich mit diesem Thema in einer Breite, wie es dem größten in Deutschland gegründeten Medienkonzern gebührt. Dem etwas Neues hinzu zu fügen, das dürfte fast schon unmöglich sein. Da bleibt für www.film-tv-video.de nur die Flucht in die Vergangenheit.
Und deshalb will dieser Kommentar Ihre Aufmerksamkeit auf einen Satz aus dem Mund eines der Hauptakteure des spektakulären Aktien-Tauschgeschäfts lenken, in dessen Folge Bertelsmann nun 60 % der RTL Group besitzt. »Das Fernsehgeschäft spielt in unserer Zukunftsstrategie eine zentrale Rolle«, wird der Bertelsmann-Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff , 47, im Zusammenhang mit diesem Deal zitiert. Und deshalb sollen zusätzliche, weitere Anteile an der RTL Group erworben werden, die sich momentan noch im Besitz des britischen Pearson-Verlags und der deutschen WAZ-Gruppe befinden.
Wir erinnern uns: Vor knapp zwei Jahren hatte Middelhoff in seiner Eröffnungsrede beim TV-Symposium in Montreux den dort anwesenden Broadcastern noch auf verbindliche, aber unmissverständliche Art die Leviten gelesen und unter anderem gemahnt, sich in den kommenden Jahren nicht auf das gewohnte Geschäft und die bekannten Pfründe zu verlassen und dabei womöglich wichtige Neuentwicklungen zu verschlafen. Wenig später, im September 1999, machte die Nachricht über die Verpflichtung von Ex-RTL-Deutschland-Chef Helmut Thoma als Bertelsmann-Berater die Runde, in der es hieß, Thoma empfehle, innerhalb des Medienkonzerns den Bereich Internet-TV aufbauen und das Internet-Broadcasting von Spartenkanälen bei Bertelsmann als Konkurrenz zu Pay-TV zu positionieren. Das konnte man als Abgesang auf das traditionelle Fernsehgeschäft und den Beginn einer neuen Ära bei Bertelsmann deuten. Thoma fungiert derzeit neben diversen Aufsichtsratsposten und dem Engagement bei Bertelsmann auch als Beiratsvorsitzender von RTL und als Berater des NRW-Ministerpräsidenten in Fragen der Medienwirtschaft.
Nun, da Bertelsmann die Mehrheit an der RTL Group besitzt, kann Middelhoff ja auf verschiedenen Wegen dafür sorgen, dass seine Visionen wahr und seine Mahnungen zumindest bei RTL beachtet werden. Vielleicht hat der Satz »das Fernsehgeschäft spielt in unserer Zukunftsstrategie eine zentrale Rolle« ja eine wesentlich andere und gewichtigere Bedeutung, als man zunächst vermuten könnte. Sie werden sehen.