Die meisten Tilt-Shift-Videos, die man online findet, tragen diese Bezeichnung wie einen Genre-Begriff oder eben die Beschreibung eines bestimmten Looks. Ursprünglich rührt der Begriff aber von bestimmten Spezialobjektiven her. Tilt-Shift-Objektive haben ihren Ursprung in der Architekturfotografie. Es sind vergleichsweise teure Spezialobjektive, die mit dem Ziel konstruiert wurden, in der Gebäudefotografie stürzende Linien schon bei der Aufnahme auszugleichen. Das Linsensystem kann hierfür gegenüber der Kameraachse verschoben und gekippt werden.
Neben dem optischen Ausgleich stürzender Linien, eröffnen Tilt-Shift-Objektive auch zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten in puncto Schärfentiefe: die Schärfeebene kann gegenüber der Sensorebene geneigt und gekippt werden. Das gibt enormen Freiraum bei der Bildgestaltung, denn die Grenzen des Schärfebereichs müssen beim Einsatz solcher Objektive eben nicht mehr zwangsläufig parallel zur Sensorebene verlaufen, sondern man kann sie an die Objektposition anpassen. Dadurch lässt sich das Bildobjekt sehr plastisch und scharf innerhalb eines ansonsten unscharfen Bildes hervorheben und isolieren. Das bedeutet höchste Flexibilität bei einem Gestaltungselement, das viele Filmemacher nutzen woillen, wie der Trend zu Single-Large-Sensor-Camcordern belegt, die wenigstens etwas mehr Gestaltungsspielraum unter diesem Aspekt eröffnen, als »normale« Camcorder.
Nachteile der Tilt-Shift-Objektive: Man braucht viel Übung und Erfahrung, um damit sicher arbeiten zu können, man muss Equipment einsetzen, das überhaupt grundsätzlich die Montage von Tilt-Shift-Objektiven erlaubt, außerdem sind die Objektive deutlich größer als Standardobjektive, schlucken in vielen Fällen auch mehr Licht — und sie sind vergleichsweise teuer.
Deshalb wurden beim Großteil der aktuellen Tilt-Shift-Clips gar keine solchen Spezialobjektive eingesetzt, sondern der Look wurde durch eine Kombination aus bestimmten Bildgestaltungskriterien bei der Aufnahme und durch digitale Effekte in der Postproduktion nachempfunden — das gilt auch für den Oktoberfest-Clip. Puristen geißeln das mitunter als Imitat, der Mehrzahl der Tilt-Shift-Freunde ist das aber gleichgültig: Sie freuen sich am Look, den sie mit ihren Mitteln erreichen können.
Die Unschärfen werden also heute in den meisten Fällen erst in der Postproduktion erzeugt, mit Compositing-Tools wie etwa After Effects von Adobe oder mit Plug-Ins für das jeweilige Schnittsystem.
Siehe auch: