Grading, Kino, Postproduction, Top-Story: 01.02.2024

»Drii Winter«: Filmischer Realismus durch Farbkorrektur

Die Zusammenarbeit zwischen Kameramann, Regisseur und Colorist Timo Inderfurth war entscheidend, um den gewünschten Realismus des preisgekrönten Spielfilms zu erreichen.


»Drii Winter (A Piece of Sky)« ist ein Spielfilm, der in den Schweizer Alpen spielt und von Michael Koch geschrieben und inszeniert wurde. In einem abgelegenen Alpendorf, das von der Außenwelt abgeschnitten ist, begleitet der Film Anna und Marco, die das Glück einer neuen Liebe und den Zusammenhalt der Familie erleben.


Trailer des Films.

Der szenische Film, der von DoP Armin Dierolf eingefangen wurde, erhielt den Preis für den besten Spielfilm bei den Schweizer Filmpreisen 2023. Er wurde auf Baselight von Timo Inderfurth bei Cinegrell in Zürich farbkorrigiert. Das spielte eine entscheidende Rolle bei der Schaffung der einzigartigen visuellen Atmosphäre für den 2,5 Stunden langen, landschaftsreichen Film.

Auf der Suche nach der Vision

Als Regisseur Michael Koch wegen Drii Winter an Dierolf herantrat, stand die Vision des Films noch nicht fest, und Koch war offen dafür, verschiedene Ansätze zu erkunden.

Baselight spielte eine entscheidende Rolle beim Farbmanagement und bei der Wahrung der Bildintegrität.

»Michael hatte eine starke Tendenz zum Seitenverhältnis 1:1,37 (4:3), aber in Bezug auf Kamerabewegungen und Blocking hatte ich das Gefühl, dass er nach etwas Besonderem suchte, das noch nicht ausgearbeitet war«, erklärt DoP Dierolf. »Wir haben Drehortbesichtigungen gemacht, um die Orte und Menschen zu besprechen und zu überlegen, wie wir die Bildsprache angehen könnten. Bei der Suche nach dem visuellen Konzept begannen wir mit der Idee, den Schauspielern intuitiv mit einer Handkamera zu folgen, um ihnen so viel Raum wie möglich zu geben, bis hin zu einem eher geerdeten und ‚bühnenhaften‘ visuellen Konzept mit statischen und präzisen Einstellungen, das sich als visueller Herzschlag des Films herausstellte.«

Ursprünglich wollten Koch und Dierolf den Film auf 35-mm-Film drehen, doch aus einer Reihe von Gründen – darunter die hohe Aufnahmequote, das begrenzte Budget und die Schwierigkeiten der Pandemie – drehten sie schließlich zu 100 % digital.

»Als ich merkte, dass es nicht möglich war, alles auf Film zu drehen, wollte ich die Anfangs- und Endszene sowie die Chorszenen auf 35 mm drehen, um eine kristallklare Referenz von 35 mm im Film zu haben und eine Tonalität festzulegen, die das digitale Material in Bezug auf Farben, Kontrast und Textur erreichen konnte. Ich glaube, dass die allerersten Bilder, die man in einem Film sieht, eine sehr wichtige Rolle spielen, um eine Visualität in all ihren Aspekten zu schaffen – Textur, Farben, Länge, Perspektive, Helligkeit, Dunkelheit usw.«

»Diese Kombination aus Film und digitalem Standbild wäre meine bevorzugte Wahl gewesen, aber die Pandemie hat uns gleich zu Beginn der Produktion hart getroffen, und die Dinge wurden instabil, so dass wir unsere Interpretation des 35-mm-Films schließlich vollständig digital erstellt haben. Ich machte genaue Tests und erstellte LUTs für die Alexa Mini, um unser digitales Ausgangsmaterial an das Filmmaterial anzupassen«, erinnert sich Dierolf.

Der DoP und der Regisseur hatten vor Ort verschiedene Look-Tests gedreht – sowohl auf 35-mm-Film als auch digital auf der Arri Alexa – und so bestand eine der größten Herausforderungen für Inderfurth darin, das digital gedrehte Material an die Ästhetik des Films anzupassen.
Der gewünschte Look

Inderfurth stieß noch vor Drehbeginn zum Team von Drii Winter, was ihm die Möglichkeit gab, von Anfang an eng mit Dierolf und dem Regisseur am Look des Films zu arbeiten.

