Grading, Interview: 01.11.2024

Interview mit Dirk Meier

Interview mit Dirk Meier, Jury-Mitglied der FilmLight Colour Awards 2024.

Sie haben 2023 den Preis für die beste Farbkorrektur in der Kategorie »TV/Episodic« gewonnen. Jetzt sind Sie Jurymitglied für die Ausgabe der Colour Awards 2024. Was sind Ihrer Meinung nach die Schlüsselelemente, um zu gewinnen?

Dirk Meier: Zunächst ein kleiner Einschub zu dem Begriff »Farbkorrektur«. Denn tatsächlich versuche ich, den im Deutschen zu vermeiden. Er impliziert schließlich, dass jemand, also die Kameraperson, einen Fehler gemacht hat, den wir jetzt korrigieren müssen. Es geht aber um einen sehr kreativen Gestaltungsprozess als Teil der Bildgestaltung. Deshalb haben wir uns auch im Berufsverband Kinematografie, in dem ich Mitglied bin, entschieden, auch im Deutschen von »Color Grading« zu sprechen.

Zur Frage nach den Schlüsselementen, es muss vor allem das richtige Projekt sein. Eines, das es einem ermöglicht, einen bestimmten Look zu entwickeln und eine Geschichte über seine Entstehung zu erzählen und wie ers das visuelle Storytelling des Projekts unterstützt. Es gibt so viele wirklich gut gegradete Filme, Serien, Werbespots und Musikvideos, aber am Ende werden wir als Juroren nach etwas suchen, das auf die eine oder andere Weise heraussticht.

Worauf achten Sie bei den diesjährigen Beiträgen?

Dirk Meier: Für mich spielt die Zusammenarbeit mit den Kameraleuten eine sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung des Looks. Vor diesem Hintergrund suche ich nach Geschichten über diesen Prozess und die Kommunikation zwischen Colorist_in und der Kameraperson – oder auch anderen wichtigen Mitarbeitern wie der Regie, Production Designer, Editor_innen oder VFX-Supervisor. 

Biografie Dirk Meier
©Edmond Laccon
Dirk Meier.

Als freiberuflicher Colorist, Postproduktionsberater und Dozent hat Dirk Meier für Unternehmen wie Arri, Farbkult, The Post Republic, WeFadeToGrey und Zentropa gearbeitet und an Filmen wie Lars von Triers »Antichrist«, Sebastian Lelios »Eine fantastische Frau«, Alice Rohrwachers »Happy as Lazzaro« und Roy Anderssons »Über die Unendlichkeit« mitgewirkt. Von 2015 bis 2019 leitete er UP.Grade, das weltweit erste Langzeit-Ausbildungsprogramm für Color Grading, und ist Mitglied des Imago Technical Committee, des Berufsverband Kinematografie BVK und der Colorist Society CSI.

Bevor er sich dem Color Grading widmete, war Dirk Meier 1998 Mitbegründer des Unternehmens director’s friend, das ein tragbares nonlineares Schnittsystem entwickelte, das später zum weltweit ersten mobilen unkomprimierten Aufnahmesystem für hochauflösende Videosignale wurde und 2001 für die Aufnahme des One-Take-Films »Russian Ark« von Aleksandr Sokurow verwendet wurde.

Sein Interesse an der Kinematografie und der Postproduktion führte ihn dann zu einer Karriere im Color Grading. Seit 2005 arbeitet er mit verschiedenen Grading Systemen, hauptsächlich an Dokumentarfilmen und Arthouse-Spielfilmen sowie an einigen Serien.

Haben Sie als Lehrer und Dozent einen Rat für junge Coloristen?

Dirk Meier: Diese Frage lässt sich nur schwer in wenigen Sätzen beantworten. Die Bildnachbearbeitung verändert sich sehr schnell, und der Zugang zu Werkzeugen und Wissen ist bereits heute völlig anders als 2005 oder 2015. Ich selbst habe Mühe, mit den Software-Entwicklungen und neuen technischen Trends Schritt zu halten.

Für Colorist_innen und viele andere Fachleute gilt jedoch weiterhin, dass wir Fähigkeiten in drei Hauptbereichen benötigen:

  • Empathie und soziale Kompetenz sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Kommunikation mit den Kunden.
  • Know-how und technische Fähigkeiten sind notwendig, um das Equipment bedienen zu können und die modernen Workflow-Anforderungen und neue Technologien wie HDR und Farbmanagement zu verstehen.
  • Und Kreativität, künstlerische Fähigkeiten oder Talent und ein gewisser Geschmack sind unerlässlich, um bei einer Grading Session eigene Ideen und Vorschläge zu entwickeln.

Mein Rat lautet also, sich mit den eigenen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen und sich dann darauf zu konzentrieren, die schwächeren Seiten zu stärken.

Wie arbeiten Sie am liebsten mit dem Kameramann zusammen?

Am Set von »Russian Ark« von Aleksandr Sokurow.

Dirk Meier: Für mich sollte die Zusammenarbeit mit DOPs bereits einige Wochen oder Monate vor Drehbeginn starten.

Ich lese mir gerne das Drehbuch durch und informiere mich über die visuelle Welt, die sich der Kameramann/die Kamerafrau vorstellt. Oft haben die Produktionsdesigner bereits damit begonnen, Moodboards zusammenzustellen, die sich hervorragend für die Besprechung der Farbpalette, der Drehorte und der Lichtsituationen eignen. Dies ist sehr wichtig, um eine gemeinsame Sprache mit den Kameraleuten zu finden – insbesondere, wenn wir noch nie zusammengearbeitet haben, da wir Zeit brauchen, um die Vokabeln und Vorlieben des jeweils anderen in Bezug auf Bilder, Farben, Licht, Stimmungen und Texturen kennenzulernen.

Dirk Meier war 1998 Mitbegründer des Unternehmens director’s friend.

Und dann planen wir einen Kamera-, Objektiv- und Look-Test, der oft gleichzeitig der »Hair- and Make-up«-Test ist. Auf der Grundlage dieser Aufnahmen erstellen wir eine erste Version des Gesamtlooks und erstellen daraus eine LUT, die während der Dreharbeiten verwendet wird. Die LUT kann jedoch nur die Farbtransformationen enthalten, und mit der Entwicklung neuer Tools für »räumliche Operationen« in den Grading-Systemen ist die Arbeit an der Textur der Bilder für mich zu einem sehr wichtigen Aspekt geworden. Dies wird normalerweise nicht auf die Muster angewendet, aber ich möchte dies auch vor Drehbeginn besprechen.

Das Unternehmen entwickelte ein tragbares nonlineares Schnittsystem, das später zum weltweit ersten mobilen unkomprimierten Aufnahmesystem für hochauflösende Videosignale wurde.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrer Rolle als Colorist?

Dirk Meier: Kommunikation. Ich versuche zwar, in der Vorproduktion eine gemeinsame Sprache mit den Kameraleuten zu finden, aber das schließt den Regisseur oder die Regisseurin in der Regel aus. Und für sie besteht die Herausforderung darin, dass sie nur alle zwei Jahre zehn Tage lang in einem Grading-Studio zu sitzen, zumindest bei Spielfilmen. Woher sollen sie also die technische und ästhetische Terminologie kennen, die ich mit dem Kameramann oder der Kamerafrau verwenden kann?

Ich versuche mir dann vorzustellen, wie ich mich zum Beispiel in die Generalprobe eines Theaterstücks einbringen würde, wenn ich die Position des Regisseurs/der Regisseurin einnehme. Ich habe hoffentlich das Drehbuch gelesen, aber jetzt soll ich detailliertes Feedback zur Leistung jedes Schauspielers/jeder Schauspielerin geben und dabei auch noch die gesamte Dramaturgie im Auge behalten. Als erfahrener Colorist, habe ich vielleicht ein besseres Gespür für deren Leistung als ein ‚durchschnittlicher Kinobesucher‘, aber mir fehlt das Vokabular, um mit ihnen zu sprechen. Und ich habe auch nicht Monate oder Jahre damit verbracht, das Drehbuch zu entwickeln und zu analysieren.

In meinem Job als Colorist versuche ich also, ein aufmerksamer Zuhörer und Übersetzer zu sein.

Der FilmLight Colour Award für das Grading einer TV-Serie ging 2023 an den freiberuflichen Coloristen Dirk Meier für seine Arbeit bei D-Facto Motion an der ersten Staffel von »Luden«.

Was halten Sie von der Spotlight-Kategorie?

Dirk Meier: Zunächst einmal ist es wirklich toll, dass FilmLight sie eingeführt hat!  Ich erinnere mich noch an das erste Jahr der Preisverleihung ohne die Spotlight-Kategorie. Ein sehr guter Freund von mir war in der Kategorie »Spielfilm« mit dem außergewöhnlichen Grading eines Super-Low-Budget-Arthouse-Films nominiert und trat u.a. gegen David Finchers Mank an, und verlor gegen ihn. Keine Frage, dass der Colorist von “Mank” den Preis absolut verdient hatte. Aber angesichts der Umstände und Möglichkeiten einer Produktion mit so großem Budget im Vergleich zu den Einschränkungen eines kleinen Independent-Films halte ich es für sehr wichtig, eine separate Kategorie zu haben, die es den Juroren ermöglicht, die Arbeit an Filmen mit geringerem Budget ins Rampenlicht zu rücken.

Gerade in diesem Arbeitsbereich sind kreative Lösungen zur Unterstützung des visuellen Erzählens von entscheidender Bedeutung und fast wichtiger als bei Produktionen mit großem Budget, die über ein hervorragendes Produktionsdesign, tolle Drehorte und fast »unbegrenzte« Ressourcen in den Bereichen Beleuchtung oder VFX verfügen.