Artificial Intelligence, Radio: 21.08.2024

Ganz aus der Digitalkiste

Nach einem Jahr stellt die Webwelle Absolut Radio AI ihrem künstlichen Moderator »kAI« jetzt ein weibliches Pendant namens »Aileen« zur Seite.

Mirko Drenger.

Die weibliche Stimme soll helfen, »die Moderation des Senders vielfältiger zu gestalten und neue Hörerinnen und Hörer zu gewinnen«, sagt Mirko Drenger. Er ist der Geschäftsführer von Antenne Deutschland, das in Partnerschaft mit Media Broadcast den zweiten nationalen DAB+-Multiplex betreibt und dort sechs Radiowellen und diese und weitere Webradios der Eigenmarke »Absolut« verbreitet.

Als Zielgruppe nennt Drenger die 14-bis 49-Jährigen. Künstliche Moderatoren »sollen keine Moderatorinnen und Moderatoren der Senderfamilie ersetzen, sondern eine Ergänzung darstellen«, räumt Drenger ein – »zum Beispiel als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung«. Sie bestreiten gleichwohl den halben Sendetag von 6 bis 18 Uhr bei Absolut Radio AI; mittags um 12 Uhr wird von kAI auf Aileen umgeschaltet. Den KIs der beiden Rollen werden unterschiedliche Charaktere zugeordnet, ebenso wie unterschiedliche Playlists gefahren werden. Betont wird stets, dass die KIs auch über KI und deren Anwendungsgebiete aufklären.

Programmflut nicht durch Werbung finanzierbar

2024 gab es nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Medienanalyse (agma) 503 Radiostationen, davon 330 private und 74 öffentlich-rechtliche. Während ausgeschöpfte Frequenzen eine Ausdehnung von UKW verhindern und sich auch DAB+ einem Ende der Ressourcen nähert, wurde es üblich, Simulcasts dieser Programme – zu relativ moderaten Mehrkosten – im Internet zu verbreiten. Zahlreiche SpinOffs – zumeist mit monothematisch programmiertem Songrepertoire und oft ohne Informationsanteile – sollen die Markenbekanntheit im Web verstärken.

Mit dem explosiven Wachstum kann die Hauptfinanzquelle des Hörfunks, die Werbung, überhaupt nicht mithalten. Umso mehr werden offensichtlich Lösungen gesucht, die ohnehin computergenerierten – und oft recht ähnlich wirkenden – Musikwellen durch einen Anschein persönlicher Betreuung aufzuwerten und sich als »innovativ« von Wettbewerbern abzuheben. Das ist die Aufgabe der KI-»Moderatoren«. Obendrein verzichten die Kunststimmen auf Gehälter, Lohnnebenkosten, Krankschreibungen, Urlaub, eine eigene Meinung usw.

KI muss lernen, wie »Kreativität« gelernt wird
Die großen Radioveranstalter suchen immer nach dem ganz besonderen Alleinstellungsmerkmal. Nur kosten darf es möglichst nichts.

Antenne Deutschland bezeichnet Absolut Radio AI als den »ersten AI-moderierten Radiosender und Stream in Deutschland«. Es ist aber nicht die einzige Initiative, die Künstliche Intelligenz für den Hörfunk einsetzt. BigFM, eine Marke von Audiotainment Südwest, streamt »bigGPT – AI Audio Experience«. Für den komplett aus der Digitalkiste tönenden Sender wird »mit synthetischen Stimmen, KI-generierten Inhalten und den bigGPT Top 40 der meistgestreamten Songs im Netz« geworben. Die Hitlisten der Streamline-Welle werden automatisch generiert, ebenso wie die Moderationstexte und sogar Nachrichteninhalte.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist wesentlich zurückhaltender und präsentiert KI aus eher medienpädagogischer Sicht. So moderierte Volker Janitz seine Sendung »SWR3 Move« im Dialog mit einer KI-Version seiner Stimme und gab Hörern Gelegenheit zu Nachfragen. Kurz zuvor bekam Aljoscha Burchert vom Deutschen Forschungszentrum für KI bei »SWR3 Push« Gelegenheit zum eher euphorischen Statement: »Ich würde schon die Erfindung der Künstlichen Intelligenz mit der Erfindung der Elektrizität vergleichen wollen. Es wird sich sehr vieles in sehr vielen Bereichen ändern.« Der Nürnberger Medienwissenschaftler Markus Kaiser schränkt im 3Sat-Magazin »Nano« ein: Der Mensch werde nach wie vor gebraucht. Sein Einsatz werde »vielmehr auf die tatsächlich kreativen Tätigkeiten hinauslaufen, die eine KI zumindest noch nicht in der Form kann.«

Bericht anlässlich des Sendestarts von AbsolutRadio AI vom 22. August 2023.