Die Schneeszenen und Landschaften erforderten eine sorgfältige Farbseparation und Sättigungskontrolle.

»Es gab zwei Hauptziele«, erinnert sich Inderfurth. »Zum einen ging es darum, einen sehr filmähnlichen Look zu erzielen, der die digital gedrehten Teile an den Film anpasst – auch wenn letztlich der gesamte Film digital gedreht wurde. Aber noch wichtiger war es dem Regisseur, nahe am Realismus zu bleiben. Er wollte nicht, dass der Look an irgendeiner Stelle die Oberhand gewinnt. Neben den visuellen Referenzen aus dem Look-Test, der teilweise auf Film gedreht wurde, hatten wir auch einige analoge Set-Fotos.« Inderfurth war sich bewusst, dass der Look die Erzählung nicht überlagern sollte.

»Der filmische Look hilft zwar, die Anzahl der Farben zu reduzieren, aber wir haben die Sättigung dieser Farben hoch genug gehalten, um sicherzustellen, dass wir keine unnatürlich entsättigte Palette erhalten«, sagt Inderfurth. »Wir haben uns auch für naturalistische Hauttöne entschieden, anstatt die Hauttöne der Charaktere zu sehr anzugleichen oder gar Beauty-Arbeit zu leisten. Im Allgemeinen beginnt der Film im Frühling/Sommer und endet im Winter – es gibt also eine natürliche Reduktion der Farben aufgrund des Wetters im Laufe der Zeit.«

Eine echte Zusammenarbeit

Inderfurth und Regisseur Michael Koch hatten bereits zuvor zusammengearbeitet und waren daher mit der Herangehensweise des jeweils anderen vertraut, aber mit dem Kameramann Armin Dierolf hatten sie vor diesem Projekt noch nicht zusammengearbeitet.

»Michael wollte bei jeder Entscheidung, die wir getroffen haben, dabei sein, was mir sehr gefallen hat«, erklärt Dierolf. »Das macht die Zusammenarbeit und die Filmsprache nur noch interessanter. Er begleitete mich bei allen Objektiv- und Kameratests und beobachtete interessiert die Erstellung der LUTs. Er war auch während des gesamten Gradings dabei, was perfekt war, weil man wirklich versucht, alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen – vor allem, wenn es darum geht, die Art von Realismus zu schaffen, die wir beabsichtigten.«

Es war ein ungewöhnliches Projekt, denn der Film ist 2,5 Stunden lang und hat nur wenige Schnitte.

Inderfurth war bei Koch und Dierolf, als sie in der Vorproduktion den Test zwischen 35-mm- und Digitalkamera auswerteten.

»Ich war sehr froh, dass ich mich auf die Hilfe von jemandem verlassen konnte, der viel Erfahrung mit dem Grading von Filmmaterial und der Restaurierung von Filmmaterial hat«, sagt Dierolf. »Durch die Verwendung der LUT, die wir in der Kamera erstellt haben, und die Anpassung von Lichtern, Farbe und Kontrast direkt vor Ort war es uns möglich, Dailies ohne zusätzliches Dailies-Grading zu erstellen.«

Während der Vorproduktion diskutierte das Team die Szenen, den Zeitrahmen und den Rhythmus des Films und traf die Entscheidung, eine Auswahl langer statischer Aufnahmen einzubauen.

Das Team hatte für jede Szene nur sehr wenige Aufnahmen, so dass ein Abgleich in den Primaries nicht notwendig war. Beim abschließenden Grading wurden dann die LUTs überarbeitet und letzte Feinabstimmungen für den Bildschirm vorgenommen. Koch legte während des Casting-Prozesses auch eine Sammlung von 35-mm-Standfotos vor, allesamt Porträts von Menschen, die als Referenz für die Farben dienten.

»Die Zusammenarbeit war großartig», bekräftigt Inderfurth. »Dass wir die Look-Tests schon vor dem Projekt gemacht haben, hat die Sache natürlich sehr erleichtert. Michael und Armin waren während des gesamten Grading-Prozesses anwesend, und wir sind jede Aufnahme viel öfter durchgegangen, als es bei anderen Projekten möglich wäre.«

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