Ausgerechnet Thomson
Nachdem in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Thomson den Broadcast-Bereich von Philips übernehmen wird (www.film-tv-video.de berichtete), rief das in der Branche die unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Viele davon gingen in Richtung der Überschrift dieses Textes. Weshalb?
Von außen betrachtet konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass sich Thomson langsam aber sicher vom klassischen Broadcast-Produktions-Bereich verabschiede. Die anderen Konzernbereiche schienen diese Sparte zu erdrücken, besonders in Deutschland waren Telekom-Equipment und MPEG-Coder eher ein Thomson-Thema als Kameras und Mischer. Als Jacques Sabatier im Sommer 2000 nach drei Jahren seinen Posten als CEO von Thomson Broadcast aufgab und zu Snell & Wilcox wechselte, sahen viele darin ein größeres Signal, als es vielleicht tatsächlich war. In Deutschland kam erst vor kurzem noch hinzu, dass »Monsieur Thomson Deutschland« Alain Polgar, der die deutsche Niederlassung jahrelang geleitet und aufgebaut hatte, das Unternehmen verließ und zu Fast Multimedia wechselte.
Kaum hat sich die Nachricht von der geplanten Übernahme des Philips-Broadcast-Bereichs durch Thomson etwas gesetzt, legt das Unternehmen nach und will zum Gegenwert von mehr als vier Milliarden Mark das Unternehmen Technicolor kaufen, das derzeit noch zur britischen Carlton-Gruppe gehört. Technicolor ist nicht nur einer der bekanntesten Markennamen in der Medienbranche, sondern auch ein profitables Unternehmen: Technicolor gilt als die weltweite Nummer 1 in der Filmentwicklung und -kopierung sowie in der Massenproduktion von VHS-Kaufkassetten, CDs und DVDs.
Ein großer Name mit Tradition aus der Filmtechnik-Branche — das gibt eine Ahnung von den Plänen Thomsons und passt zusammen mit dem, was viele als die Perle bei der Übernahme von Philips Broadcast betrachten: die Filmabtaster von Philips hätten etliche Unternehmen gern in ihr eigenes Produkt-Portfolio übernommen.
Was aber passiert mit dem Rest der Produktfamilien von Thomson und Philips? Wird es beide Kamera- und Mischerlinien weitergeben? Bei den konkreten Produkten kann Thomson derzeit zwar den technisch moderneren Mischer liefern, aber auch Philips zeigte zur IBC200 einigen Key-Kunden im Hinterzimmer die Zukunft der Philips-Mischer — streng geheim und von der Presse abgeschirmt. Teilweise haftet den Mischern von Thomson ohnehin der Ruf an, sie seien zwar technisch top, aber durch ihr »Citroen-Design« schwer zu bedienen und so völlig anders als das übliche, gewohnte Equipment. Hat andererseits Philips Broadcast zu lang auf die Diamond-Linie gesetzt? Dass der Videomischer-Markt wirtschaftlich interessant ist, zeigt der Versuch von Pinnacle, hier Fuß zu fassen, denn Pinnacle ist auf agressivem Wachstumskurs und ganz klar auf Computertechnik fokussiert. Dass der Mischermarkt umkämpft ist, dafür sorgt auch die Neuentwicklung Kalypso von Grass Valley.
Sprengstoff liegt auch darin, dass Thomson bei den Videoformaten bisher dem Sony-Lager zuzurechnen war, ja sogar als einziger Systempartner von Sony bei Betacam SX agierte. Philips dagegen setzt bei den Videoformaten zumindest bislang auf Panasonics DVCPRO. Was wird hier die Zukunft sein und wie wird sich das Systemgeschäft, das beide Firmen betreiben, vor diesem Hintergrund aufstellen?
Noch ist es zu früh für Antworten auf diese Fragen, aber die richtige Zeit wird kommen.
Sie werden sehen.
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