Das Kino wird digital
Filmrollen und ratternde Projektoren sollen im Kino schon bald der Vergangenheit angehören. Das meinen zumindest die Verfechter der digitalen Kinoprojektion und deren Zahl steigt zunehmend an. Anlässlich einer Vorführung von Disneys »Fantasia 2000« machten die Anwesenden Firmenvertreter deutlich, dass besonders wirtschaftliche Aspekte mittelfristig für die Umstellung sprechen, die allerdings derzeit noch teuer ist.
Mit „Fantasia 2000“ feiert Disney das Remake des Animationsklassikers »Fantasia« aus dem Jahr 1940. Wie damals werden Highlights der klassischen Musik mit Animationsstorys in der aktuellen Ästhetik verbunden. Die Topnummer der acht Episoden ist freilich ein direktes Zitat: »Der Zauberlehrling« mit der künstlerischen Handschrift Walt Disneys und der digital aufgearbeiteten, von Leopold Stokowski eingespielten Originaltonspur.
Die Vorführung von »Fantasia 2000« in Berlin war der Aufhänger für ein eher technisches und wirtschaftliches Thema: So wie »Fantasia 2000« werden immer mehr Filme weitgehend oder gar vollständig digital (post)produziert: das jüngste »Star-Wars«-Opus, »Toy Story 2« und Disneys »Dinosaurier« sind Beispiele dafür. Da liegt es eigentlich nahe, auch am Ende der Produktionskette für die Vorführung im Kino nicht wieder auf Film zu kopieren, sondern die Bilder gleich digital vorzuführen.
Das ist nicht nur konsequent, sondern spart auch Geld, das man bisher für hunderte von Kopien auf Chemiefilm ausgeben muss, die als gewichtiges Kulturgut einzeln hergestellt, mehrfach gelagert, transportiert, verwaltet und irgendwann einmal entsorgt werden müssen. Diese Vertriebskosten ließen sich extrem reduzieren, wenn man stattdessen beispielsweise DVDs, digitale Videokassetten oder gleich nur die digitalen Daten per Kabel oder Satellit an die Kinos verschicken würde, um sie dann via Digital-Projektor auf die Leinwand zu bringen.
Das ist »Kino ohne Film«, wie es Ralf Schilling, der Vizepräsident des Kinoriesen UCI Kinowelt, einprägsam auf den Punkt bringt. Von der »Zukunft des Kinos« orakeln auch Thomas Menne, Vizepräsident von Buena Vista und Ian McMurray, European Marketing Manager Digital Imaging bei Texas Instruments.
Abgesehen von den wirtschaftlichen Aspekten, können die Befürworter auch Vorteile für das Publikum nennen, die klar auf der Hand liegen: Selbst nach unzähligen Vorführungen gibt es bei digitalen Daten keine hässlichen Schrammen, Verschmutzungen, keine Farbveränderungen und und auch keine eiernden Töne. Da sieht Menne die »Filmkunst für die Ewigkeit« konserviert und will, »dass der Zuschauer das Optimum bekommt«.
Den reduzierten Logistikkosten und den Vorteilen für die Kinobetreiber und Zuschauer stehen allerdings zunächst kräftige Investitionen entgegen: Allein die Projektoren kosten heute noch um die 300.000 Mark, hinzu kommen Video-Server oder andere hochwertige Abspielgeräte, und eventuell noch Empfangsanlagen. Da können nur große Kinobetreiber wie UCI einsteigen, bei denen folgerichtig auch ein Großteil der derzeit in Europa betriebenen digitalen Kinoprojektoren aufgestellt ist. Drei der weltweit etwa 30 installierten Digital-Cinema-Projektoren von Christie stehen in Deutschland. Wer sich ein digitales Bild machen will, kann das im UCI-Kino in Düsseldorf, im Zoo-Palast in Berlin und im Kölner Cinedom tun, wenn digitale Projektionen auf dem Spielplan stehen.
Texas Instruments (TI) hat mit dem Mikrospiegelchip (DMD) die Kerntechnologie der Hochleistungsprojektoren entwickelt. TI-Mitarbeiter Ian McMurray schätzt, dass weltweit in den nächsten vier Jahren schon bis zu 8.000 Kinos in digitale Technik investieren. In 15 Jahren soll demnach die Mehrheit der Kinos das Etikett »DLP Cinema« tragen. Wer mitmacht, findet sich aus der Sicht von Buena-Vista-Mann Menne auf der Gewinnerseite im Wettbewerb der Entertainment-Industrie wieder und kann obendrein auch flexibler als bisher mit Werbespots arbeiten.
UCI-Vizepräsident Schilling sieht noch weitere Chancen: Der Projektor verarbeitet ja auch grafische Daten und ganz normale Videosignale.
Zum Projektor selbst ist zu sagen, dass Texas Instruments beim Thema Kinoprojektion mit mehreren Herstellern zusammenarbeitet: Barco, Christie und Imax gehören dazu. Für die Digitalprojektion von »Fantasia 2000« in Berlin wurde dem konventionellen Lampenhaus eines Christie-Projektors eine DLP-Einheit vorgeschaltet. Die elektro-optische Bildwandlung besorgen darin drei DMD-Chips mit jeweils 1,3 Millionen beweglichen Miniaturspiegeln. Zusammengerechnet wird das Bild also auf der Leinwand aus rund 4 Millionen Pixels zusammengesetzt. Das Kontrastverhältnis wird mit besser als 1000:1 angegeben, die Farbtiefe mit 24 Bit. Die Auflösung beträgt derzeit 1.280 mal 1.024 Pixels weiterer Ausbau soll folgen.
Grundlegende, etwas ausführlichere Informationen zur DLP-Projektion können Sie lesen, wenn sie hier klicken.
Ob die mit dem bisher verfügbaren Projektor erreichte Bildqualität ausreicht und das volle oder gar ein besseres Kinoerlebnis bietet, muss jeder selbst entscheiden. Aber ob das überhaupt eine Rolle spielt, ist fraglich: »Der Zug kann nicht aufgehalten werden«, stimmt ein Vertreter des Hauptverbands der Deutschen Filmtheater (HdF) in den Chor der Optimisten ein. Kein Wunder, hat doch auch der HdF auf die Fahnen seiner Kongressmesse Kino 2000 die digitale Projektion als zentrales Thema geschrieben.