Auftakt Medientage München 2024
Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen zusehends. Bei den 38. Medientagen München stand diese Entwicklung im Mittelpunkt der Diskussionen.
Führende Köpfe aus Medien, Politik und Wirtschaft analysierten die Herausforderungen, die sich durch künstliche Intelligenz für unsere Gesellschaft ergeben.
»Die Realität, die wir kennen, vermischt sich zunehmend mit einer künstlich erzeugten Wirklichkeit«, konstatiert Dr. Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien.
Seine Sorge gilt vor allem der wachsenden Schwierigkeit, Wahrheit von Täuschung zu unterscheiden. Als Antwort darauf plant Bayern die Einrichtung eines KI-Kompetenzzentrums für Medienunternehmen.
Der britische KI-Experte Henry Ajder untermauert diese Einschätzung. In seiner Analyse beschreibt er eine „Geschäfts- und Produktivitätsrevolution“ durch KI, die gleichzeitig erhebliche Risiken birgt. Besonders Deep Fakes, täuschend echte synthetische Medieninhalte, könnten demokratische Prozesse und Finanzmärkte manipulieren.
Politische Dimension
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht dringenden Handlungsbedarf. Seine Befürchtung: Extremistische Gruppen könnten die neuen Kommunikationskanäle für ihre Zwecke instrumentalisieren. Besonders beunruhigend findet er die Verbreitung von Falschinformationen in geschlossenen Messenger-Gruppen, die sich der öffentlichen Wahrnehmung entziehen.
Reform des Mediensystems
Die Debatte weitete sich auf strukturelle Fragen des Mediensystems aus. Söder plädiert für eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – ohne Beitragserhöhung, aber mit Sparmaßnahmen. Kontrovers diskutiert wurde der Vorschlag einer gemeinsamen Streaming-Plattform öffentlich-rechtlicher und privater Anbieter.
Internationale Perspektive
Der Blick in die USA zeigt die Folgen einer polarisierten Medienlandschaft. Die Zeit-Korrespondentin Rieke Havertz berichtet von wachsendem Misstrauen gegenüber klassischen Medien, besonders unter Trump-Anhängern. Große Sender wie Fox und MSNBC hätten sich für eine einseitige Berichterstattung entschieden – aus Quotengründen.
Werbebranche als Vorreiter
Die Werbebranche geht pragmatischer mit KI um. Esther Busch von der Serviceplan Gruppe sieht in der Technologie Chancen für besseres Zielgruppenverständnis und personalisierte Inhalte. Dennoch betont auch sie die Bedeutung von Vertrauen als Grundlage der Kommunikation.
Ausblick
Die Situation der Medienlandschaft bleibt komplex. Philipp Welte vom Medienverband der freien Presse zeigt sich besorgt über die Entwicklung: Siebzig Prozent der Bevölkerung halten Staat und Demokratie für überfordert. Die Presselandschaft steht zwischen digitalen Plattformriesen und öffentlich-rechtlichen Angeboten vor großen Herausforderungen. Einig sind sich die Experten in einem Punkt: Vielfalt und Vertrauen bleiben die Grundpfeiler einer funktionierenden Mediendemokratie.